Was schmeckt, muss nicht teuer sein. Was teuer ist, ist nicht unbedingt gesund. Und was dem Körper gut tut, schadet mitunter der Umwelt. Unsere Nahrungswelt ist kompliziert geworden – und das nicht erst seit den letzten Lebensmittelskandalen. Immer häufiger stellen sich Verbraucher die Frage: Was kann man eigentlich noch mit gutem Gewissen essen? Gesundheitsexperte Michael Despeghel versucht, in seinem jetzt erschienenen Buch Antworten zu finden.
Unsere Supermärkte sind Genuss-Tempel und bieten für jeden Geschmack etwas. Ob günstig, exquisit, figurbewusst oder nachhaltig: Theoretisch bekommt jeder Konsument genau die Produkte, auf die er Wert legt. Doch für den Verbraucher ist es mitunter gar nicht so leicht, im Wust aus Ernährungsempfehlungen zu wählen, was gut für ihn ist. Oft entscheidet der Preis darüber, was im Einkaufskorb landet. Dabei gibt es weitere wesentliche Kriterien. Wie gesund ist meine Nahrung? Und ist sie ethisch vertretbar?
Esskultur in Deutschland: Hauptsache billig
Die Esskultur unserer Gesellschaft zeichnet nicht gerade das Bild einer Musternation: In keinem anderen europäischen Land wird gemessen am Einkommen so wenig für Essen ausgegeben. Billig und schnell zubereitet muss es sein. Minderwertige Fleischprodukte oder kalorienreiche, nährstoffarme Fertigkost machen jedoch auf Dauer krank. Dazu kommt, dass wir uns immer weniger bewegen. Zusammen mit der Fehlernährung kann das auf Dauer zu Übergewicht sowie zu Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt und Krebs führen. "Angesichts solcher Entwicklungen ist es umso dringlicher, seine Nahrungsgewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen", schreibt Despeghel. Um das zu vermeiden, sollte man pflanzlichen Lebensmitteln den Vorzug geben. Auch ballaststoffreiche Nahrungsmittel wie Vollkornbrot oder Hülsenfrüchte sollten täglich auf dem Speiseplan stehen.
Ist Bio grundsätzlich besser?
Generell lassen sich in ökologisch produzierten Lebensmitteln zwar keine höheren Nährstoffgehalte feststellen, nur vereinzelt sind mehr Vitamine und Mineralstoffe in diesem Gemüse und Obst enthalten. Eindeutig ist die Sache jedoch in Bezug auf Schadstoffe. Der Verzicht auf künstliche Dünger und Pflanzenschutzmittel kommt der Nahrung zugute: Die Rückstände sind im Gegensatz zu herkömmlichen Lebensmitteln minimal bis nicht vorhanden. Die Umwelt profitiert natürlich ebenfalls vom ökologischen Anbau: Bio-Lebensmittel sind meist besser fürs Klima. Weil bei ihrer Herstellung an Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln gespart wird, lässt sich bis zu ein Drittel der Treibhausgase einsparen.
Viele Verbraucher können oder wollen es sich aber nicht leisten, alle notwendigen Lebensmittel durch Öko-Produkte zu ersetzen. Zum Glück kann man auch beim Kauf konventionell hergestellter Lebensmittel einiges richtig machen: "Viel gewonnen für Gesundheit und Umwelt ist schon, wenn Sie sich für naturbelassene Nahrungsmittel der Saison und möglichst aus der Region entscheiden", erklärt Despeghel.
Wer regional und saisonal kauft, tut Gutes
Das "Sustainable Europe Research Institute" hat ausgerechnet, dass wir 116.000 Tonnen CO2 sparen, wenn wir zehn Prozent unserer Einkäufe mit regionalen Produkten abdecken. Ein Apfel aus der Gegend sorgt so zum Beispiel für eine Emission von 50 Gramm CO2, ein Apfel aus Südafrika dagegen für 220 Gramm.
Wichtig beim Kauf von regionalem Obst und Gemüse ist, dass diese nicht im beheizten Treibhaus gezogen wurden. Wie Forscher der Universität Giessen herausfanden, verursacht ein Kilo Tomaten, das im heimischen, beheizten Gewächshaus ausserhalb der Saison angebaut wurde, mehr als tausend Mal so viel CO2 wie beim konventionellen Anbau in der Region während der Saison.
Frische Lebensmittel schneiden besser ab
Frische Nahrungsmittel haben eine doppelt oder dreimal so gute Ökobilanz wie tiefgefrorene oder auf andere Weise konservierte Lebensmittel.
Gemüse aus Nicht-EU-Ländern sollte man übrigens meiden, da es hier immer wieder zu signifikanten Überschreitungen der Pestizid-Grenzwerte kommt.
Fleisch ist gesund – in Massen
Zahlreiche Studien haben einen Zusammenhang zwischen hohem Fleischkonsum und Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Problemen nachgewiesen. Dabei sind Fleischwaren und tierische Lebensmittel nicht per se ungesund. Die Menge macht's! Der World Cancer Research Fund (WCRF) rät daher nicht zum völligen Verzicht, sondern zum massvollen Genuss. Mehr als 500 Gramm rotes Fleisch pro Woche sollten es nicht sein. Vorsicht gilt bei verarbeitetem Fleisch, zum Beispiel Wurst: Hier ist oft übermässig viel Salz enthalten. Der empfohlene Tagesbedarf von fünf Gramm wird dabei schnell überschritten.
Zudem rät Despeghel: "Wer darauf Wert legt, dass sein Fleisch und seine Eier unter für die Tiere akzeptablen Bedingungen hergestellt werden, trifft mit Bioware die bestmögliche Wahl." Artgerechte Tierhaltung hat allerdings seinen Preis: Etwa drei bis viermal so viel müssen Bio-Käufer für Fleisch hinblättern. Doch der Trend zur Biokost zeigt: Immer mehr Deutsche verabschieden sich vom Gedanken, dass Fleisch Billigware sein müsse.
Wer am Fleisch spart, spart ausserdem am meisten CO2. Ein grosser Teil der Treibhausgase, die durch die Lebensmittelproduktion entstehen, ist auf die Herstellung tierischer Lebensmittel zurückzuführen. Folglich haben tierische Produkte eine schlechte Ökobilanz: Ein Kilo Rindfleisch erzeugt 13,3 Kilo CO2, Butter 23,8 und Käse 8,5 Kilo (steigend mit dem Fettanteil). Insgesamt heizen Vegetarier das Klima nur halb so stark auf wie Fleischesser.
Brot in seiner reinsten Form
Die Deutschen lieben Brot, in keinem Land wird so viel davon gegessen wie in der Bundesrepublik. Doch Brot ist nicht gleich Brot. Am gesündesten ist Vollkornbrot, weil hier auch die Randschichten des Korns, die voller guter Nährstoffe stecken, verarbeitet werden. Und wer dieses auch noch in Bioqualität kauft, kann sich sicher sein, dass möglichst wenig bis gar keine Zusatzstoffe wie Ascorbinsäure, Emulgatoren oder Konservierungsstoffe verwendet wurden. Ebenso brauche man bei Bio-Brot keine schädlichen Rückstände von Pestiziden oder Düngern fürchten, schreibt Despeghel.
Soja – Allround-Talent mit Nachteilen
Produkte, die aus der Sojabohne hergestellt werden, sind eine riesige Bereicherung für Vegetarier und Veganer und dienen ihnen als tierlose Eiweissquelle. Tofu, Soja-Joghurt und Co. gelten zudem als sehr gesund. Doch Soja wird nicht durchweg positiv bewertet: Für Säuglinge und Kleinkinder wird das Nahrungsmittel nicht empfohlen, weil es den hormonähnlichen Inhaltsstoff Phytoöstrogen enthält. Während Sojaprodukte im Supermarkt meist nicht gentechnisch verändert sind, findet genmanipuliertes Sojaschrot häufig als Tierfutter Verwendung. Zudem wird Regenwald abgeholzt, um neue Flächen für den Soja-Anbau bereitzustellen.
Speiseöle – auch die billigen dürfen mal ran
Unser Körper braucht Fette, um in Gang zu bleiben. Idealer Lieferant sind Pflanzenöle. Damit deren positive Wirkung nicht ins Gegenteil umschlägt, sollte man jedoch darauf achten, dass sie über einen relativ hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren verfügen. Mit 75 Prozent schneidet Distelöl dabei besonders gut ab. Aber auch Olivenöl (am besten natives Olivenöl extra), Rapsöl und Sojaöl (aus gentechnikfreiem Anbau) können punkten. Beim Braten von Lebensmitteln eignen sich hingegen die hochwertigen kalt gepressten Öle nicht (Ausnahme: Maiskeimöl). Hier darf also zu den ungesünderen raffinierten (also heiss gepressten) und meist billigeren Ölen gegriffen werden. Sie sind neutral im Geschmack und hitzebeständiger, so dass bei hohen Temperaturen keine krebserregenden Stoffe freigesetzt werden. Das hebt den Nachteil der ansonsten minderwertigen Öle wieder auf.
Fisch: Ja, aber …
Meeresfisch wie Wildlachs oder Hering enthält einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren, die vor allem das Herz schützen. So lässt sich das Infarktrisiko laut einer niederländischen Studie mit zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche senken. Für viele Deutsche offenbar kein Problem: Rund 16 Kilo Fisch und Meeresfrüchte pro Jahr verputzen die Bundesbürger im Schnitt.
So gesund das ist, gibt es leider eine Kehrseite: Die Gewässer sind überfischt, ein Viertel der Fischbestände kann für unseren Konsum nicht schnell genug nachwachsen. Tabu sollten zum Beispiel Roter Thun und Europäischer Aal sein, sie sind stark gefährdet.
Auch die Zucht per Aquakultur hat Nachteile: Für ein Kilo Lachs werden etwa vier Kilo Eiweiss von eigens dafür gefangenen Wildfischen benötigt. Und auch diese können nicht unendlich nachwachsen. Verbraucher sollten hier auf Nachhaltigkeit achten: Greifen Sie auf ökologische Produkte zurück, bei deren Herstellung Futtermittel aus Abfällen der Speisefischindustrie verwendet werden. Verschiedene Siegel geben Auskunft über Nachhaltigkeit und Herstellungsbedingungen, zum Beispiel das blaue MSC-Siegel für Wildfisch oder die Zeichen von Bioland oder Naturland ökologische Aquakultur.
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