Essen kann so richtig zufrieden machen. Dabei spielen vor allem Hormone und bestimmte Prozesse im Gehirn eine Rolle. Es kann allerdings auch gefährlich werden, wenn man sich glücklich zu essen versucht.
Eine gute Suppe, ein leckerer Auflauf oder ein Stück selbstgebackener Apfelkuchen: Essen kann nicht nur satt machen, sondern auch glücklich.
Aber wie funktioniert das eigentlich?
"Es gibt im Gehirn einen Bereich, der für das Glücklichsein zuständig ist", sagt die studierte Ernährungswissenschaftlerin Maike Ehrlichmann im Gespräch mit unserer Redaktion.
Es handelt sich dabei um ein Belohnungssystem. Dieser Bereich besteht aus einer Reihe von Arealen und Nervenverbindungen. Der wichtigste Botenstoff dabei ist das Dopamin.
"Dieses System reagiert auf Auslöser von aussen, zum Beispiel auf Essen", sagt Ehrlichmann. Dabei könnte es sich um den Anblick oder den Duft einer leckeren Pizza handeln.
Das Gehirn schüttet Botenstoffe aus. Auf diese Weise entsteht ein Drang, den die Grosshirnrinde als bewusstes Verlangen erfasst. Sie gibt dem Körper daraufhin die Anweisung, dieses Verlangen zu stillen - und eben etwas zu essen.
Es macht glücklich, das Essen als Sinneserfahrung zu geniessen
Im Hippocampus im Gehirn fliessen dann die Informationen zusammen. Dieser Bereich ist besonders wichtig für das Gedächtnis und für das Lernen. Dort werden auch die Erfahrungen mit dem Essen abgespeichert.
So wird zum Beispiel der Duft von Kakao bei der Grossmutter mit dem Wohlgefühl danach und der Erinnerung an diesen Moment verbunden.
Die Expertin sagt: "Düfte können uns in der Erinnerung regelrecht in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort reisen lassen. Auf diese Weise können sie uns glücklich machen."
Zufrieden macht es auch, das Essen als Sinneserfahrung zu geniessen. "Mit dem Anblick einer appetitlichen Mahlzeit, einem schön gedeckten Tisch und einem Moment der Ruhe ist eine Mahlzeit immer auch eine kleine Auszeit", sagt Ehrlichmann. Das unterbricht die Hektik des Alltags.
"Es sind sinnliche Erlebnisse für uns als Menschen, das Essen zu riechen, zu schmecken und seine wohltuende Wirkung zu spüren", sagt die Expertin. "Das ist eigentlich fast ein bisschen wie beim Kuscheln oder beim Sex."
Fehlen Nährstoffe, fühlt man sich unzufrieden
Auch der soziale Aspekt des Essens ist wichtig: Es macht glücklich, gemeinsam zu kochen und sich zusammen Zeit zum Essen zu nehmen. "Kochen ist bereits eine Sinneserfahrung, noch bevor es an das Essen geht", sagt Ehrlichmann.
Auch der Duft des Essens macht glücklich – und auch ein Stück weit satt. "Nachdem man eine Weile ein Essen gerochen hat, isst man weniger davon", sagt die Expertin. "Man ist schon ein bisschen vorbefriedigt."
Essen kann darüber hinaus auch durch biochemische Auswirkungen glücklich machen. Fehlen dem Körper Nährstoffe, schlägt das auf die Stimmung. Gleicht man sie mit dem Essen aus, bessert das die Laune.
"Ganz stark merkt man das bei den B-Vitaminen, die für starke Nerven gebraucht werden", sagt die Expertin. Auch Omega-3-Fette spielen eine Rolle. Sie sind wichtig für das Gehirn.
"Bekannt wurden sie in der Forschung unter anderem dafür, dass sie bei Depressionen und Schizophrenie helfen", sagt die Ernährungswissenschaftlerin.
Es gibt Hinweise darauf, dass diese Fettsäuren auch bei gesunden Menschen eine ausgewogene Laune noch heben können. "In Untersuchungen halfen bereits zwei Teelöffel Leinöl täglich."
Hunger kann schlechte Laune machen, Sattsein glücklich
Hunger kann darüber hinaus unzufrieden und aggressiv machen. Wer dann isst, fühlt sich wieder ausgeglichen und glücklich.
Verantwortlich für das Sattwerden und das Hungergefühl sind die Hormone Leptin und Ghrelin. "Sie spielen auch eine wichtige Rolle für das emotionale Gleichgewicht", sagt Ehrlichmann.
Die Ergebnisse aus entsprechenden Studien dazu sind noch nicht ganz klar. "Aber es zeichnet sich ab, dass Ghrelin, das Hungerhormon, eine Rolle in Depressionen spielt."
Das scheint damit zu tun zu haben, dass Ghrelin dafür sorgt, dass bei Hunger Stresshormone ausgeschüttet werden – und diese bewirken dann eine schlechte Laune.
Einige Lebensmittel können regelrecht süchtig machen
Ausserdem neigen einige Menschen eher als andere zu Aggression und Impulsivität. "Dieses Impulsive ist es dann auch, was uns beim Einkaufen auf leeren Magen den grössten Quatsch in den Wagen legen lässt", sagt Ehrlichmann.
Bei solchen Personen ist häufig das sogenannte Neuropeptid Y im Blut erhöht, ein weiteres Hormon, das bei Hunger ausgeschüttet wird.
Die Lösung bei Hunger und der Gefahr von Spontankäufen: "Ich rate dazu, immer etwas Gutes in der Handtasche zu haben", sagt Ehrlichmann. Dazu eignet sich zum Beispiel ein Nussfruchtmix oder bittere Schokolade.
Nun will jeder gerne glücklich sein. Es kann aber auch gefährlich sein, wenn man dieses Gefühl ausschliesslich über das Essen erreichen möchte. Immer wieder wird diskutiert, ob Essen sogar süchtig machen kann.
Darauf deuten unter anderem Tierversuche mit Ratten hin. Aktuelle Humanstudien weisen darauf hin, dass eine Nahrungssucht insbesondere mit Lebensmitteln verbunden sein könnte, die eine extrem dichte Kombination von Kohlenhydraten und Fetten enthalten wie zum Beispiel Schokoriegel oder Fastfood.
Sich glücklich essen kann ein Hinweis auf eine Essstörung sein
Wer sich ständig und vor allem über das Essen Glückskicks sucht, könnte sogar unter einer Essstörung leiden, etwa unter dem Phänomen des Binge Eatings.
Betroffene bekommen dabei regelrechte Anfälle und überessen sich. Anders als bei einer Bulimie führen sie danach aber kein Erbrechen herbei und versuchen nicht, die Kalorien auf andere Weise wieder loszuwerden. Deshalb sind sie häufig übergewichtig.
"Das Überessen resultiert aus der ungebremsten Reizung des Belohnungssystems", sagt die Ernährungswissenschaftlerin. "Dabei fehlt als Gegenregulation das Gefühl, dass man satt ist – oder es fehlt die Fähigkeit, das Sattsein wahrzunehmen." Dies liege oft an einer geringen Wahrnehmung des Körpers.
Wer achtsam isst, spürt hingegen meistens, wann es genug ist – und was er eigentlich essen möchte. "Die Frage beim Essen ist: Wann hört der Drang auf?", sagt Ehrlichmann.
Das dritte oder vierte Stück Torte macht nicht mehr so zufrieden wie das erste oder vielleicht noch das zweite.
"Es gibt den einen Punkt, bis zu dem das Essen uns glücklicher macht", sagt die Expertin. "Und dann kommt der Moment, wo ein Bissen mehr einfach nichts mehr bringt und am Ende sogar zu Unwohlsein oder Übelkeit führt."
Wichtig ist, dass das, was man isst, tatsächlich satt macht. "Wenn man nichts isst, bleibt die Laune schlecht", sagt Ehrlichmann. Snacks aus dem Süssigkeitenautomaten oder von der Tankstelle führen eher zu keinem Glücksgefühl.
Zudem kehrt der Hunger nach dem Verzehr schnell wieder, da solche Naschereien den Blutzuckerspiegel rasant in die Höhe treiben, bis er später wieder rasant abfällt – und man sich erneut unzufrieden fühlt und das Bedürfnis bekommt, einen Schokoriegel nachzulegen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.