Giftiges Teufelszeug oder heilsamer Karies-Killer: Beim Thema Fluorid gehen die Meinungen weit auseinander. Wie viel sollte der Mensch davon aufnehmen? Und wann ist es zu viel? Ein Faktencheck.

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Fluorid in Zahnpasta kann zum Zankapfel werden. In Kitas streiten besorgte Eltern darüber, ob die Zähne der Kleinen mit fluoridhaltiger Zahnpasta geputzt werden dürfen oder nicht. Wegen möglicher Gesundheitsgefahren. Doch stimmt das überhaupt? Wo liegen Schaden und Nutzen? Und wie viel Fluorid ist tatsächlich zu viel?

BEHAUPTUNG: Fluorid schadet den Zähnen.

BEWERTUNG: Nein, das Gegenteil ist der Fall.

FAKTEN: "Fluorid ist der entscheidende Faktor in der Verhinderung von Karies", sagt Stefan Zimmer, Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen. Es gebe allein zu Fluorid-Zahnpasten 300 internationale klinische Studien, die die Wirksamkeit belegen würden, so der Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Der zweimal tägliche Kontakt der Zähne mit einer Fluorid-Zahnpasta im Vergleich zu einer fluoridfreien Creme hemme Karies um mehr als 30 Prozent, erklärt Zimmer.

Das machen Fluoride im Mund: Der Stoff lagere sich in die kristalline Struktur des Zahnes ein und mache dadurch den Zahn härter, erklärt Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Der Zahn werde widerstandsfähiger gegen Säureattacken.

Fluoride sind laut der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) die tragende Säule der Kariesvorsorge. Während früher Kindern und Jugendlichen Fluoridtabletten zur Kariesvorsorge gegeben wurden, raten neuere Empfehlungen wissenschaftlicher Organisationen zu einem direkten Kontakt mit der Schmelzoberfläche der Zähne. Das heisst: Für die lokale Prophylaxe werden fluoridiertes Speisesalz, Fluoridlack, Fluoridgele oder -lösungen und eben Zahnpasta genommen.

BEHAUPTUNG: Mit fluoridhaltiger Zahnpasta bekommt man nie Karies.

BEWERTUNG: Falsch.

FAKTEN: Wer eine fluoridhaltige Zahnpasta verwendet, bekommt statistisch gesehen weniger Karies. Die Entstehung der Krankheit ist aber ein komplexer Prozess. Wichtig ist, dass der Biofilm (Plaque) regelmässig und vollständig von der Zahnoberfläche und aus den Zwischenräumen beseitigt wird. Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer ist eine gute Zahncreme sehr hilfreich, aber keine Absolution für eine nachlässige Pflege oder schlechte Ernährung mit hohem Kariespotenzial.

BEHAUPTUNG: Fluorid ist Fluor und damit giftig.

BEWERTUNG: Falsch. Fluoride sind nicht zu verwechseln mit Fluor, das für den Menschen giftig ist.

FAKTEN: So ähnlich die Worte Fluorid und Fluor auch klingen, so gross sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen chemischen Stoffen. Fluoride sind Fluor-Verbindungen. Das blasse, gelbliche Gas, das in seiner elementaren Form sehr giftig und stark ätzend ist, verliere gebunden mit einem Partner-Stoff (etwa mit Natrium als Natriumfluorid) viel von seiner toxischen Wirkung, erklärt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.

Gebundenes Fluor findet sich in fast jeder Zahnpasta. In der Zahnmedizin spielen neben Natriumfluorid diese Stoffe eine wichtige Rolle: Natriummonofluorphosphat, Aminfluorid und Zinnfluorid.

BEHAUPTUNG: Gerade Kinder sollten keine fluoridhaltige Zahncreme nutzen.

BEWERTUNG: Falsch.

FAKTEN: Karies könne die Zähne befallen, sobald diese in der Mundhöhle erscheinen, warnt Stefan Zimmer. Nach seinen Worten sind Milchzähne "sogar besonders gefährdet". In Deutschland habe bereits jedes zweite Kind unter drei Jahren einen kariösen Zahn, Sechsjährige sogar im Schnitt zwei. Der Fachzahnarzt: "Das halte ich für ein Land mit einem so hoch entwickelten Gesundheitssystem, wie wir es sind, für inakzeptabel."

Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung empfiehlt gerade für die ersten Beisserchen neuerdings höhere Dosen mit einem Anteil von 500 bis 1000 ppm Fluorid (parts per million: Anteile pro Million). Für Zwei- bis Sechsjährige raten die Experten zu Zahnpasta mit 1000 ppm Fluorid. Für ältere Kinder, deren erste bleibenden Zähne durchgebrochen sind, darf es demnach schon die Erwachsenen-Menge von bis 1500 ppm Fluorid sein.

BEHAUPTUNG: Kinder können Zahnpasta verschlucken und so zu viel Fluorid aufnehmen.

BEWERTUNG: Ja, das ist theoretisch möglich. Praktisch müssten die Kinder dazu aber sehr viel Zahnpasta schlucken.

FAKTEN: Es kommt wie so oft auf die Dosierung an. Kinder vor allem zwischen sechs und acht Jahren, die ständig mehr als das Doppelte der empfohlenen Fluoride zu sich nehmen, können weissliche Schmelzflecken (Zahnfluorose) bekommen. Diese sind laut Bundeszahnärztekammer allerdings gesundheitlich nicht bedenklich. Bei stärkerer Überdosierung kann es dagegen zu deutlich braunen Zahnverfärbungen kommen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt die folgende Rechnung auf: Der Verzehr von einer ganzen Tube (etwa 65 Gramm) Kinderzahnpasta mit 500 ppm auf ein Mal führt zu Übelkeit und Bauchschmerzen.

In grossen Mengen aufgenommen, kann Fluorid tödlich sein. Ein Beispiel: Ein 15 Kilogramm schweres Kind müsste mindestens 75 Milligramm Fluorid aufnehmen, damit eine Vergiftung wohl tödlich endet. Das wären rund zwei Tuben Kinderzahncreme oder eine Tube Zahnpasta für Erwachsene auf einen Schlag.

Ein 90 Kilogramm schwerer Mann erreicht die sicher tödliche Fluorid-Dosis erst, wenn er mit einem Mal 20 bis 40 Tuben von Erwachsenen-Zahnpasta (mit 1500 ppm) essen würde.

Wer seinen Körper über Jahre tägliche Fluoridmengen von fünf bis zehn Milligramm aussetzt, kann an einer Knochenfluorose erkranken. Die Knochen verlieren dann an Elastizität und brechen leichter.

Frau putzt sich die Zähne.

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BEHAUPTUNG: Der Mensch nimmt schon über die Nahrung zu viel Fluorid auf.

BEWERTUNG: Das stimmt nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht in Deutschland keine Gefahr, zu viel Fluorid aufzunehmen.

FAKTEN: Anders als in anderen Ländern, etwa den USA, wird hierzulande zum Beispiel Trinkwasser nicht mit Fluorid versetzt. In einer Untersuchung aus den 1990er Jahren wurde in Trinkwasserproben aus Deutschland bis auf wenige Ausnahmen ein natürlicher Fluoridgehalt von unter 0,3 Milligramm pro Liter gemessen.

In Spuren kommen Fluoride überall in der Natur vor - in Vollkornprodukten, Nüssen, schwarzem Tee oder Fisch. Die Menge an natürlichen Fluoriden reicht aber nicht für eine wirksame Kariesvorbeugung aus. Auch ist eine Überdosierung durch fluoridhaltiges Speisesalz nicht zu befürchten: Der Fluoridanteil ist so gering, dass eher der hohe Salzkonsum an sich toxisch wäre.

Die Richtwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine angemessene tägliche Fluoridzufuhr liegen für Erwachsene bei 3,1 bis 3,8 Milligramm und für Kinder ab zwölf Monaten und Jugendliche zwischen 0,7 und 2,9 Milligramm.

BEHAUPTUNG: Der Fluoridgehalt wird in Deutschland streng reguliert.

BEWERTUNG: Jein. Es gibt Vorgaben, aber keine fortlaufenden flächendeckenden Kontrollen.

FAKTEN: Die Trinkwasserverordnung erlaubt einen Fluoridgehalt von maximal 1,5 Milligramm pro Liter. Ein Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes zur Qualität des Trinkwassers aus dem Jahr 2006 zeigte, dass dieser Wert bei den untersuchten Wasserversorgungsanlagen in einem Fall überschritten wurde. Eine systematische und flächendeckende Erfassung der Fluoridgehalte von Trinkwasser in Deutschland gibt es allerdings nicht.

Wegen geologischer Begebenheiten hat das Trinkwasser in einigen deutschen Regionen - wie etwa der Osteifel - einen erhöhten Fluoridgehalt. In Münster wurden beispielsweise Ende der 1990er Jahre in Trinkwasserbrunnen Fluoridkonzentrationen bis zu 8,8 Milligramm pro Liter gemessen.

Mineralwasser kann sehr unterschiedlich viel Fluorid enthalten - die Spannbreite reicht von 0,1 bis 4,5 Milligramm pro Liter. Wasser mit einer Konzentration von weniger als 0,7 Milligramm darf als "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" gekennzeichnet werden. Natürliche Mineralwasser mit mehr als 1,5 Milligramm Fluorid auf einen Liter müssen einen Hinweis tragen, dass sie für Kinder unter sieben Jahren nicht zum regelmässigen Verzehr geeignet sind. Wasser mit einer Konzentration von mehr als 5 Milligramm Fluorid darf überhaupt nicht verkauft werden. (mgb/dpa)

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