Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass weltweit rund zehn Prozent aller Medikamente gefälscht sind. Das ist gefährlich – zum Beispiel dann, wenn ein Krebsmedikament keinen Wirkstoff enthält. Verbraucher können gefälschte Medikamente kaum erkennen. Aber mit einigen Verhaltensweisen kann man sich schützen.

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Der Patient hatte einen Tumor in der Niere und nahm ein Krebsmedikament ein. "In meiner Sprechstunde sagte er, dass er sich wieder richtig gesund fühle", erzählt Professor Dr. Michael Staehler im Gespräch mit unserer Redaktion.

Er ist Urologe und Onkologe und leitet das Interdisziplinäre Zentrum für Nierentumore am Klinikum der Universität München.

Bei der Untersuchung zeigte sich dann aber ein ganz anderes Bild. "Im CT war zu sehen, dass der Tumor gewachsen ist."

Medikamente gegen Krebs können heftige Nebenwirkungen verursachen. "Während der Therapie gegen Nierenkrebs färben sich zum Beispiel die Haare grau und Patienten können unter Durchfall leiden", sagt Staehler.

Sein Patient berichtete aber, dass er zuletzt gar keine Nebenwirkungen mehr verspürt habe. Ihn freute das – der Urologe aber wurde misstrauisch.

Patienten können eine Fälschung kaum erkennen

Der Tumor sah im CT zudem anders aus als sonst. "Wenn Tumore durch Medikamente angegriffen werden, färben sie sich dunkel. Dieser hier aber war hell", sagt der Staehler, der als Experte für Nierentumore in Deutschland gilt. "Ich habe den Patienten zunächst einmal gefragt, ob er sein Medikament weiter genommen hat", sagt er.

Das bejahte dieser. Daraufhin gab es für den Urologen nur eine Schlussfolgerung: Das Medikament enthielt wohl keinen Wirkstoff.

Immer wieder hat der Experte in seiner Klinik mit gefälschten Medikamenten zu tun. "Die Patienten können kaum unterscheiden, ob sie in der Apotheke ein echtes Medikament oder eine Fälschung bekommen."

In diesem Fall gab es einen Anhaltspunkt: Die Kapseln waren lila und nicht orange wie sonst. Staehler ist sich zudem sicher, dass es sich um eine Komplettfälschung gehandelt hat.

"Wäre auch nur eine niedrige Dosierung des Medikaments enthalten gewesen, wären Nebenwirkungen aufgetreten."

Zehn Prozent aller Medikamente weltweit könnten gefälscht sein

Ausserdem handelte es sich bei allen Fällen von Fälschungen, mit denen Staehler bislang zu tun hatte, um sogenannte Re-Importe.

Das sind Pharmaprodukte, die zwar in Deutschland produziert worden sind und dort auch entsprechenden Kontrollen unterliegen.

Diese Arzneimittel werden dann von ausländischen Grosshändlern zu einem günstigen Preis in Deutschland eingekauft und nach einer Umetikettierung wieder teurer nach Deutschland zurückverkauft.

Alles ganz legal, aber eben nicht unproblematisch, denn "damit gibt es auch Abweichungen von den bekannten Lieferwegen", betont Staehler.

Die Gefahr für Fälschungen steigt, da bei diesem Prozess die Ware in der Originalverpackung ausgetauscht werden könnte. Ausserhalb von Deutschland lässt sich kaum nachverfolgen, welche Wege ein Medikament genommen hat.

Gefälschte Medikamente sind weltweit ein Thema. So schätzt beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation in einer Studie, dass rund zehn Prozent aller Medikamente auf der ganzen Welt gefälscht sind - ein Wert aus dem Jahr 2011, neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

Was bei einem nicht wirksamen Mittel gegen Lippenherpes erst einmal nur lästig ist, wird bei einem gefälschten Krebsmedikament zur Gefahr.

Eine besondere Gefahr scheint von Re-Importen auszugehen

Wenn die Kontrollen in Deutschland streng sind und eine Gefahr von Re-Importen auszugehen scheint – warum gibt es sie dann überhaupt?

Dadurch sparen die Krankenkassen erheblich Kosten. So hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit dem Deutschen Apothekerverband einen Rahmenvertrag abgeschlossen.

Dieser sieht vor, dass die Apotheken fünf Prozent der verschreibungspflichtigen Medikamente als Re-Importe abgeben sollen.

Staehler ärgert das. "Das geht auf Kosten der Sicherheit für die Patienten", sagt er. Wenn er könnte, würde der Urologe Re-Importe verbieten.

"Ich kann leider nur allen Patienten empfehlen, in der Apotheke nach einem Originalprodukt zu fragen", sagt er. "Wenn sie es dort nicht bekommen, dann rate ich, die Apotheke zu wechseln."

Auch Potenzmittel werden häufig gefälscht

Bei Krebsmedikamenten sind Fälschungen besonders lukrativ, da eine Schachtel schnell einmal 7.000 Euro und mehr kostet.

Aber auch Antidepressiva, Schmerzmittel, Wachstumshormone und Potenzmittel zählen zu den Medikamenten, die häufig gefälscht werden.

Das beobachtet auch der Androloge Dr. Tobias Jäger, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. "Der Markt für gefälschte Potenzmittel ist insbesondere im Internet riesig", erklärt er uns.

Manchen Männern sei es unangenehm, mit ihren Problemen zum Arzt zu gehen, sagt Jäger.

"Sie versuchen dann zum Beispiel, ihre Errektionsstörung selbst in den Griff zu bekommen und bestellen sich ein Potenzmittel online", sagt er. Will jemand ein Mittel wie Viagra über das Internet bestellen, dann landet er schnell auf dem Schwarzmarkt.

Unseriöse Anbieter im Internet erkennen

Viagra oder auch Cialis sind in Deutschland verschreibungspflichtig – man kann sie nicht einfach ohne Rezept bekommen. Das gilt auch für registrierte Online-Apotheken: Wer dort Viagra bestellen will, muss ein Rezept vorlegen.

Da ist es verlockend, auf einer der vielen Seiten zu bestellen, die kein Rezept sehen wollen. "In vielen der Medikamente, die man dann bekommt, ist gar kein Wirkstoff", sagt der Experte.

Es können aber auch ganz andere Substanzen enthalten sein oder sogar deutlich mehr Wirkstoff als angegeben, was gefährlich sein kann. "Von solchen Anbietern sollte man immer die Finger lassen", sagt Jäger.

Keine verschreibungspflichtigen Medikamente ohne Rezept kaufen

Manchmal bieten die vermeintlichen Online-Apotheken auch an, selbst ein Rezept auszustellen. Besteller geben ihre Beschwerden an, zahlen einen bestimmten Betrag und erhalten dann angeblich ein Rezept von einem Arzt.

"Das ist hochgradig unseriös", sagt Jäger. "Der Käufer sieht weder jemals das Rezept noch hat er Kontakt zu dem angeblichen Arzt."

Vor solchen Apotheken im Internet warnt auch Dr. Bettina Sauer von der Stiftung Warentest im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Es dürfen keine verschreibungspflichtigen Medikamente ohne Rezept angeboten werden", sagt sie. Sie rät, auf das EU-Sicherheitslogo zu achten, das offiziell registrierte Online-Apotheken tragen.

Dieses Siegel ist grün-weiss und mit dem Versandhandels-Register des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information verlinkt.

"Ausserdem sollte jede Online-Apotheke ein Impressum haben, in dem Kontaktdaten angegeben sind", sagt Sauer. Dort sollte auch die zuständige Aufsichtsbehörde genannt sein.

Misstrauisch sollte es ausserdem machen, wenn Medikamente auffallend günstiger als in anderen Online-Apotheken angeboten werden oder die Seite vor Schreibfehlern strotzt.

Vorsichtig sollte man auch sein, wenn gelieferte Medikamente anders aussehen als sonst, ungewöhnlich riechen, nicht in der Original-Schachtel oder mit einer kopierten Packungsbeilage verschickt werden – all das können Hinweise auf Fälschungen sein.

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