Gentechnologie kommt heute in vielen medizinischen Bereichen zum Einsatz. Durch die Untersuchung des Erbguts können beispielsweise schon in der Pränataldiagnostik Hinweise auf Fehlbildungen oder Störungen beim ungeborenen Kind entdeckt werden. Prof. Dr. Stefan Mundlos, Direktor am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité in Berlin, hat uns Einblicke in den aktuellen Stand der Forschung gegeben und verraten, wo er selbst die Grenzen ziehen würde.
Die Bezeichnung DNS steht für Desoxyribonukleinsäure. Man spricht aber oft von DNA, was sich von der englischen Bezeichnung ableitet. Denn "Säure" wird ins Englische mit "acid" übersetzt.
In jeder einzelnen Zelle eines Lebewesens befindet sich dessen gesamtes Erbgut. Bei einem Menschen also in durchschnittlich 100 Billionen Zellen. Diese Erbinformationen sind in den Chromosomen gebündelt, von denen jeder gesunde Mensch 46 pro Körperzelle hat.
DNA bezeichnet das sich in den Chromosomen befindliche Biomolekül, das der Träger der Erbinformationen und somit die Basis für die Gene ist.
Die Genetik – Wissenschaft von der Vererbung
Die Genetik, die Wissenschaft von der Vererbung, ist ein Teilbereich der Biologie und wiederum in verschiedene Teilgebiete aufgeteilt.
Die Humangenetik etwa befasst sich mit der Analyse des menschlichen Erbguts, identifiziert Veränderungen in Genen und wendet diese Erkenntnisse in der medizinischen Versorgung an. Schwerpunkt ist dabei die molekulare Diagnostik von genetisch bedingten, seltenen Krankheiten.
Wie viel von unserer DNA ist entschlüsselt?
"Ich fand den Begriff "entschlüsselt" eigentlich nie sehr passend, weil er andeutet, dass man verstanden hat, wie es geht. Dies ist aber zum grossen Teil noch überhaupt nicht der Fall", so Stefan Mundlos von der Charité.
"Man kennt nur einzelne Teile der Sequenzen, insbesondere die, die für bestimmte Gene codieren. Hier hat man sehr viel darüber gelernt, was die Gene beziehungsweise die Proteine dann machen. Aber der grosse Teil der restlichen DNA und des Genoms sind eigentlich noch völlig unbekannt in ihrer Funktion."
Kann man Krankheiten zuverlässig vorhersagen?
Zu Instituten für Medizinische Genetik und Humangenetik wie der Charité in Berlin kommen Menschen, die wissen wollen, wie hoch ihr Risiko ist, eine bestimmte Krankheit zu bekommen.
Wie genau man dies vorhersagen könne, komme, laut Stefan Mundlos, auf die Erkrankung an.
"Bei manchen kann man das nur mit einem Risiko sagen, bei anderen kann man das schon mit grösserer Bestimmtheit und Sicherheit äussern."Bei bestimmten Krebsarten wie Brustkrebs und Darmkrebs etwa könne man ein Risiko relativ genau vorhersagen.
Man könne allerdings nicht genau vorhersagen, wann die Krankheit auftreten werde oder ob sie überhaupt auftreten wird.
Für manche Menschen könne das Wissen um das eigene Risiko für eine bestimmte Krankheit sehr belastend sein. Deshalb, so Stefan Mundlos, sei es wichtig, solche Tests erst dann zu machen, wenn man im Vorfeld umfassend darüber informiert und beraten worden sei.
"Ansonsten kann es tatsächlich passieren, dass man Dinge erfährt, die man eigentlich gar nicht wissen wollte. Bei den meisten von diesen genetischen Erkrankungen ist es so, dass man sie nicht korrigieren oder therapeutisch eingreifen kann", so der Experte.
Andererseits sei es für die Betroffenen auch wichtig, Klarheit zu haben, um sich in ihrem Leben entsprechend darauf einzustellen. Für viele Erkrankungen gäbe es zudem auch entsprechende Vorsorgemassnahmen, bei Darmkrebs oder Brustkrebs zum Beispiel.
Wie zuverlässig ist die Pränataldiagnostik?
Vorgeburtliche Untersuchungen sind ein besonders sensibles Thema. Denn gerade werdende Eltern sind oft sehr verunsichert, wenn es darum geht, welche Tests sie durchführen lassen sollen.
Laut Stefan Mundlos könne man gerade im Bereich der Pränataldiagnostik recht zuverlässige Aussagen treffen. "Wenn man zum Beispiel eine vorgeburtliche Diagnostik auf eine bestimmte Mutation macht und die dort detektiert, dann kann man schon mit grosser Sicherheit sagen, dass das Kind betroffen ist. Das ist dann keine Risikoaussage, sondern das ist dann so", so der Experte.
Ob man die Tests durchführen lassen soll, sei eine schwierige Frage, die individuell entschieden und mit den werdenden Eltern besprochen werden müsse.
"Generell ist es so, dass man solche Tests machen sollte, wenn sich zum Beispiel im Ultraschall Auffälligkeiten gezeigt haben, um mehr Informationen zu erhalten", so Mundlos.
Bei den Tests, die ohne Auffälligkeiten gemacht werden, müsse man deutlich vorsichtiger sein, meint der Experte. Aber auch dort gibt es Tests, die beispielsweise an das Alter der Mutter gekoppelt sind. Diese detektierten nur bestimmte Erkrankungen wie Trisomien.
"Allgemeine, grössere Tests, wo sehr viele Gene getestet werden, ohne dass es dafür eine Indikation gibt, halte ich nicht für sinnvoll", so Mundlos.
Die grössten Durchbrüche in der DNA-Forschung in den vergangenen Jahren
Für Stefan Mundlos ist es ein Durchbruch, dass menschliche Genome jetzt im Ganzen sequenziert werden können und das für relativ wenig Geld. "Ich glaube, dass dies grosse Auswirkungen darauf haben wird, wie man die ganze Genetik und Genomik in der Medizin betrachten wird, weil dies Teil einer gesamten, umfassenden Diagnostik werden wird", so Mundlos.
Ein weiterer grosser Durchbruch sei, dass man Genome jetzt ändern könne, was als "Genome Editing" bezeichnet wird. "Man kann in das genetische Material eingreifen und dort Mutationen umdrehen. Solche Verfahren kann man zum Beispiel für die Gentherapie einsetzen."
Zwar stehe die Forschung hier noch am Anfang, auf diesem Gebiet passiere momentan allerdings sehr viel gleichzeitig.
Was ist ethisch nicht mehr vertretbar?
"Weil man Genome manipulieren kann, kommt stets die Diskussion auf, ob man das nicht auch bei menschlichen Embryonen tun sollte", schildert Mundlos.
Gene zu manipulieren, um Mutationen zu beseitigen, sei theoretisch zwar möglich, der Experte sieht dafür derzeit jedoch keinerlei Grund oder medizinische Indikation.
Diese Methoden seien nicht zu 100 Prozent genau. "Es könnten durch den Eingriff also auch andere Mutationen verursacht werden, die man nicht so einfach kontrollieren kann", so Mundlos. "Ich sehe nicht, dass man dieses ganze Verfahren derzeit anwenden kann und sollte."
Man müsse sich das Ganze als ein sehr komplexes Zusammenspiel von allen möglichen Faktoren, Genen und Genvarianten vorstellen. "Wenn man irgendwo etwas verändert, dann beginnen wir gerade erst zu verstehen, was das dann für Auswirkungen hat", warnt der Experte.
So könne man beispielsweise nicht immer vorhersagen, ob eine Veränderung eine Krankheit auslösen werde.
"Unser ganzes Wissen über das Genom und wie es funktioniert ist immer noch sehr bescheiden."
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