Das Masernvirus gehört zu den ansteckendsten der Welt. Der einzig sichere Schutz ist die Impfung. Trotzdem liegt die Impfrate in der Schweiz deutlich unter den von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 95 Prozent.
In Berlin ist gerade erst ein Einjähriger an den Folgen einer Masernerkrankung gestorben, in Österreich hat sich eine Krankenpflegeschülerin während eines Praktikums im Spital infiziert - und womöglich 40 Kinder angesteckt. Was den ersten Fall so tragisch macht: Der verstorbene Junge war nicht gegen das Virus geimpft. Deutschland diskutiert nun eine Impfpflicht - und auch in der Schweiz warnt der Bund vor Rückschlägen im Kampf gegen die Masern. Eine Ansteckungswelle, wie sie Berlin erlebt hat, ist auch hierzulande jederzeit möglich.
Masern sind eine hochansteckende Infektionskrankheit, die neben einem roten Hautausschlag auch eine erhebliche Schwächung des Immunsystems bewirkt. Hohes Fieber, Entzündung der Schleimhäute und grippeähnliche Symptome sind typisch. Der Grossteil der Erkrankungen verläuft problemlos und ohne Folgen, jedoch sind schwerwiegende Komplikationen wie Lungenentzündung, Hirnhaut- und Hirnentzündung nicht auszuschliessen.
Im schlimmsten Fall droht sogar der Tod: Laut dem deutschen Robert-Koch-Institut stirbt einer von 1.000 Patienten. In Entwicklungsländern mit niedrigerer Impfrate liegt die Sterblichkeitsrate bei bis zu 25 Prozent. Hier treten meist Lungenentzündungen als zum Tode führende Komplikation auf.
Sind 95 Prozent geimpft, greift die "Herdenimmunität"
Schutz gegen Infektionskrankheiten wie Masern bietet eine einfache Impfung, die in zwei Dosen in den ersten beiden Lebensjahren verabreicht wird. Bei einer Durchimpfungsrate von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung greift die sogenannte "Herdenimmunität": Die wenigen Ungeimpften sind durch den hohen Anteil an Geimpften indirekt geschützt, die Krankheit kann sich nicht ausbreiten.
In Skandinavien sind die Masern quasi ausgerottet – dank der hohen Impfrate. Die WHO hatte sich für 2015 die europaweite Ausrottung zum Ziel gesetzt, dieses ist angesichts der aktuellen Infektionszahlen schwer ins Wanken geraten. Wie schnell ein nahezu eliminiertes Virus sich wieder verbreiten kann, zeigte 2014 ein rasanter Anstieg von Polioinfektionen in Pakistan, Syrien und Kamerun, woraufhin die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Notstand ausrief.
Impfen birgt Risiken
Bis zu zehn Prozent der Patienten reagieren nach der Immunisierung mit Fieber oder Gelenkschmerzen. Solche Begleiterscheinungen rufen Impfgegner auf den Plan, die die Belastung insbesondere für Kinderkörper kritisieren und sich gegen Impfungen aussprechen. Befürworter hingegen verweisen auf die verhältnismässig schwachen Nebenwirkungen einer Impfung gegenüber den möglichen Auswirkungen einer Infektion.
Zudem würden die Risiken der Infektion unterschätzt, da schwerwiegende Erkrankungen in Europa gerade wegen hoher Impfraten sehr selten geworden sind – schnell wird fälschlicherweise der Umkehrschluss gezogen, Masern seien "nur" eine Kinderkrankheit, die schlicht ausgestanden werden könne.
Schweiz ist in keiner akuten Gefahr
Für die Schweiz besteht momentan wenig Gefahr einer Masernepidemie: 2014 wurden insgesamt nur 21 Masernfälle gemeldet, 2015 sind es bisher acht. Jedoch liegt die Durchimpfungsrate laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) weit unter 95 Prozent. Die kantonalen Unterschiede sind riesig, aktuelle Zahlen schwer zu bekommen. 2013 erhöhte sich die Durchimpfungsrate laut OECD auf 86 Prozent - allerdings lag die tiefste Rate (Kanton Appenzell-Innerhoden) 2008 noch bei mickrigen 50 Prozent. Langfristig ist eine Ausrottung der Krankheit also noch nicht in Sicht - auch weil sich die Lage etwa durch Import der Masern von Reisenden in Risikogebiete schlagartig ändern und eine Epidemie ausgelöst werden könnte.
Die letzte schweizweite Epidemie brach 2006 in Luzern aus, verlief in mehreren Wellen bis 2009 und führte zu einem Todesopfer. Das BAG rechnet mit weiteren Ausbrüchen und ruft verstärkt zur Impfung auf.
Seit 2013 verfolgt das Bundesamt in Kooperation mit der WHO eine "Nationale Strategie zur Masern-Elimination": Es ruft Eltern zur Impfung ihrer Kinder auf, Plakate und Werbespots sollen aufklären. Ob die Strategie bis Ende 2015 aufgeht, ist anhand der aktuellen Durchimpfungsrate jedoch fraglich.
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