So manches, was früher als unangreifbare wissenschaftliche Wahrheit in Sachen Gesundheit galt, hat Sprünge und Risse bekommen. Hier ein paar Beispiele.
Widersprüchliche Gesundheitsstudien
Ist ein Lebensmittel schädlich oder vielleicht doch so etwas wie ein Lebenselixier? Macht uns etwas krank oder ist es vielmehr besser als sein Ruf? Die Antworten auf diese und andere Fragen verunsichern viele Menschen. Denn für so manche medizinische "Weisheit" von einst gibt es mittlerweile kein wissenschaftliches Fundament mehr oder gar widersprüchliche Studien. Dennoch ist vieles, was die Forschung herausgefunden hat, noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen.
Lesen Sie hier, warum etwa der Zusammenhang zwischen Alkohol und Übergewicht gar nicht so eindeutig ist, wie viele Menschen annehmen oder warum Gemüse plötzlich doch nicht der Krebskiller ist, für den ihn die Wissenschaft viele Jahre lang gehalten hat.
Macht Alkohol dick oder doch nicht?
Alkohol und überflüssige Pfunde hängen eng zusammen: Diese Meinung ist nicht nur in den Köpfen der meisten Menschen fest verankert, sie ist auch das Ergebnis zahlreicher Studien rund um Alkoholkonsum und Gewichtszunahme.
Während die meisten Forschungsarbeiten einen klaren Zusammenhang zwischen Alkohol und Übergewicht herstellen, gibt es allerdings auch gegensätzliche Erkenntnisse: Wissenschaftliche Arbeiten, die keinen oder nur einen äusserst geringen Zusammenhang finden oder diesen zum Beispiel nur für ein Geschlecht feststellen.
Erklärungsansätze dafür gibt es viele. Doch eines scheint klar zu sein: Alkohol führt vermutlich nicht direkt zu Übergewicht. Ob es dazu kommt oder nicht, dürfte von vielen weiteren, bislang noch nicht ausreichend erforschten Faktoren abhängen.
Auch in anderer Hinsicht herrscht in Sachen Alkohol und Gesundheit noch immer Uneinigkeit unter den Wissenschaftlern. So sind etwa einige Forscher davon überzeugt, dass das in Weisswein und Bier enthaltene Reservatol bei mässigem Verzehr vor Herzkrankheiten schützen kann. Das nahm man auch im kardiovaskulären Forschungszentrum der Universität von Connecticut an - zumindest bis Anfang des Jahres. Dann gab der Forschungsleiter zu, Daten der 60.000 Seiten umfassenden Studie gefälscht und Bilder manipuliert zu haben.
Ob Wein und Bier in Massen nun tatsächlich für die Gesundheit gut sind oder nicht, bleibt also auch weiterhin fraglich.
Knoblauch - schlechter als sein Ruf?
Knoblauch galt lange Zeit als eine Art Wunderwaffe gegen verschiedene Herzkrankheiten. Doch zumindest die Studien, die die gesundheitliche Wirkung der Knolle auf den LDL-Cholesterinspiegel des Herzens untersuchen, führen seit Jahrzehnten zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Eine der jüngsten Analysen etwa liefert Knoblauchhassern gute Argumente. Forscher an der kalifornischen Stanford University School of Medicine untersuchten Probanden mit leicht erhöhten Werten des "bösen" LDL-Cholesterins. Eine Gruppe verspeiste täglich eine frische Knoblauchzehe, eine weitere erhielt ein Knoblauch-Präparat und eine dritte Vergleichsgruppe ein wirkungsloses Scheinmedikament.
Nach einem halben Jahr wurde Bilanz gezogen und die fiel laut dem Fachblatt "Archives of Internal Medicine" ernüchternd aus. In keiner der Kontrollgruppen sank der Cholesterinspiegel nennenswert ab.
Wer sich in Sachen Herzgesundheit also nur auf Knoblauch verlässt, hat offenbar doch nicht die besseren Karten.
Kaffee? Ja, bitte!
Seit der Entdeckung des Kaffees im 15. Jahrhundert wird regelmässig seine Schädlichkeit beschworen: Er erhöhe das Risiko für Herzinfarkt, mache der Blutzirkulation zu schaffen, setze die Nebennieren unter Stress oder bringe den Stoffwechsel durcheinander - so lauten einige der Hauptanklagepunkte.
Vor allem eine norwegische Studie, die Hinweise auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko gefunden haben wollte, sorgte in Deutschland für Aufsehen. Zwar widerriefen die norwegischen Forscher dieses Ergebnis nach weiteren Folgestudien. Doch der Schaden war bereits angerichtet und unzähligen Kaffeetrinker griffen nur mehr mit schlechtem Gewissen zu ihrem bevorzugten Heissgetränk.
Heute ist der Kaffee durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse in vielen Bereichen rehabilitiert und noch mehr: Offenbar hat er sogar positive gesundheitliche Effekte - vor allem die Leber scheint von regelmässigen Koffeingaben zu profitieren.
Schützen Obst und Gemüse doch nicht vor Krebs?
Viele Menschen sind mit der Lehrmeinung "Iss fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag!" aufgewachsen. Vor allem das Krebsrisiko, so die landläufige Ansicht, lasse sich damit deutlich senken. Die Empfehlung "Five a Day", die vor rund 20 Jahren von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgerufen wurde, basiert allerdings auf Studienmaterial, das in jüngster Zeit in Zweifel gezogen wurde. Das Krebsrisiko, so die aktuellen Erkenntnisse, lässt sich dadurch zwar senken, doch in weit geringerem Ausmass als bisher angenommen.
Zum Glück haben Obst und Gemüse noch weitere durchaus fundierte positive Folgen für die Gesundheit. Dank ihrer schützenden Wirkung für das Herz-Kreislauf-System sollten Karotten und Co. daher auch weiterhin auf dem Speiseplan stehen. Was die Schutzwirkung bei Krebs angeht, sind allerdings noch viele Fragen offen. So wurde etwa noch nicht geklärt, ob und wie bestimmte Gemüsesorten gegen ganz bestimmte Krebsarten wirken. Zudem wurden Gemüse und das oft zuckerreiche Obst bislang noch nicht ausreichend differenziert untersucht.
Vorsicht, Vitamine!
Vitamine sind für die Gesundheit unerlässlich - von der einfachen Erkältung bis hin zum Krebsleiden wird das Allheilmittel mit fast jeder Krankheit fertig. Das hat man uns zumindest jahrzehntelang Glauben gemacht und so schaufelten wir Obst und Gemüse und jede Menge Vitaminpräparate in uns rein. Je mehr, desto besser, schien das Motto zu lauten - was zu viel ist, wird schliesslich einfach vom Körper ausgeschieden. Seit 2008 jedoch sorgt eine dänische Studie für Unsicherheit bei den Verbrauchern.
Forscher vom Cochrane-Zentrum in Kopenhagen fanden in einer gross angelegten Übersichtsstudie heraus, dass die hochgelobte Substanzgruppe der Vitamine in Wahrheit gar nicht so gut ist, wie ihr Ruf. Vitaminzusätze können vielmehr sogar die Sterblichkeit erhöhen. "Vitamin A kann die Sterblichkeit um 16 Prozent erhöhen, Beta Karotin um sieben Prozent und bei Vitamin E sahen wir eine höhere Sterblichkeit von vier Prozent", bestätigt der Leiter der Forschungsgruppe Christian Gluud im Interview mit "SWR.de".
Auch Vitamin C geriet in die Kritik. Zwar ist bislang nicht erwiesen, dass es dem Körper schadet, doch zeigten Studien, dass es auch nicht den positiven Effekt auf die Gesundheit hat, wie vielfach angenommen wurde.
Die Cochrane-Ergebnisse beziehen sich aber nicht nur allein auf Vitaminpräparate, sondern auch auf eine ganze Reihe von Nahrungsmitteln, die mit Vitaminen angereichert werden. Forschungsleiter Gluud rät daher zu einer abwechslungsreichen Ernährung mit Lebensmitteln von verschiedenen Herstellern. "Und ich würde die Finger von allem lassen, was künstlich mit Vitaminen angereichert wurde", ergänzt er im Interview mit "SWR.de".
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