Vor allem im Internet boomt die Werbung für Gesundheitsprodukte und Arzneimittel. Viele Methoden sind irreführend, einige betrügerisch – und manche hochgefährlich.
Guter Schlaf ist zweifelsfrei ein Segen für die Gesundheit. Wie verlockend wäre es da, wenn man über Nacht auch noch jünger werden oder zumindest das Altern ein wenig hinauszögern könnte?
Dass dies geht – und zwar ganz einfach mit einem Kissen –, suggerierten Unternehmen bis Anfang 2022. Freilich nicht mit irgendeinem Kissen, sondern mit einem speziellen "Anti-Aging-Kissen". Luxus-Onlineshops hatten es zu Preisen bis weit über 200 Euro im Sortiment und überboten sich gegenseitig mit Werbeversprechen. Das Kissen wirke "gegen Zellalterung", argumentierte der Kreuzfahrt-Spezialist Aida in seinem Verkaufsportal. Ähnliches war in der Internet-Boutique der Hotelgruppe Kempinksi zu lesen.
Der vermeintliche Clou: ein mit Vitamin E behandelte Inlet-Stoff. Durch ihn habe das Kissen "eine nachhaltige Auswirkung auf Ihre Gesundheit", versprach Hotelshop.one, zog diese Aussage schliesslich aber ebenso zurück wie die Behauptung, dass das Kissen "quasi auch länger am Leben hält".
Einen Nachweis, dass der vitamingetränkte Stoff über Nacht wie ein Jungbrunnen wirkt, gab es nie, und nach Experteneinschätzung wäre ein solcher Effekt auch völlig unplausibel. Anti-Aging sei "nur ein Marketing-Begriff", räumte die Herstellerfirma Mühldorfer im Zuge einer Recherche für das Online-Magazin "MedWatch" denn auch ein, ein Kissen unter dem Namen bot sie nicht mehr an. Funktioniert haben aber muss die Masche wohl.
Es ist ein vergleichsweise harmloses Beispiel für einen Trend: Unternehmen nutzen die Bereitschaft der Menschen aus, Geld in ihre Gesundheit zu investieren. Abnehmen, fit bleiben, Krankheiten vorbeugen – je grösser die Aufgabe, desto verlockender die Angebote, die scheinbar aufwandslos zum Ziel führen. Vor allem im Internet grassieren unbelegte Wirkungsaussagen und betrügerische Fälschungen. Mitunter wird es dabei gefährlich.
Entgiftungskomplexe zur "Impfausleitung"?
Fruchtbaren Boden bereitete findigen Unternehmern die Corona-Pandemie. Mit seriös anmutenden Digitalkongressen etwa sprechen Verschwörungstheoretiker und Nahrungsergänzungsmittelhersteller gezielt Long-Covid-Betroffene oder Impfkritiker an, ebenso agiert mancher Heilpraktiker. Am Ende gibt es stets etwas zu kaufen: Pillen gegen Fatigue, "Entgiftungskomplexe", Vitamin-C-Infusionen oder Schüssler-Salze zur "Impfausleitung".
Gegen "Turbo-Krebs" – angeblich ebenfalls eine Folge der Impfung – wird selbst ein Mittel wie Chlordioxid ins Feld geführt. Doch weder besteht eine Notwendigkeit zur "Entgiftung" noch zur "Impfausleitung", auch gibt es nicht den Hauch eines Wirkungsnachweises für die genannten Mittel gegen Long Covid oder PostVac und erst recht keinen seriösen Hinweis auf besonders häufige oder besonders aggressiv wachsende Tumore infolge der Impfung. Bei Chlordioxid warnen Behörden sogar seit Langem eindringlich vor schweren Gesundheitsschäden.
Doch offenbar gibt es einen Markt für solche Methoden. Long Covid macht weltweit Millionen von Menschen schwer krank – und eine heilende Therapie fehlt. Impfstoffe wiederum können ebenfalls zu nicht minder schweren Langzeitfolgen führen. Allerdings ist das Risiko für einen Impfschaden nach heutigem Wissensstand erheblich geringer als für Langzeitfolgen der Infektion. Dennoch kursieren in Telegram-Gruppen und YouTube-Videos unzählige Gerüchte über angebliche Schäden. Das Geschäft speist sich also aus gefühlten Ängsten und tatsächlicher Not.
Auch einige Arztpraxen werben auf ihren Internetseiten offensiv für oft hochpreisige Selbstzahlerangebote für Long-Covid- und Post-Vac-Erkrankte. Vielen Methoden fehlt es an einem wissenschaftlichen Wirkungsnachweis – doch beworben werden sie, als seien sie die universal passende Therapie für alle Betroffenen. Ein Beispiel dafür sind Blutwäsche-Verfahren.
Direktvermarktung über Instagram
In den sozialen Medien florieren dubiose Angebote besonders. Statt auf den stationären Handel oder eigene Onlineshops setzen Händler auf diskrete Direktverkäufe – zum Beispiel mittels privater Nachrichten auf Instagram. Ein wilder Markt, den Behörden kaum überblicken, geschweige denn überwachen können. Oft fehlt alles, was zum Verbraucherschutz vorgeschrieben ist: ein vollständiges Impressum, Allgemeine Geschäftsbedingungen, korrekte Produktangaben.
Mitte 2023 geriet ein solcher Fall in die Schlagzeilen, als der baden-württembergische Ostalbkreis mit einer Warnung vor einem "Slim Secret"-Kaffee sowie einer "Detox"-Mischung an die Öffentlichkeit ging. Ein Instagram-Händler hatte die Pülverchen mit der Aussicht auf mehrere Kilogramm Gewichtsverlust binnen kurzer Zeit angepriesen. Doch sie enthielten, nicht deklariert, Sibutramin – ein Arzneimittelwirkstoff, der seit 2010 weltweit verboten ist. Er habe "gravierende Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko für Herz-Kreislauf-Patienten, Blutdruckerhöhung, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit", so die Behörde. Verbraucherzentralen stufen Sibutramin als "lebensbedrohlich" ein, selbst unter ärztlicher Kontrolle sei es in der Vergangenheit zu Todesfällen gekommen.
Trotz des behördlichen Eingreifens zeigt der Fall, wie schwierig es ist, derartige Geschäfte zu unterbinden: Lange vor der öffentlichen Warnung hatte eine Verbraucherin die Pulver probiert. Weil sie anschliessend über Bauchschmerzen klagte, hatte sie sich direkt an die Behörden an ihrem Wohnort in Hessen gewandt. Doch bis alles geprüft war, der verantwortliche Unternehmer ausfindig gemacht und der Fall an die für ihn zuständige Behörde übergeben war, vergingen drei Monate. Das illegale Geschäft lief derweil weiter.
Illegaler Medikamentenhandel
Die Methoden, so scheint es, werden zunehmend ausgeklügelter. Für Behörden nicht zu fassende Firmen mit Sitz im Ausland entwickeln suchmaschinenoptimierte Internetseiten, an denen wenig echt ist. Manchmal decken erst aufwendige Recherchen wie etwa von "MedWatch" auf, was hinter schwärmerischen Tests von Medikamenten und Medizinprodukten stecken kann: Dass es die Ärztinnen oder Ärzte, die die Tests verfasst haben sollen, nämlich gar nicht gibt – und dass von Ärztinnen und Ärzten, die real existieren, Profilbilder und Lebensläufe einfach geklaut wurden, um in ihrem guten Namen Werbetexte zu verfassen.
Mitunter verlinken diese Seiten auch noch zu Händlern, die sich mit gefälschten Zertifikaten als legale Versand-"Apotheke" ausgeben – und die keine Probleme damit haben, rezeptpflichtige Medikamente wie starke Schmerzmittel oder Viagra ohne ärztliche Verordnung abzugeben. Ob echte Produkte oder Fälschungen, ist nicht ersichtlich.
KI fälscht Promi-Werbung
Wie Ärztinnen und Ärzte sollen auch Prominente bei diesen gefälschten Werbungen Vertrauen schaffen – ohne deren Wissen. Die Verbraucherzentrale NRW deckte auf, dass Nahrungsergänzungsmittel gegen Bluthochdruck mit frei erfundenen Zitaten von
Es ist eine Betrugsmasche, die vor seriösen Internetseiten keinen Halt macht. Fast jede Nachrichtenseite wartete schon mit Anzeigen auf, die die vermeintliche Verhaftung von Markus Lanz oder den Tod von Peter Maffay verkündeten. Wer neugierig darauf klickte, gelangte zu Angeboten für Kryptowährungen oder Gesundheitsprodukte.
Wie kann es dazu kommen? Grössere Websitebetreiber verkaufen ihre Anzeigenplätze über Vermittler, die Inhalte ändern sich dynamisch: Welcher Nutzer welche Werbung sieht, entscheidet sich erst beim Laden der Seite. Auf diesem Wege schleusen Betrüger zunächst unverdächtige Motive auf die Seiten – nichts fällt auf. Sobald die Werbung ausgespielt wird, tauschen sie Anzeige und die verlinkte Zielseite aus. Falls selbst "Spiegel", "Welt" & Co. also mit Fake-News über Promis Werbung für fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel machen: Verbraucher müssen damit rechnen, dass die Verlage davon gar nichts wissen. Auch in seriösem Umfeld ist bei Werbung also Vorsicht geboten.
Einen Vorgeschmack auf die Zukunft liefern KI-generierte Videos, in denen Prominente unwissentlich zu Testimonials werden. Im sozialen Netzwerk X beispielsweise kursiert ein vermeintlicher Ausschnitt aus der ARD-Sendung "Maischberger". Als Gast zu sehen und zu hören ist der Arzt Eckart von Hirschhausen, der scheinbar ungeniert Werbung für ein dubioses Abnehmmittel macht – natürlich nicht in echt. Sowohl Hirschhausens Stimme wie auch seine Hand, die das Produkt in die Kamera hält, sind technisch manipuliert.
Eine relativ offensichtliche Fälschung, die nach Angaben Hirschhausens dennoch bei vielen Menschen verfängt. Dabei steht die Künstliche Intelligenz erst relativ am Anfang – wenn sich die Technik in den kommenden Jahren noch verbessert, dürften wir regelmässig mit noch deutlich ausgeklügelteren Fälschungen konfrontiert sein.
Über RiffReporter
- Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter.
- Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.
Verwendete Quellen
- medwatch.de: Schöne Träume mit dem Anti-Aging-Kissen
- Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen: Warnung vor Chlordioxidlösungen (MMS, CDS, CDL)
- igel-monitor.de: H.E.L.P.-Apherese zur Behandlung von Long-/Post-COVID
- verbraucherzentrale.de: Lebensbedrohliches Sibutramin
- medwatch.de: Fake im Gesundheitsportal: Dr. John rät: Kaufen!
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Sicherer Arzneimittelkauf im Internet
- verbraucherzentrale.de: Verbraucherzentrale NRW warnt vor Werbung mit „Cardio“-Produkten
- rnd.de: Markus Lanz über eigene Fake-Verhaftung: "Das nehmen Leute wirklich ernst"
- gesundheitsinformation.de: Startseite
© RiffReporter
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.