Yoga und Alkohol passen nicht zusammen? Erfinder eines neuen Fitness-Trends aus Grossbritannien sehen das anders. Ausgerechnet beim Gin-Yoga soll die Achtsamkeit trainiert werden. Doch kann das wirklich gut gehen, wenn Cheers und Om aufeinandertreffen?

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Yoga ist mehr als die Ausübung von Yogaposen, sogenannten Asanas. Yoga ist eine uralte indische Philosophie, die eine Vielzahl körperlicher und geistiger Übungen beinhaltet.

Auch hier gibt es eine Reihe unterschiedlicher Stile, etwa das traditionelle Hatha Yoga mit seinen drei Säulen Körper, Atem und Meditation, mit denen Flexibilität, Achtsamkeit und Entspannung gefördert werden.

Dass klassisches Yoga mit neuen Elementen erweitert wird - Yoga mit Alpakas, Yoga mit Ziegen oder Doga, also Yoga mit Hund, ist nichts Neues.

Nun reiht sich ein weiterer Yoga-Hybrid dazu: Gin-Yoga. Kein Scherz. Beim Gin-Yoga wird ein Glas Gin Tonic getrunken. Natürlich ganz achtsam, wie Yoga-Trainerin Emily Worsnop aus Kingston upon Hull im Gespräch mit "BBC" verrät.

Gin-Yoga - achtsames Betrinken oder sinnvolles Workout?

Die promillereiche Achtsamkeitsübung beginnt bereits beim ersten Schluck Gin. Der Drink soll bewusst getrunken werden. Sprich: Spüren, wie sich das kalte Getränk im Mund anfühlt, seinen Geschmack annehmen, fühlen, wie es langsam die Speiseröhre hinunterfliesst und im Magen landet - und wie sich ein wohltuendes und entspannendes Gefühl breit macht.

Und genau darauf zielt Gin Yoga ab: Die entspannungsfördernde Wirkung des Drinks soll den Geist beruhigen und die Muskeln entspannen und so zu einer verbesserten Dehnbarkeit und tieferen Entspannung führen. So soll der Gin-Genuss das Training effizienter machen, da die Übungen durch die gelockerte Muskulatur intensiver und häufiger während der Yoga-Stunde ausgeübt werden können, wie "ispo.com" berichtet.

Gin Tonic und Malaria

Der Glaube an die positiven Effekte von Gin Tonic auf die Gesundheit ist vor allem in England nicht ganz neu. In den Kolonialarmeen wurde Tonic Water mit hohem Chiningehalt bis ins 20. Jahrhundert als Prophylaxe gegen Malaria getrunken. Chinin wird aus der Rinde des ursprünglich in Zentral- und Südamerika wachsenden Chinarindenbaums gewonnen.

In der Heilkunde ist das Extrakt für seine desinfizierende und adstringierende (zusammenziehende) Wirkung bekannt. Um den bitteren Geschmack erträglicher zu machen, mischten Soldaten es mit Gin. So wurde die Malaria-Prophylaxe zur feuchtfröhlichen Angelegenheit. Zurück zum Gin-Yoga.

Alkohol und Training - das sagt ein Mediziner

Robert Stelzer, Facharzt für Allgemeinmedizin in der Arztpraxis preventiva, steht dem Fitness-Trend kritisch gegenüber. "Wie immer gilt auch hier: die Dosis macht das Gift. Gin Tonic wurde einst prophylaktisch gegen Malaria getrunken. Ich kann mir vorstellen, dass die ursprünglichen Destillate einen gewissen therapeutischen Nutzen hatten. So wie man Gin Tonic heute konsumiert, ist das aber sicherlich anders."

Weiter kritisiert er: "Gin oder generell Alkohol als muskelentspannendes Getränk zum Sport zu konsumieren, das sehe ich kontraproduktiv. Denn lässt die Muskelspannung nach, bedeutet das auch, dass die Muskelansteuerung auch nicht mehr so gut ist.

Sprich: Schutzreflexe und Koordination lassen nach, denn Alkohol wirkt dämpfend auf das zentrale Nervensystem. Sein Fazit: "Daumen runter und Finger weg."

Vielleicht sollte man den Gin Tonic einfach ganz bewusst in der Lieblingsbar geniessen - und im Yoga-Studio einen Chai-Tee. Natürlich ganz achtsam.

Dr. med. Robert Stelzer aus Berlin ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Er ist unter anderem spezialisiert auf Sportmedizin, Chirotherapie und Akupunktur. Sein ärztegeführtes Gesundheitsunternehmen preventiva wurde unter anderem mit dem Health Care Award einer Berliner Tageszeitung ausgezeichnet.
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