Berlin (dpa) - Für die Esser ist es eine Geschmacksfrage, den Herstellern geht es ums Geschäft. Rund 170 000 verschiedene Lebensmittel sind auf dem deutschen Markt, 40 000 kommen jedes Jahr hinzu, die Verbraucher wollen bei Laune gehalten werden.
Das Motto der Ernährungsindustrie auf der Grünen Woche (19. bis 28. Januar) in Berlin lautet nicht umsonst: "Wie schmeckt die Zukunft?" Eine Antwort: Nach Würmern, Käfern und Grillen. Die sind vor allem in Asien längst eine beliebte Speise. In deutschen Küchen werden sie bislang selten verarbeitet.
Das könnte sich jetzt ändern, zumindest das Angebot in Restaurants und Supermärkten dürfte wachsen. Denn seit 1. Januar gilt in der Europäischen Union eine neue Novel-Food-Verordnung. Damit wird die Zulassung von neuen Lebensmitteln etwa auf Basis von Insekten oder Algen vereinfacht.
Auf der Grünen Woche werden den Besuchern ab Freitag zum Beispiel Insektenburger (mit Käferlarven) gereicht, dazu kann man eine Limonade aus Acai-Beeren trinken.
Das ist nicht nach Jedermanns Geschmack. Auch wenn gebratene Würmer und frittierte Heuschrecken anders als in der TV-Show Dschungelcamp nicht mehr krabbeln, ist die grosse Mehrheit in Deutschland noch nicht bereit für solche Mahlzeiten. Nur jeder siebte Bundesbürger kann sich laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vorstellen, Insekten zu verzehren. 14 Prozent antworteten auf die entsprechende Frage mit "Ja, auf jeden Fall" und "Eher ja".
Bauernpräsident Joachim Rukwied erkennt zwar an, dass sich Essensgewohnheiten verändern. Für seine Klientel sieht er aber keine Bedrohung. "Naturnahes Essen kommt vom Bauernhof", sagte er. "Das ist nun mal Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch." Daran werde sich hierzulande nichts ändern, auch wenn die Lebensmittel künftig "anders aufbereitet" würden.
Immerhin sind rund 1900 Insektenarten nach Schätzung der Welternährungsorganisation FAO essbar. Bei rund zwei Milliarden Menschen stehen sie bereits auf dem Speiseplan. Am beliebtesten sind Käfer, gefolgt von Raupen, Bienen, Wespen, Ameisen, Heuschrecken, Grillen, Zikaden, Termiten, Libellen und Fliegen. Auch in einigen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Dänemark haben sich schmackhafte Insekten schon in die Kühlregale vorgearbeitet.
Unter Experten wird bereits länger diskutiert, ob Insekten dabei helfen können, die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Wilhelm Windisch, der den Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München-Weihenstephan leitet, hält das für keine Lösung. Insekten seien nur dann voller wertvoller Nähstoffe wie Proteine, wenn sie in der Zucht entsprechend gefüttert würden. Das sei nicht anders als bei Schweinen oder Rindern. "Sie schaffen damit eine Lebensmittelkonkurrenz", sagt Windisch auf der Grünen Woche.
Wer seine Tierchen nur mit Abfällen oder Exkrementen füttere, bekomme eben minderwertige Insektenqualität. Im übrigen seien Nebenprodukte aus der Landwirtschaft, die man zur Insektenfütterung nutzen könne, kaum verfügbar. Fragen nach Umweltbelastungen, Tierkrankheiten und der Lebensmittelsicherheit stellten sich bei Insekten genauso wie bei Grossvieh. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.