"Gutes Obst erkennt man an einem guten Preis", behauptet ein Discount-Supermarkt in seinem TV-Werbespot. "Gut" bedeutet bei einem Discounter natürlich vor allem billig. Aber warum ist der Supermarkt-Apfel eigentlich so billig und sein Artgenosse aus dem Bioladen vergleichsweise teuer? Weil nicht nur derjenige für den Billig-Apfel bezahlt, der ihn kauft, sondern auch alle anderen.
Ein Kilo Äpfel für 1,70 Euro und der Liter Milch für 51 Cent. Man muss nicht Betriebswirtschaftslehre studiert haben, um zu ahnen, dass bei diesen niedrigen Preisen irgendwo ein Haken sein muss. Vor allem dann, wenn man die Preise mit denen aus dem kleinen Bioladen nebenan vergleicht. Dort kostet das Kilo Äpfel etwa 2,50 Euro und den Liter Milch bekommt man für 1,25 Euro. Woher kommt der Preisunterschied der Lebensmittel?
Sieht man einmal davon ab, dass ein kleiner Bioladen mit ganz anderen Kosten für Miete oder Werbung kalkulieren muss, bleibt immer noch ein grosser Preisunterschied übrig. Der kommt auch dadurch zustande, dass bei Produkten aus konventioneller Landwirtschaft Kosten durch Umweltschäden entstehen, die nicht der Verbraucher an der Supermarktkasse zahlt, sondern die Allgemeinheit. "Diese Schäden kann man einteilen in Schäden am Wasser, an Luft und Boden und an der Vielfalt von Tieren und Pflanzen", erklärt Prof. Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts biologischer Landbau (FiBL).
Die Reinigung von Dünger und Pestiziden zahlen alle
Beispiel Pflanzenschutzmittel: Nach Angaben des Umweltbundesamtes wurden alleine 2011 etwa 43.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel in Deutschland verkauft. Davon landet zwar nicht alles sofort auf dem Acker, weil Bauern auch auf Vorrat kaufen, aber trotzdem werden jährlich pro Hektar Landwirtschaftsfläche etwa neun Kilogramm Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Das birgt Gefahren für den Boden, das Grundwasser oder die Artenvielfalt. Gerade der Verlust von Pflanzen- und Tierarten schadet nicht nur der Natur, sondern auch dem Menschen. Tiere und Pflanzen sorgen nämlich nicht nur für ein romantisches Bild von der Natur, das wir Menschen so gerne haben, sie nehmen vielmehr wichtige Funktionen ein wie Bestäubung oder den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit.
Ein anderes Problem ist der Einsatz von Düngemitteln. Laut Umweltbundesamt ist unser Grundwasser oft zu stark mit Nitrat belastet, etwa weil Bauern zu viel stickstoffhaltigen Dünger einsetzen. Zwar ist das Trinkwasser nicht gefährdet, weil manche Wasserwerke zu stark belastetes Wasser mit unbelastetem Wasser verdünnen. Andere Wasserversorger aber müssen das belastete Grundwasser technisch reinigen. Und diese Reinigung von Düngeresten und Pestiziden kostet wiederum viel Geld. "Forscher haben sich für Frankreich angeschaut, was die Verunreinigung des Trinkwassers mit Nitrat und Pestiziden kostet", erklärt Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., kurz BÖLW. "Um das Trinkwasser zumindest so zu reinigen, dass die Grenzwerte eingehalten werden, müssen derzeit jährlich 1,5 Milliarden Euro aufgewendet werden. Wenn man Nitrat und Pestizide komplett herausfiltern wollte, lägen die Kosten sogar bei rund 50 Milliarden Euro", rechnet Röhrig vor. "Kosten, die alle Verbraucher mit der Wasserrechnung zahlen."
Was kostet unser Essen wirklich?
Mit genau diesen Kosten, welche die konventionelle Landwirtschaft verursacht und die von der Allgemeinheit getragen werden müssen, hat sich auch das Institut von Prof. Niggli beschäftigt. In einer Studie haben die Wissenschaftler des FiBL errechnet, dass durch die konventionelle Landwirtschaft alleine in Österreich Kosten von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr entstehen – sehr konservativ gerechnet, da es schwierig ist, alle Umweltschäden in Geld umzurechnen. "Dann haben wir uns angesehen, wo der Ökolandbau diese externen Kosten reduziert", erklärt Niggli. Das Ergebnis: Durch Bio-Landwirtschaft, werden 100 Prozent der Kosten bei Pestiziden im Trinkwasser eingespart, bei Stickstoff 40 Prozent, bei Phosphor 20 Prozent und bei den Kosten durch Treibhausgase pro Fläche etwa 30 bis 60 Prozent. Insgesamt, so das Ergebnis der Studie, könnte Ökolandbau die externen Kosten um ein Drittel reduzieren – eine Zahl, die laut Niggli auch auf Deutschland übertragbar ist.
Was würde dieses Ergebnis für den Kunden im Supermarkt bedeuten? "Wenn man wirklich nur die Umweltschäden anschaut, dann müsste eine Gurke oder ein Brot etwa ein Drittel mehr kosten", rechnet Niggli vor. Hinzu kommt noch, dass der Ökolandbau durch die geringeren Mengen und sein Nischendasein Nachteile beispielsweise bei der Logistik oder im Marketing hat. Ähnliche Ergebnisse liefert eine Studie von Foodwatch, welche die Organisation vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) erstellen liess. Die Forscher wollten den "wahren" Preis für ein ökologisch erzeugtes Schweineschnitzel im Vergleich zum konventionellen Schnitzel herausfinden. Das Ergebnis ist eindeutig: "Müssten die Erzeuger von konventionellem Fleisch die wahren Umweltkosten (rund 45 Cent pro Kilo Fleisch) bezahlen, so würde sich die Differenz der Gesamtproduktionskosten im Vergleich zum Ökofleisch von 83 auf 38 Cent verringern (von 58 auf 20 Prozent). Statt 1,43 Euro/kg müsste der konventionell wirtschaftende Landwirt 1,90 Euro/kg verlangen. Die Umweltkosten der ökologischen Erzeugung sind weitaus geringer: Der Ökolandwirt müsste statt 2,26 Euro/kg dann 2,28 Euro/kg verlangen."
Konventionelle Lebensmittel haben also auch deshalb so niedrige Preise, weil deren Produzenten viele Kosten, die sie durch Umweltschäden verursachen, der Allgemeinheit aufbürden. Das Kuriose dabei ist: Für die Umweltschäden zahlen alle – also auch die Menschen, die nur Bioprodukte kaufen.
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