Mal ist es nur eingebildet, mal eine Folge der Corona-Impfung: Zu Long Covid kursieren in den sozialen Medien, aber längst nicht nur dort, viele Halbwahrheiten und Falschinformationen. Zehn verbreitete Aussagen – und was wirklich dahintersteckt.

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"Long Covid ist nur Einbildung"

"Any such thing as Long Covid?", also: "Gibt es so etwas wie Long Covid?", fragte kürzlich der Nephrologe Gunnar Henrik Heine, Professor am Universitätsklinikum des Saarlandes, auf X (ehemals Twitter) – offenbar rhetorisch.

Auch in Teilen der Ärzteschaft wird die Existenz von Long Covid als relevante Erkrankung bezweifelt. Anlass für Heines Tweet war eine Kohortenstudie, der zufolge Menschen ein Jahr nach einem Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalt kein signifikant höheres Risiko für Erkrankungen wie Parkinson, Rheuma, Herzinfarkt oder Demenz trugen als Vergleichspersonen, die vor der Corona-Pandemie mit Influenza oder Sepsis in die Klinik kamen.

"Was haben die Apokalyptiker nicht alles orakelt", ergänzte Christoph Kleinschnitz, der Leiter der Neurologie am Universitätsklinikum Essen: "Praktisch jede Krankheit werde selbst durch eine leichte [Covid-19-Infektion] explodieren. Epidemien von Schlaganfall- und Demenzpatienten. Nichts davon ist eingetreten. Nichts davon unterscheidet sich von anderen Atemwegsinfekt. Nichts davon ist wahr."

Allein: Für die Frage, ob Long Covid existiert, ist die Studie wenig aussagekräftig.

Weder greift sie Long-Covid-typische Symptome auf, noch wären die untersuchten Personengruppen dafür ideal gewählt: Einerseits traten postvirale Beschwerden auch nach anderen Virusinfektionen lange vor Corona auf. Andererseits ist Long Covid nicht auf hospitalisierte Covid-19-Patienten beschränkt, sondern trifft auch Menschen mit mildem Verlauf. Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation und die Bundesärztekammer haben keinen Zweifel an der Existenz. Die auf Langzeitfolgen einer Infektion zurückgeführten Symptome werden zunehmend besser erforscht.

Gegen die ebenfalls verbreitete These, dass Long Covid vor allem wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung durch mediale und politische Aufmerksamkeit entsteht, spricht auch der zeitliche Ablauf: Betroffene fanden sich bereits früh in Selbsthilfegruppen zusammen, als weder der Begriff "Long Covid" in der Welt war noch Medien über das Thema berichteten.

"Long Covid ist vor allem ein psychisches Problem"

Menschen, die vor ihrer Corona-Infektion psychische Beschwerden hatten, erkranken häufiger an Long Covid – das zeigte unter anderem eine Harvard-Beobachtungsstudie. Doch aus solchen Erkenntnissen lässt sich Long Covid nicht als psychisch bedingtes Problem schliessen.

  • Erstens ist der Anteil von Menschen, die schon einmal psychische Beschwerden hatten, gross, was die Aussagekraft bereits schmälert.
  • Zweitens belegt die Korrelation keinen kausalen Zusammenhang.
  • Und drittens ist bekannt, dass psychische Erkrankungen in der Lage sind, die Immunkräfte zu schwächen. Sie können Betroffene damit zwar anfälliger machen, aber keine Infektionen oder postviralen Folgen auslösen.

Zwar sind die Krankheitsmechanismen bei Long Covid noch nicht geklärt, doch konzentriert sich massgebliche Forschung inzwischen vor allem auf vier Thesen. Die japanisch-US-amerikanische Immunologin Akiko Iwasaki benannte sie in einem Interview mit der "Zeit": Long Covid könnte demnach "eine anhaltende Virusinfektion" sein oder auf die Reaktivierung von "im Körper schlummernden" Erregern wie Epstein-Barr- oder anderer Herpesviren zurückgehen. Als dritte Möglichkeit benennt Iwasaki "chronische Veränderungen und Schäden in verschiedenen Organen" infolge der akuten Infektion und als vierte Option eine Immunantwort, die sich gegen den eigenen Körper richtet, bekannt als Autoimmunität.

Eine unter anderem an der TU Dresden entstandene Auswertung von mehr als 600.000 Datensätzen verschiedener Krankenversicherungen ergab, dass Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt waren, später deutlich häufiger Autoimmunerkrankungen entwickelten als Menschen ohne Corona-Infektion.

Andere Untersuchungen beschreiben Long Covid als ein Phänomen gebildeter Weisser, das zudem in reichen Ländern viel häufiger auftrete, was mancher Interpretation zufolge für eine psychische Ursache sprechen soll. Zuletzt wies ein Kommentar im Fachjournal "The Lancet" darauf hin, was solche Analysen übersehen: Zum Beispiel, dass es in Ländern mit geringem Wohlstand oft auch weniger Forschung, weniger Anlaufstellen für die Versorgung und eine schlechtere Datenerfassung gibt. Dass sich ärmere Menschen zum Beispiel aus Sorge vor Jobverlust seltener krankmelden, kommt hinzu – belastbar sind diese Thesen also nicht.

"Long Covid ist in Wahrheit eine Folge der Impfungen"

Das ist nachweislich falsch. Über Corona-Langzeitfolgen berichteten Betroffene bereits, als die ersten Impfstoffe noch gar nicht auf dem Markt waren. Bevor die Wissenschaft den Begriff "Long Covid" aufgriff, setzte er sich in den sozialen Medien durch. Den Anfang machte ein Tweet vom 20. Mai 2020 – die erste Deutsche erhielt ihre Impfung erst sieben Monate später, am 26. Dezember 2020.

Richtig ist aber, dass auch die Corona-Impfung Long-Covid-ähnliche Symptome auslösen kann, bekannt geworden unter dem wissenschaftlich nicht genau definierten Begriff Post-Vac-Syndrom. Der Kardiologe Bernhard Schieffer, der am Universitätsklinikum Marburg die bundesweit einzige auf Impfschäden spezialisierte Ambulanz leitet, hält das klinische Bild für "identisch", Studien gehen zumindest von grossen Ähnlichkeiten aus.

Das könnte mit vergleichbaren Krankheitsmechanismen zusammenhängen: Coronaviren nutzen das sogenannte Spike-Protein – eine Struktur an der Virushülle –, um an Zellen anzudocken. Die mRNA-Impfstoffe wiederum enthalten Baupläne für das Spike-Protein, mit denen es nach der Impfung im Körper gebildet werden und wie bei einer Infektion die Bildung von Autoantikörpern und Entzündungen in Organen und Geweben auslösen kann. Ein Beleg für diese Mechanismen steht allerdings noch aus.

Bisher gehen die allermeisten Wissenschaftler davon aus, dass derartig schwere Impfschäden erheblich seltener sind als ernsthafte postvirale Beschwerden. Internationale Übersichtsarbeiten legen zudem nahe, dass Geimpfte ein geringeres Risiko für Long Covid tragen. Abschliessend belastbar sind diese Ergebnisse nicht. Ob die Impfung vor Langzeitfolgen schützt, das sei "wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt", heisst es beim Robert-Koch-Institut (RKI).

"Long Covid verschwindet von allein"

Bei einem Teil der Betroffenen ist dies der Fall – aber längst nicht bei allen. So ergab die EPILOC-Studie, eine Befragung nachweislich an Covid-19 erkrankter Menschen aus Baden-Württemberg, dass ein Viertel der Long-Covid-Erkrankten auch nach 6 bis 12 Monaten noch unter Symptomen litt. Das liegt im Bereich internationaler Studien, denen zufolge rund 20 Prozent der Betroffenen auch nach einem Jahr mit erheblichen Einschränkungen zu tun hatten.

Eine Studie der Berliner Charité zeigte zudem, dass Patienten, die noch Monate nach der Infektion an schwerer Fatigue leiden, mit langfristig anhaltenden Beschwerden rechnen müssen. Schon vergleichsweise früh könnte eine Messung der Handkraft eine Prognose liefern, wie der weitere Verlauf sei wird.

Gesicherte Daten, wie viele Menschen eine Spontanheilung erfahren und wie viele über längere Zeiträume krank bleiben, gibt es jedoch nicht. Lange Zeit war "Long Covid" kein fest definierter Begriff, weshalb Studien dazu oft nicht vergleichbar sind. Zudem haben sich die Fallzahlen mit den Virusvarianten und dem Impfstatus verändert.

"Long Covid ist eine neue Volkskrankheit"

Vor allem frühe Studien zur Häufigkeit von Long Covid kamen zu erschreckend hohen Fallzahlen. Beispielsweise kursierte auf Basis von Haushaltsbefragungen die Angabe, dass fast jeder fünfte an Covid-19 erkrankte US-Amerikaner an Long Covid litt. Andere Studien ergaben, dass 60 Prozent und mehr der Infizierten noch Monate nach Ansteckung mit Symptomen kämpften.

Eine medial stark beachtete Analyse in dem angesehenen Fachjournal "BMJ Evidence-Based Medicine" stellte vor wenigen Tagen noch einmal zusammen, welche methodischen Schwächen die meisten dieser Arbeiten aufwiesen: unter anderem fehlende oder ungeeignete Kontrollgruppen und uneinheitliche Definitionen für Long Covid. Das führte zu Verzerrungen und Überschätzungen, war allerdings seit Langem bekannt.

Aktuell geht das RKI davon aus, dass 6 bis 15 Prozent der Infizierten an Long Covid erkranken. Es erscheint wahrscheinlich, dass der Wert angesichts jüngerer Forschungsergebnisse noch nach unten korrigiert werden könnte.

"Es gibt nur eine verschwindend geringe Anzahl von Betroffenen"

Auch die Gegenthese zur Volkskrankheit ist nicht durch Studiendaten gedeckt. Ein Beispiel: "0,4% #PostCovid", twitterte kürzlich der Allgemeinmediziner Hans-Otto Wagner, Mitautor der ärztlichen Long-Covid-Leitlinie – und suggerierte damit, dass das Problem verschwindend gering sei. Hintergrund ist eine umfangreiche norwegische Auswertung von Daten Infizierter.

Doch auch diese Studie hat methodische Schwächen: Sie erfasst Long Covid nicht nach anerkannten Diagnosekriterien, sondern verlässt sich auf die Zahl der ärztlichen Diagnosen. Das lässt aussen vor, dass Betroffene bekanntermassen häufig erst sehr spät eine Diagnose erhalten, manche wohl nie.

Immer wieder fordern Wissenschaftler saubere Studien zur Häufigkeit von Long Covid ein. Der Wunsch scheint berechtigt, wird allerdings kaum mehr zu erfüllen sein: Es ist inzwischen nahezu unmöglich, für eine valide Kontrollgruppe zwischen Schon- und Noch-Nicht-Infizierten zu unterscheiden. Auch ein kausaler oder auch nur gesicherter zeitlicher Zusammenhang zwischen Infektion und Langzeitfolgen ist praktisch nicht festzustellen – heute weniger denn je, da es kaum noch PCR-Tests zum sicheren Erregernachweis gibt. Der Ruf nach unumstösslichen Daten wird daher ungehört bleiben.

Wichtig erscheint daher, sich die Grössenordnung vor Augen zu führen: Selbst wenn der Anteil der Long-Covid-Erkrankten – rein spekulativ – auf drei oder fünf Prozent der Infizierten herunterkorrigiert werden müsste, wären dies bei knapp 40 Millionen erfassten Infektionen noch immer 1,2 bis 2 Millionen Betroffene. Und damit keinesfalls eine geringe Zahl.

"Long Covid ist nicht behandelbar"

Der wahre Kern dieser Aussage: Es gibt bislang keine heilende Therapie, für die die nötige Evidenz aus klinischen Studien vorliegt. International sind Wissenschaftler zwar dabei, für andere Krankheiten zugelassene Medikamente auf ihre Wirksamkeit bei Long Covid zu untersuchen. Eine Übersichtsarbeit listet allein 61 solche Arzneimitteltests im September 2022 auf, seither kamen noch weitere hinzu. International laufen zudem eine Reihe von klinischen Studien nach höchsten wissenschaftlichen Standards. Bisher haben diese jedoch noch zu keiner Zulassung von Arzneimitteln oder therapeutischen Verfahren geführt.

Das bedeutet aber nicht, dass Long Covid auf keine Weise behandelbar ist. Die deutsche Leitlinie für Ärztinnen und Ärzte führt eine ganze Reihe von Ansätzen auf, die zumindest bei einem Teil der Betroffenen Verbesserungen bewirken können. Je nachdem, ob bei diesen zum Beispiel Organschädigungen, Atembeschwerden, Erschöpfungssymptome oder Kreislaufprobleme im Vordergrund stehen, setzen sie an unterschiedlichen Stellen an.

Zudem bestehen mehrere fast schon etablierte Off-Label-Therapien, mit denen Ärztinnen und Ärzte Fallberichten zufolge bei manchen Patienten gute Erfolge erzielen konnten. Viele Praxen lehnen solche Versuche jedoch aufgrund möglicher Risiken oder aus Sorge vor Regressansprüchen der Krankenkassen ab. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant daher, eine Liste von erstattungsfähigen Off-Label-Therapien zuzulassen. Der Ansatz ist hochumstritten, weil es für diese Medikamente weder einen fundierten wissenschaftlichen Wirkungsnachweis noch Klarheit über mögliche Risiken gibt. Für Betroffene ist es andererseits oft der einzige Weg, der eine Linderung ermöglicht.

"Long-Covid-Patienten können die üblichen Versorgungsstrukturen nutzen"

Theoretisch sollen Long-Covid-Patienten zunächst ihre Hausarztpraxis ansteuern, die sie an Fachärzte überweist. Doch weil die Symptomatik oft komplex ist, stünde gleich eine Vielzahl von Terminen in Spezialpraxen an – vor allem für schwer Betroffene kaum zu schaffen. Hinzu kommt: Eine heilende Therapie gibt es nicht, in vielen Praxen fehlt das Wissen und einige hilfreiche Diagnoseverfahren gehören nicht zum Standard-Repertoire.

Viele Patienten berichten von einer regelrechten Odyssee durch das Gesundheitssystem, und auch Ärztinnen und Ärzte selbst äussern sich in Befragungen kritisch über die Versorgungsstrukturen. Die vor allem an Unikliniken eingerichteten Spezialambulanzen können dies kaum lösen. Erkrankte müssen teils viele Monate auf einen Termin dort warten – um dann bestenfalls zwar mit einer genaueren Diagnose, aber ohne Therapiekonzept nach Hause geschickt zu werden.

"Die Versorgung wird der Lage nicht gerecht", kommentierte der Marburger Kardiologe Bernhard Schieffer im "Ärzteblatt". Abhilfe ist bisher kaum in Sicht. Die Ampelkoalition versprach in ihrem Koalitionsvertrag zwar ein Netz von Kompetenzzentren, hat bisher jedoch nichts vorweisen. In Berlin beschloss das Abgeordnetenhaus im September 2023 die Einrichtung wohnungsnaher Anlaufstellen für die Versorgung und Behandlung von Long-Covid- und Post-Vac-Betroffenen – die Umsetzung ist bislang allerdings noch völlig offen.

"Jeder zweite Long-Covid-Betroffene erkrankt an ME/CFS"

Eine Aussage, die sich unter Betroffenen gerade in den sozialen Medien regelmässig verbreitet – die aber nicht zu halten ist. Sie geht vor allem auf mehrere kleinere Studien zurück, die fehlinterpretiert wurden.

Bei diesen Arbeiten – bei denen tatsächlich etwa die Hälfte der beobachteten Long-Covid-Betroffenen die Diagnosekriterien für die chronische Multisystemerkrankung ME/CFS erfüllte – ging es meist um ganz andere Forschungsfragen. Um diese zu beantworten, untersuchten Wissenschaftler beispielsweise gezielt Menschen, die unter Post-Exertioneller Malaise (Belastungsintoleranz) litten, also dem Kardinalsymptom von ME/CFS.

Eine solche Selektion kann für die Forschungsfrage Sinn ergeben, sie bedeutet aber gleichzeitig: Die Studienpopulation ist nicht repräsentativ für alle Long-Covid-Betroffenen, weil ME/CFS-Erkrankte überproportional vertreten sind. Für andere Befragungen waren die Teilnehmenden von Selbsthilfegruppen rekrutiert worden – unter deren Kontakten mutmasslich schwer und lang anhaltend Erkrankte über-, milder Betroffene und Genesene dagegen unterrepräsentiert sind. Für die Gesamtheit aller von Long-Covid-Symptomen Betroffenen sind 50 Prozent ME/CFS also viel zu hoch gegriffen.

Eine korrekte Angabe ist allerdings nicht zu machen. Die ME/CFS-Expertin Carmen Scheibenbogen, Immunologin an der Berliner Charité, sagt auf Anfrage: "Genaue Zahlen zur Prävalenz von ME/CFS nach Covid gibt es nicht." Lange vertrat sie die Einschätzung, dass sich die Zahl der Erkrankten durch die Pandemie verdoppeln könnte, ausgehend von Vor-Corona-Schätzungen, die sich auf 140.000 bis 400.000 Betroffene beliefen. Aus heutiger Sicht spricht vieles dafür, dass nur ein relativ kleiner Teil der Long-Covid-Erkrankten ME/CFS entwickelt – dass dieser Teil aufgrund der hohen Fallzahlen aber mindestens mehrere Zehntausend Menschen umfasst.

"Reha schadet bei Long Covid immer"

Long Covid ist keine einheitliche Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff, unter dem mehr als 200 mögliche Symptome subsummiert werden. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die therapeutischen Ansätze. Beispielsweise können Reha-Konzepte dazu beitragen, kognitive Störungen oder Atembeschwerden mit passgenauen Übungen zu mildern. Davon geht auch die ärztliche Leitlinie aus. Es kommt also darauf an, welche Symptome bei einer betroffenen Person im Vordergrund stehen.

Die Sorge, dass ein Reha-Aufenthalt schadet, geht vor allem auf Erfahrungsberichte ME/CFS-Erkrankter zurück, die eine teils massive Zustandsverschlechterung nach aktivierenden Übungen erlebten. In seinem Wissensstandbericht im Auftrag der Bundesregierung hielt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Mai 2023 fest: Für die Aktivierungstherapie gebe es bei ME/CFS "in der Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen", weil "schwere Nebenwirkungen der Therapie auf Basis der Studiendaten nicht ausgeschlossen werden können".

Das betrifft aber eben nur die Gruppe der Long-Covid-Erkrankten mit ME/CFS, massgeblich geprägt durch das Kardinalsymptom der Post-Exertionellen Malaise (siehe oben). In einer Klinik im sächsischen Kreischa wird unter Beteiligung der Charité derzeit ein Reha-Konzept entwickelt, das speziell auf die Bedürfnisse von ME/CFS-Patienten ausgelegt ist. Dies ist jedoch noch lange kein Standard – und zudem selbst noch in der Erprobung. Auch zu einem solchen Konzept kommen kritische Erfahrungsberichte von Patienten, die infrage stellen, ob es überhaupt eine geeignete Reha-Form für schwerer an ME/CFS Erkrankte geben kann.

Zum Teil kamen Befragungen zu dem Schluss, dass körperliche Aktivität sogar bei einer Mehrheit der Long-Covid-Erkrankten zu einer Verschlechterung führt. Evident ist das jedoch nicht: Die Ergebnisse beruhen auf Selbstangaben einer nicht-repräsentativen Teilnehmergruppe, bei der zudem nicht nach genauer Symptomatik der Befragten unterschieden wurde.

Im Gegenteil dazu verkündete die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover im Juni 2023 in einer Presseerklärung: "Studie belegt: Bei Long Covid hilft eine psychosomatische Rehabilitation". Die Studie war eine Masterarbeit, die von ihrer Methodik nach allem, was darüber bekannt ist, nicht geeignet ist, eine solch pauschale Aussage zu unterfüttern. Veröffentlicht wurde die Arbeit zudem bis heute nicht. Eine Leitlinie zur Reha nach Covid-19-Erkrankungen stuft eine psychosomatische Reha bisher nur dann als "sinnvoll" ein, wenn "psychische Krankheitsfolgen" wie eine Depression "im Vordergrund stehen".

In einer Stellungnahme der Bundesärztekammer heisst es zusammenfassend: "Es gibt gewisse Hinweise, dass aktive Rehabilitationsmassnahmen die Folgen oder Behinderungen im Rahmen [von Long Covid] verringern können, soweit kein ME/CFS besteht."

Verwendete Quellen:

Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.
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