Den Todeszeitpunkt eindeutig zu bestimmen, ist keine einfache Sache. Das ist aber eine Voraussetzung für Organspenden. Das Transplantationsrecht sieht vor, dass ein Patient hirntot sein muss. Doch lässt sich das zweifelsfrei feststellen? Medizin und Ethik sind sich darüber in einigen Fällen uneins.

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Wenn Ärzte den Hirntod eines Menschen feststellen, sieht der Verstorbene für die Hinterbliebenen nicht anders aus, als ein paar Minuten zuvor. Er ist in der Regel äusserlich unverändert, die Haut ist weiter rosig, anders als bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand. "Das macht es für die Angehörigen so schwer und verunsichert sie verständlicher Weise", sagt Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essens und Mitglied im Deutschen Ethikrat.

Wenn ein Mensch hirntot ist, ist er dann wirklich tot? Diese Frage diskutieren Mediziner und Ethiker kontrovers. Es ist eine wichtige Frage, denn die Feststellung des Hirntods ist Voraussetzung für eine Organspende. "Sichere Todeszeichen sind der irreversible Ausfall des Herzen, der Atmung oder des Gehirns. Beim Herz- und Atemstillstand können wir den Tod leicht nachvollziehen, weil der Körper als Leichnam erscheint", erklärt Stefanie Förderreuther, Oberärztin der Neurologischen Universitätsklinik München. "Bei eingetretenem Hirntod ist das nicht so, da die Atmung und die Herz-Kreislauffunktion unter intensivmedizinischer Behandlung künstlich aufrecht erhalten werden", sagt die Medizinerin, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema Hirntod beschäftigt.

Als hirntot gilt ein Mensch, wenn sämtliche Funktionen der Denkzentrale erloschen sind. Die Diagnose bezeichnet "den endgültigen Ausfall der Gesamtfunktion des Grosshirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einer durch Beatmung künstlich noch aufrecht erhaltenen Herz-Kreislauf-Funktion", heisst es im deutschen Transplantationsgesetz von 1997. Der betroffene Mensch wird deshalb als insgesamt tot betrachtet.

Das Herz schlägt weiter

Ist dieses absolute Urteil nachvollziehbar? Das Herz schlägt weiter, Rückenmarksreflexe funktionieren, der Patient kann schwitzen oder verdauen, und hirntote Frauen haben Babys auf die Welt gebracht. Die extrem heikle Frage beantwortet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die in Deutschland die Verteilung von Spenderorganen koordiniert, so: "Das Gehirn ist übergeordnetes Steuerorgan aller elementaren Lebensvorgänge. Mit seinem Tod ist auch der Mensch in seiner Ganzheit gestorben."

Auch für Förderreuther ist das eindeutig: "Ist der Hirntod festgestellt, ist die Gesamtfunktion des Gehirns unwiederbringlich erloschen. Unsere Persönlichkeit und unser Bewusstsein sind dann verloren." Menschen könnten nichts mehr fühlen, nichts denken, nicht wach sein, schlafen oder träumen. Zudem gebe es keine zentrale Steuerung des Organismus als Ganzes mehr, also zum Beispiel keine Regulation der Temperatur oder des Wasserhaushalts, kein Atemantrieb, kein Selbsterhaltungstrieb. Die Medizinerin beschreibt das so: "Funktionell entspricht der eingetretene Hirntod einer 'inneren Enthauptung'. Das Gehirn ist in seiner Funktion – anders als Herz und Lunge – durch nichts zu ersetzen. Deswegen ist der Hirntod ein besonders sicheres Todeskriterium." Eine Rückkehr zum Leben sei dann ausgeschlossen.

Eckhard Nagel vom Deutschen Ethikrat hält den Hirntod im Vergleich zum Herz-Kreislauf-Stillstand für "eine sicherere Todesfeststellung, da dieser irreversibel ist". Der Transplantationsmediziner ergänzt: "Beim Herzstillstand gibt es in bestimmtem Fällen die Möglichkeit, den Patienten zum Beispiel mit Hilfe von Elektrostimulation wiederzubeleben. Das ist beim Hirntod nicht möglich."

Die ethische Sicht auf den Hirntod

Doch nicht jeder Experte setzt Hirntod und Tod gleich, vor allem aus ethischer Sicht. Der Bielefelder Professor für praktische Philosophie, Ralf Stöcker weist darauf hin, dass "es durchaus noch viel eigenständiges körperliches Leben im hirntoten Menschen gibt." Dem Gehirn komme zwar eine extrem wichtige Funktion für die "Koordination der vielfältigen Regelmechanismen zu, die das biologische Leben des Menschen ausmacht".

Dem fügt Stöcker hinzu: "Das Bild aber, das manchmal gezeichnet wird, als sei das Gehirn die Schaltzentrale eines ansonsten funktionsuntüchtigen Mechanismus, ist unzutreffend. Biologisch gesehen sind Hirntote zwar massiv auf externe Hilfe angewiesen, solange diese aber besteht, sind sie noch deutlich nicht tot", schreibt er in seinem Aufsatz "Der Tod als Voraussetzung der Organspende?" in der Zeitschrift für medizinische Ethik.

So sieht das auch der US-Neurologe Professor Alan Shewmon, seit Jahren einer der bekanntesten Kritiker der Definition, dass Hirntod gleich Tod bedeute. Er sieht das Gehirn zwar als ein wichtiges Organ an, aber nicht als den zentralen Integrator aller Körperfunktionen, dessen Ausfall mit dem Tod gleichzusetzen ist. Einen einzelnen Körperteil mit dieser Funktion gebe es nicht.

Professor Nagel hält von einer ethischen Betrachtung in diesem Zusammenhang wenig: "Eine Todesdefinition ist eine biologisch-naturwissenschaftliche Definition, da hat die Ethik erstmal gar nichts zu suchen." Etwas anderes wäre es seiner Ansicht nach, "wenn wir Lebenszustände, die wir biologisch auch noch als lebensfähig bezeichnen würden, als 'tot' erklären - dann hätten wir eine Debatte über lebenswertes und unwertes Leben und eine ethische Definition." Wenn der Körper trotz aller Unterstützungsmassnahmen aber nicht mehr "eine Eigenfunktion aufbauen und aufrechterhalten kann und es keine den Menschen charakterisierende Hirnfunktion mehr gibt, dann ist das Leben biologisch erloschen."

Sind hirntote Menschen noch lebendig?

Wenn hirntote Menschen aber laut ethischer Definition nicht tot sind, leben sie dann noch? Laut Stöcker sind sie beides, sie befinden sich in einem Zwischenzustand. Mediziner müssten aber bei der Organentnahme nicht befürchten, den hirntoten Patienten zu töten. "Denn jemanden zu töten bedeutet, ihn vom Leben zum Tode zu befördern, und die Hirntoten haben bildlich gesprochen schon einen Teil dieses Wegs hinter sich gebracht", erklärt er.

Er hält deshalb die "verzweifelten Versuche zu zeigen, dass es sich bei diesen Patienten in Wirklichkeit um Tote handelt", für überflüssig. Es sei wichtig, die Würde der hirntoten Menschen zu achten, weil sie noch wie Lebende seien. Man könne ihnen aber auch nicht in dem Sinne schaden, dass man sie nicht wieder gesund macht oder indem man ihre Zukunftsaussichten verschlechtere. Deshalb spricht nach seiner Ansicht nichts gegen eine Organentnahme bei hirntoten Menschen, auch wenn diese für Stöcker noch nicht tot sind.

Wie der Hirntod festgestellt wird

Damit bei der Feststellung des Hirntods Fehler ausgeschlossen werden, hat die Bundesärztekammer ein streng festgelegtes Protokoll vorgegeben, an das sich jedes Krankenhaus halten muss:

  • Schritt 1: Sind die Voraussetzungen für einen Hirntod gegeben? Liegt also eine schwere Hirnschädigung vor, wie etwa eine Hirnblutung, ein Tumor oder ein Kreislaufstillstand? Die tiefe Bewusstlosigkeit eines Patienten darf keine andere Ursache haben, das müssen Ärzte zweifelsfrei ausschliessen.
  • Schritt 2: Der Patient liegt im Koma, kann nicht mehr alleine atmen, sämtliche Hirnstammreflexe sind ausgefallen. Dazu gehört, dass die Pupillen nicht auf Licht reagieren und das Gesicht keinerlei Schmerzreaktionen zeigt. Ist nur einer der Reflexe noch vorhanden, ist der Patient nicht hirntot.
  • Schritt 3: Die Mediziner müssen zweifelsfrei feststellen, dass der Ausfall des Gehirns nicht umkehrbar ist. Dazu messen sie zum Beispiel mit EEG die Hirnströme. Ist mindestens 30 Minuten lang nichts feststellbar oder nur eine gerade Linie ohne Ausschlag zu sehen, gilt der Ausfall als irreversibel.

Förderreuther von der Neurologischen Universitätsklinik München erklärt: "Anders als bei der Feststellung des Herztodes müssen zwei Ärzte mit besonderer Qualifikation die Voraussetzungen für die Hirntodfeststellung prüfen, den Patienten untersuchen und dabei übereinstimmende Befunde erheben." Sie sagt: "Bei korrekter Anwendung der Richtlinie ist die Hirntodfeststellung absolut sicher." Das bestätigt Eckhard Nagel: Beim Herz-Kreislauf-Tod sei die Todesfeststellung nur durch einen Arzt möglich, nicht durch zwei. "Man kann daher davon ausgehen, dass nach Feststellung aller Hirntod-Kriterien der Tod des Menschen sicher vorliegt."

16.000 Menschen warten auf Spenderorgane

Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten bestimmt hat, dass er seine Organe spenden möchte und die Mediziner den Hirntod festgestellt haben, muss noch ein Gespräch mit den Angehörigen erfolgen. Schliesslich könnte der Mensch seine Meinung ja trotz Organspendeausweis doch noch geändert haben. Dann kümmert sich die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) um den weiteren Ablauf. Sie leitet die Daten an die Stiftung Eurotransplant mit Sitz im holländischen Leiden weiter, die die Organe nach Dringlichkeit, Wartezeit und Erfolgsaussicht weitervermittelt.

Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Ungarn haben sich dabei zusammengeschlossen, um durch gemeinsame Vermittlung der gespendeten Organe Patienten möglichst effektiv versorgen zu können. Das umfasst ein Gebiet von 124 Millionen Menschen. Eurotransplant hat in den Wartelisten 16.000 Menschen aufgeführt, die auf ein Spenderorgan warten.

Damit die Spende erfolgreich ist, ist die Zeitspanne zwischen der Organentnahme und der Transplantation entscheidend. Die Organe müssen bei der Entnahme noch durchblutet sein. Nur wenige Stunden dürfen beim Transport vergehen, sonst werden die Organe geschädigt und die Transplantation missglückt womöglich. Wer sich für die Organspende entscheidet, kann folgende Organe spenden: Herz, Lunge, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Darm und Teile der Haut sowie Hornhaut der Augen, Herzklappen und Teile der Blutgefässe, des Knochengewebes, des Knorpelgewebes und der Sehnen.

Weitere Informationen zur Organspende: www.organspende-info.de

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