Als Moderatorin, Autorin und Influencerin ist Louisa Dellert einer breiten Masse bekannt. Im vergangenen Jahr erhielt sie nach einem Zusammenbruch die Diagnose Burnout. Im Gespräch mit unserer Reaktion spricht sie über Warnsignale des Körpers, Privilegien und Ziele für die Zukunft.
Eigentlich wollte Louisa Dellert im vergangenen Mai nur ein paar Einkäufe im Supermarkt erledigen. Eigentlich. Denn an diesem Tag zog der Körper der Moderatorin plötzlich die Reissleine und nichts ging mehr. Ihr Hausarzt diagnostizierte einen Burnout. Seitdem arbeitet die 34-Jährige an ihrer Heilung und zeigt sich ihren mehr als 480.000 Instagram-Followern auf diesem Weg ganz transparent – und ebenso verletzbar.
Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Louisa Dellert über Warnsignale ihres Körpers, auf die sie lange Zeit nicht gehört hat, über Reaktionen von aussen auf ihre Diagnose und erklärt, warum sie trotz ihrer Erkrankung dankbar für ihre privilegierte Situation ist.
Frau Dellert, lassen Sie uns eine kleine Zeitreise zum 24. Mai 2023 unternehmen. An diesem Tag ging plötzlich nichts mehr, dabei wollten Sie eigentlich "nur" ein paar Einkäufe im Supermarkt erledigen …
Louisa Dellert: Um zu erklären, was an diesem Tag passiert ist, muss ich ein bisschen weiter zurück in der Zeit reisen. Ich bin in den vergangenen Jahren privat und beruflich sehr über meine Grenzen gegangen und habe Episoden, in denen es mir schlecht ging, nie als Warnsignale wahrgenommen. Ich war schon immer eine Person, die schlecht Nein sagen kann, von allen Menschen gemocht werden will und viel Harmonie braucht.
Das hat dazu geführt, dass ich sowohl im Privaten als auch im Beruflichen wenig auf mich selbst geachtet habe. Am Tag des Zusammenbruchs stand ich nach einem stressigen Tag mit einem Einkaufskorb in der Hand im Supermarkt, doch das blosse Nachdenken über meine Einkäufe hat mich total überfordert. Mir ist heiss geworden, mein Herz hat gepocht; ich stand wie angewurzelt vor dem Regal und musste weinen.
Ihr Körper hat sich in diesem Moment also dazu entschieden, die Reissleine zu ziehen …
Genau. Ich kann nicht erklären, warum es ausgerechnet in dieser Situation zu dem Zusammenbruch kam. Ich kann rückblickend auch nicht genau sagen, wie lange ich in dieser Position im Supermarkt stand. Genauso wenig weiss ich, was sich die Leute um mich herum gedacht haben müssen. Irgendwann habe ich den Einkaufskorb weggestellt, bin aus dem Geschäft gelaufen und habe mich weinend vor unsere Haustür gesetzt. Mir fiel es schwer, in die Wohnung zu gehen, weil ich gar nicht wusste, wie ich das Markus (Louisa Dellerts Lebenspartner, Anm.d.Red.) erklären sollte. Die ganze Situation war wahnsinnig schambehaftet für mich. Auch wenn mein Kopf es noch nicht verstehen wollte, hat mein Körper an diesem Tag entschieden, dass er loslassen und sich ausruhen darf.
Louisa Dellert: "Rückblickend weiss ich, dass ich über Jahre depressive Phasen hatte"
Gab es schon vorher Anzeichen für die Erschöpfung?
Ja, die gab es. Rückblickend weiss ich, dass ich schon vor dem Zusammenbruch über Jahre depressive Phasen hatte. Diese habe ich mir aber nie eingestanden, sondern stattdessen noch mehr gearbeitet. Allein in den vergangenen drei Jahren gab es etwa einmal im Jahr einen Punkt, an dem ich nur noch geweint habe, Termine abgesagt werden mussten und ich nichts mehr machen konnte. Damals dachte ich, ein paar Tage Urlaub würden reichen, damit es weitergehen könne. Irgendwann traten diese Phasen aber immer häufiger auf.
In welcher Form?
Ich wurde unzuverlässig, bin morgens schweissgebadet aufgewacht und hatte bereits nach dem Aufstehen Herzklopfen, weil ich in meinem Kopf schon alle Termine des Tages durchgegangen bin. Dazu kamen Migräne und immer häufigere Streitereien mit meinem Freund, weil ich so gereizt war. Eigentlich bin ich ein sehr ordentlicher Mensch, doch irgendwann konnte ich den Geschirrspüler nicht mehr einräumen oder liess Dinge herumliegen. Auch regelmässiges Duschen fiel mir schwer und ich habe zugenommen, weil ich in Stresssituationen mehr gegessen habe. Ich war ein komplett anderer Mensch, wollte die Warnsignale meines Körpers aber nicht wahrhaben.
Sie wurden damals für zwei Monate krankgeschrieben – gewissermassen wurde also von Tempo 100 auf null runtergebremst …
Als mein Hausarzt mich krankgeschrieben hat, hat sich in mir eine extreme Erleichterung breit gemacht. Weil ich endlich schwarz auf weiss die Begründung hatte, "Ich kann nicht mehr" sagen zu können. In den letzten Jahren war ich nie krank, habe immer gearbeitet und habe immer funktioniert. Rückblickend bin ich nicht stolz darauf.
"Grösstenteils haben die Menschen verständnisvoll reagiert"
Sie haben sich dann für eine Weile aus den sozialen Medien zurückgezogen, ehe Sie Ihrer Community von dem Burnout erzählt haben. Wie war es, sich in einer so verletzlichen Situation zu öffnen?
Meine Erkrankung bei Instagram öffentlich zu machen, war erleichternd für mich. Trotzdem hatte ich Angst vor den Kommentaren oder dass mir vorgeworfen wird, als Influencerin lediglich eine neue Themen-Schublade öffnen zu wollen. Natürlich hab es kritische Reaktionen, aber grösstenteils haben die Menschen wahnsinnig verständnisvoll reagiert. Insofern gab es eine grosse Anteilnahme, weil viele Menschen sich selbst in dieser Situation erkannt haben. Im Nachhinein hätte ich mir mit dem Schritt zurück in die Öffentlichkeit zwar gerne noch etwas mehr Zeit genommen, doch meine finanziellen Rücklagen waren zu diesem Zeitpunkt beinahe ausgeschöpft, sodass ich langsam aber sicher wieder zurückkehren musste.
In der Selbstständigkeit auszufallen, muss man sich auch leisten können …
Das stimmt. Umso mehr weiss ich zu schätzen, mich in einer privilegierten Situation befinden zu dürfen. Sich nach einem Burnout zwei Monate zurückziehen zu können, ist nicht selbstverständlich. Ich denke dabei etwa an Mütter, die diese Möglichkeit nicht haben. Trotzdem erlaube ich mir zu sagen, auch in meiner privilegierten Situation Sorgen haben zu dürfen.
Wie war die finanzielle Situation während der Krankschreibung?
Häufig heisst es, als Influencerin habe man Millionen auf dem Konto. Dadurch, dass ich auf Social Media weniger Werbung mache, war es aber nicht so, dass ich Rücklagen für ein ganzes Jahr oder länger hatte. Zudem hatte ich damals auch noch eine eigene Beratungsagentur, die ich eigentlich ausbauen wollte. Stattdessen musste ich meiner Mitarbeiterin kündigen, ihr aber noch für drei Monate ein Gehalt zahlen, obwohl die Firma keine Einnahmen verzeichnete. Auch meine Moderation bei "deep und deutlich" habe ich aufgeben müssen. Trotzdem mussten Mieten, Versicherungen oder Vorauszahlungen an das Finanzamt gezahlt werden, sodass mein finanzieller Puffer irgendwann aufgebraucht war. Das löst natürlich einen erneuten Druck aus.
Mir ist klar, dass es vielen anderen Menschen schlechter geht als mir. Meine Situation war schlimm, dennoch hat sie mir meine Privilegien aufgezeigt. Ich hatte die Möglichkeit, viel Zeit in der Natur zu verbringen oder mich um einen Platz in einer Tagesklinik kümmern zu können. Sich diese Zeit zu nehmen, wenn man etwa ein Kind hat oder arbeiten muss, ist sehr herausfordernd und macht etwas mit einem.
Haben Sie schnell einen Therapieplatz bekommen?
Ich hatte schon seit Längerem eine Coachin an meiner Seite, an die ich mich immer wenden konnte, wenn es mir schlecht ging. Nach der Diagnose Burnout hat sie mich dann dazu ermutigt, eine Therapie zu machen. Von ihr habe ich viele Telefonnummern bekommen und das zeitintensive Abtelefonieren verschiedener Praxen begann. Nach nur rund zwei Monaten habe ich dann einen Therapieplatz bekommen, was eher ungewöhnlich ist. Mit einem Platz in einer Tagesklinik sah es dann schon anders aus und ich warte immer noch auf einen Platz.
Mit Blick auf das Warten auf einen Therapieplatz sprechen wir erneut von Privilegien …
Absolut. Es gibt zum Beispiel Menschen, denen ein Rückzugsort fehlt. Erst kürzlich habe ich mit einer an Depressionen erkrankten Mutter gesprochen, die auf einen Therapieplatz wartet. Anders als ich kann sie nicht einfach mal in den Wald oder achtsam eine Stunde spazieren gehen. Denn für sie bedeutet ein Spaziergang ein Spaziergang mit den Kindern, bei dem sie Verantwortung trägt und nicht für ein paar Momente abschalten kann. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass mentale Erkrankungen immer schlimm sind. Auch ein reicher Mensch kann an Depressionen erkranken und soll aussprechen dürfen, dass es ihm schlecht geht.
Das ist in unserer Leistungsgesellschaft nicht immer einfach.
Ja, das stimmt. Umso mehr müssen wir lernen, auszusprechen, dass es uns nicht gut geht. Mentale Erkrankungen sind unsichtbar. Wer sich bei der Arbeit wegen einer Erkältung oder einer Verletzung krankmeldet, sollte das auch wegen mentaler Beschwerden tun können.
Haben Sie das Gefühl, dass wir diesbezüglich als Gesellschaft auf einem guten Weg sind?
Ich glaube, wir sind dabei, immer mehr Awareness für dieses Thema zu schaffen und zu sensibilisieren. Natürlich prallen hierbei aber auch Generationen aufeinander: Während es der älteren Generation oft schwerfällt, über Gefühle zu sprechen und Therapien häufig als Tabuthema gelten, gehen junge Menschen viel offener mit diesen Themen um. Das habe ich in meinem Umfeld vereinzelt auch festgestellt, indem mich etwa ältere Menschen gefragt haben, wann ich denn endlich wieder arbeiten gehen möchte.
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"Es ging mir wirklich schlecht und diese Situation wollte ich nicht vermarkten"
Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang von der Politik?
Es sollte dringend forciert werden, mehr Präventivmassnahmen und Beratungsstellen für Betroffene zu schaffen. Die Menschen sollen sich an Einrichtungen wenden können, wenn sie das Gefühl haben, nicht mehr zu können. Auch wenn inzwischen immer mehr darüber gesprochen wird, finde ich, dass diese Themen ihre "Bubble" noch mehr verlassen sollten.
Was machen negative Reaktionen oder Kommentare wie "So schlecht kann es dir nicht gehen, wenn du dich beim Weinen filmst" mit Ihnen?
Sie verletzten mich insofern, als dass ich weiss, wie es in mir ausserhalb der fünf Minuten, die auf Instagram zu sehen sind, aussieht. Ich weiss, wie ich mich während dieser 23 Stunden und 55 Minuten fühle und manchmal wünsche ich mir, dass die Menschen auch diese Episoden miterleben. Es ist übrigens nicht so, dass ich durch meine Erkrankung eine grössere Reichweite oder mehr Follower bekommen habe. Ich habe auch finanziell nicht dadurch profitiert, obwohl mir bereits verschiedene Angebote, etwa ein Buchvertrag, gemacht wurden. Es ging mir wirklich schlecht und diese Situation wollte ich nicht vermarkten. Dennoch sollte es okay sein, dass ich die Menschen, die mir folgen – wie bereits seit zehn Jahren – durch mein Leben mitnehme. Denn ich stelle immer wieder fest, dass dies bei betroffenen Männern total okay ist, während ich als Frau mich rechtfertigen muss.
Inwiefern?
Über mentale Erkrankungen zu sprechen, ist unheimlich wichtig. Mein Eindruck ist aber, dass Männer, die offen über ihre Depressionen sprechen, einen starken Zuspruch erhalten, während ich als Frau für meinen offenen Umgang mit mentalen Erkrankungen häufiger kritisiert werde. Das finde ich interessant und ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass ich als Influencerin betitelt werde. Es ist gut, dass immer mehr Männer über mentale Erkrankungen sprechen, doch während ihnen mit Schulterklopfen begegnet wird, wird mir vorgeworfen, Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Dabei geht es doch darum, mentale Erkrankungen aus der Tabuzone zu holen – egal welches Geschlecht die Betroffenen haben.
Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Mein Kalender sieht ganz anders aus als vor dem Burnout: Häufig überfordert es mich, mehrere Termine in der Woche zu haben. Ich bin nicht mehr so belastungsfähig und ich glaube, dass ich das auch nicht mehr sein werde und sein will. Natürlich bin ich dennoch dankbar für die Möglichkeit, auf meinem Kanal etwa einmal im Monat eine Kooperation durchführen zu können, denn meine Miete muss ich schliesslich trotzdem zahlen. Zu dem Burnout erhielt ich im vergangenen Jahr noch die Diagnose Depressionen, woraufhin ich mich damit befassen musste, wie es weitergehen kann.
Gibt es konkrete Ideen für die Zukunft?
Ich habe im vergangenen Jahr eine Weiterbildung zur Waldbaden-Kursleiterin gemacht, was mir grossen Spass gemacht hat. Insofern kann ich mir vorstellen, in diesem Bereich weitere Fortbildungen zu machen, immerhin hat mich die Natur schon immer interessiert und begeistert. Einen ultimativen Masterplan gibt es aber noch nicht. Was jedoch feststeht, ist, dass mein Freund und ich aus Berlin in meine Heimat Braunschweig ziehen werden. Ich werde meine Therapie beenden und weiter lernen, gut zu mir zu sein und nicht direkt wieder von null auf Tempo 100 zu beschleunigen. Ich möchte einfach wieder glücklich sein.
Wie definieren Sie glücklich sein?
Ich glaube, glücklich sein bedeutet für mich, in der nahen Zukunft nicht mehr auf Bühnen oder im Fernsehen zu sehen zu sein. Ich möchte im echten Leben wieder Menschen glücklich machen – und damit auch mich.
Über die Gesprächspartnerin
- Louisa Dellert ist Moderatorin, Autorin und Influencerin und erreicht in den sozialen Medien Hunderttausende Menschen.
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