Berlin (dpa) - Manchmal sieht es im Supermarkt aus, als hätte jemand einen Schrumpfstrahler ausgepackt. Snackpaprika, Minigurken, Babymöhren und winzige Bananen liegen in den Regalen. "Irgendwie niedlich", finden die einen.
"Eigentlich überflüssig", meinen andere. Michael Koch beobachtet für die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn, was sich im Handel tut. Der Trend zum Miniaturgemüse und Miniobst fing nach seiner Einschätzung mit den Tomaten an.
Eltern schmuggeln ihren Kindern solche Cocktailtomaten schon länger in die Brotdose. Auch andere greifen zu. Zuletzt waren etwa 40 Prozent der Tomaten, die Kunden für ihren privaten Haushalt kauften, kleine Sorten. 2012 habe der Anteil noch bei 31 Prozent gelegen, sagt Koch unter Berufung auf GfK-Marktforschungsdaten. "Da nimmt man den Trend vielleicht gar nicht mehr so wahr. Aber damit fing es an."
Mittlerweile gibt es auch andere kleine Gemüsesorten. Koch sieht dafür mehrere Gründe. Der erste hat mit gesundem Essen zu tun. Minipaprika und kleine Tomaten seien einfach praktisch, um sie zwischendrin als Snack zu essen, sagt Koch. Man braucht weder Messer noch Teller. Auch ein Sprecher der Supermarktkette Rewe sieht eine steigende Nachfrage nach Obst und Gemüse für zwischendurch.
In gut besuchten Filialen in den Städten sei die Nachfrage nach solchen vegetarischen Snacks höher als in ländlichen Gebieten, sagt der Rewe-Sprecher. Die Entwicklung gebe es schon länger. Edeka beobachtet, dass Kunden kleines Gemüse auch gerne zum Grillen nehmen. Die Supermarktkette bietet kleines Gemüse auch speziell für Kinder an. Und Aldi Nord weitet sein Obst- und Gemüsesortiment derzeit aus und setzt nach Angaben einer Sprecherin auch auf kleine Sorten. Man könnte natürlich auch grosse Möhren in Stifte schneiden. Oder die Paprika in Streifen. Aber so geht es schneller.
"Man unterstellt gerne, dass kleines Gemüse und kleines Obst etwas für junge Familien sind. Aber da liegt man ein bisschen falsch mit", sagt Koch. Sie hätten kleine Paprika unter die Lupe genommen. "Es sind alleinstehende Senioren, die da verstärkt zugreifen. Da ist vielleicht die kleine Packungsgrösse entscheidend. Man kann so öfter abwechseln und muss weniger wegwerfen."
Praktisch also für kleine Haushalte, so sieht es auch Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbands. Kleines Gemüse werde meist speziell gezüchtet. Das merke man auch bei Wassermelonen - da sei die Grösse ein Hindernis. "Da ist im Grunde jeder Konsument mit überfordert", sagt Brügger vor Beginn der Fruchthandelsmesse Fruit Logistica in Berlin. Deswegen finden sich im Sommer wieder Miniwassermelonen in den Läden.
Ein Beispiel für den Einfallsreichtum der Branche ist auch der "Bluccoli": Ein Berliner Discounter verkauft einen kleinen Brokkoli und einen kleinen Blumenkohl zusammen verpackt in einer Schale. Man bekommt also zwei verschiedene kleine Köpfe statt einen grossen. Dafür müssen Kunden aber mehr zahlen: 1,99 Euro kostet die 500-Gramm-Packung. Brokkoli allein kostet bei gleicher Menge 79 Cent.
Kleines Gemüse ist auch laut AMI-Zahlen oft teurer als grosses - und zwar deutlich. Grosse Rispentomaten kosteten Verbraucher im vergangenen Jahr durchschnittlich 2,25 Euro pro Kilogramm - Cocktailtomaten 4,65 Euro. Für normale Bananen zahlten Kunden durchschnittlich 1,32 Euro pro Kilogramm. Für kleine gelbe und rote Bananen mussten sie fast dreimal so viel ausgeben. Nicht alle Testkäufer finden, dass sich das lohnt. "Enttäuschend", sagt ein Kunde, "eher eine normale Banane in klein. Aber sie hat mich einfach neugierig gemacht."
Nicht alles, was im Kleinformat auf den Markt kommt, bleibt erfolgreich. Kleine Ananas beispielsweise wurden von privaten Haushalten zuletzt weniger gekauft. "Seit vier, fünf Jahren geht die Einkaufsmenge zurück", sagt Koch. "Das kann man sich aber auch erklären. Ich habe mit einer Babyananas optisch einen Hingucker. Aber ich muss die auch schälen, ich muss die Krone abschneiden und Würfel daraus schneiden. Da macht die Babyananas dann am Ende keinen Unterschied mehr." © dpa
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