Das Polyzystische Ovarsyndrom ist eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit bei Frauen. Fast jede zehnte Deutsche ist betroffen – trotzdem ist das Krankheitsbild weitgehend unbekannt. Ein Experte erklärt, was die Ursachen sind und ob eine Schwangerschaft trotzdem möglich ist.
Bartstoppeln, Haarausfall, Übergewicht und unregelmässiger Zyklus: Viele junge Frauen leiden unter Symptomen wie diesen. Eine mögliche Ursache dafür ist das Polyzystische Ovarsyndrom, kurz: PCO. Zwischen fünf und zehn Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter leiden an dieser Hormonerkrankung, Tendenz: steigend. Dennoch ist die Erkrankung weitgehend unbekannt.
Das mag auch daran liegen, dass die klassischen Symptome des PCO, wie eine unregelmässige Regel oder Akne, durch hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille verschwinden. Nicht immer wird dann den Ursachen für die Beschwerden auf den Grund gegangen. Doch spätestens, wenn eine Schwangerschaft geplant ist, wird PCO zum Problem – denn die Hormonerkrankung gilt als eine der häufigsten Ursachen von Unfruchtbarkeit.
Symptome und Diagnose: Woran merkt man, dass man PCO hat?
Es gibt eine ganze Reihe von Symptomen, die im Rahmen des PCO-Syndroms auftreten können. "Der klassische Fall ist, dass die betroffenen Frauen übergewichtig sind, einen Damenbart, Akne und Zyklusstörungen haben", sagt Prof. Dr. med. Christian Seifarth vom Zentrum für Endokrinologie und Stoffwechsel (ZES). Die Krankheit könne sich aber auch ganz anders darstellen – zum Beispiel ohne Übergewicht oder Akne. "Da gibt es ganz verschiedene Ausprägungen", sagt Seifarth.
Für die Diagnose des PCO-Syndroms müssen mindestens zwei von drei der sogenannten Rotterdam-Kriterien erfüllt sein:
- 1. Eine unregelmässige oder fehlende Regelblutung (Oligo- oder Amenorrhoe),
- 2. Viele kleine Follikel in den Eierstöcken (Polyzystische Ovarien),
- 3. Vermehrt männliche Hormone im Blut (Hyperandrogenämie) oder ein männliches Erscheinungsbild (Hyperandrogenismus) mit Symptomen wie Akne, vermehrter Körperbehaarung oder Haarausfall am Kopf.
Besteht der Verdacht, untersucht die Frauenärztin oder der Frauenarzt zunächst mit Ultraschall die Eierstöcke. Liegt PCO vor, kann dort eine Kette von mehreren, jeweils kleiner als ein Zentimeter grossen Zysten am Rand des Ovars zu sehen sein. Darüber hinaus werden verschiedene Hormonkonzentrationen im Blut sowie der Blutzuckerspiegel untersucht.
Was sind die Ursachen von PCO?
Die genauen Ursachen des PCO-Syndroms sind noch nicht vollständig geklärt. Expertinnen und Experten vermuten, dass die Neigung zu PCO vererbbar ist. Aber auch Umweltfaktoren dürfen eine Rolle spielen. Auffällig ist der Zusammenhang mit dem Körpergewicht: Drei von vier PCO-Patientinnen sind übergewichtig.
Übergewicht gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für Diabetes Typ 2 – und auch Frauen mit PCO-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Denn tatsächlich liegen die beiden Erkrankungen nah beieinander. Wie bei der Zuckerkrankheit ist auch bei PCO der Insulin-Stoffwechsel die Wurzel des Übels.
Das Hormon Insulin wird vom Körper ausgeschüttet, um Zucker aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Immer, wenn wir kohlenhydratreiche Lebensmittel wie zum Beispiel Brot oder Nudeln essen, steigt erst der Blutzuckerspiegel an und in der Folge der Insulin-Spiegel.
Durch eine sehr kohlenhydratreiche Ernährung werden die Zellen auf Dauer jedoch immer unempfindlicher gegen Insulin. Diese zunehmende Insulin-Resistenz versucht der Körper zu kompensieren, indem er noch mehr Insulin produziert. Das kann einerseits zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes führen, beeinflusst andererseits aber auch die Hirnanhangdrüse.
Dort werden zwei für die Eierstöcke wichtige Hormone produziert:
- LH (luteinisierendes Hormon), das den Eisprung auslöst, und
- FSH (Follikel-stimulierendes Hormon), das für die Progesteron-Produktion zuständig ist.
Durch die Insulin-Störung wird das Verhältnis der beiden Hormone verändert. "Das führt dazu, dass die Eierstöcke fehlerhaft stimuliert werden", sagt Seifarth. Bei den vielen kleinen Zysten in den Eierstöcken, die namensgebend für das Krankheitsbild sind, handelt es sich tatsächlich um Eizellen.
"Bei PCO bereitet sich nicht eine Eizelle zum Eisprung vor, wie es normalerweise der Fall ist, sondern zum Beispiel zehn. Sie alle versuchen zum Eisprung zu kommen, aber keine schafft es", sagt Seifarth. Die Insulin-Resistenz begünstigt zudem Übergewicht und fördert die Produktion männlicher Hormone. Ein Teufelskreis.
Behandlung: Was passiert, wenn PCO nicht behandelt wird?
Weil der Eisprung nicht mehr zuverlässig jeden Monat stattfindet, ist es für PCO-Patientinnen sehr schwierig, schwanger zu werden. "Grundsätzlich ist die Fruchtbarkeit bei Frauen mit PCO reduziert, insbesondere, wenn sie nicht behandelt wird", sagt Seifarth.
Auch heute noch wird PCO häufig mit der Antibabypille behandelt. Bei einem Kinderwunsch ist das aber keine Lösung. In diesem Fall kommt ein Medikament aus der Diabetes-Medizin zum Einsatz. "Mit Metformin kann eine normale Fruchtbarkeit erreicht werden", sagt Seifarth.
Das Medikament stellt die Insulin-Empfindlichkeit der Zellen wieder her. Der Körper muss also weniger Insulin produzieren, um den Zuckerspiegel zu senken. "Das führt auch dazu, dass es in der Hirnanhangdrüse nicht mehr zu dieser Fehlregulierung kommt. Zyklus und Eierstöcke funktionieren wieder normal." Es ist also trotz PCO-Syndrom möglich, ein Kind zu bekommen.
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Auch das Diabetes-Risiko, das bei PCO-Patientinnen deutlich erhöht ist, sinkt durch die Therapie mit Metformin. Zudem bewirkt das Medikament im Gegensatz zur Antibabypille eine Gewichtsabnahme. "Der Effekt ist zwar nicht so stark wie bei der sogenannten Abnehmspritze, aber sechs Kilo in einem halben Jahr können Sie damit durchaus abnehmen", sagt Seifarth.
Die Behandlung mit Metformin ist allerdings eine langfristige Therapie: Das Medikament wird bis in die zwölfte Schwangerschaftswoche hinein verabreicht. "Durch die Schwangerschaft werden die Hormone neu sortiert. Oft verschwindet das PCO-Syndrom durch die Schwangerschaft", sagt Seifarth. Wenn nicht, kann danach die Pille eingenommen oder, wenn weitere Kinder geplant sind, die Metformin-Behandlung fortgesetzt werden.
Was können PCO-Betroffene noch tun?
Wie bei Typ-2-Diabetes ist es auch bei PCO entscheidend, auf die Ernährung zu achten und Normalgewicht zu halten. Denn wenn das hormonproduzierende Bauchfett schmilzt, reagieren die Zellen wieder sensibler auf Insulin.
Studien hätten gezeigt, dass sich PCO mit einer radikal kohlenhydratreduzierten Diät tatsächlich gut in den Griff bekommen lässt, sagt Seifarth. "Aber das ist in den wenigsten Fällen realistisch, weil die Menschen das auf Dauer gar nicht durchhalten." Schuld daran ist nicht etwa mangelnde Disziplin, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Hormonen und Nervensystem: Nehmen wir ab, stellt der Körper auf Energiesparen um und verteidigt jedes Kilo.
Aus evolutionärer Sicht ein genialer Überlebenstrick – in einer Überflussgesellschaft ein wahrer Fluch. "So wie Diabetes und Adipositas in der Gesellschaft den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben, so hat auch PCO zugenommen", sagt Seifarth. Dass Übergewicht allein für die Entstehung von PCO verantwortlich ist, sei jedoch falsch. Denn auch schlanke Frauen ohne Insulin-Resistenz können an PCO erkranken.
Auch wenn PCO nicht heilbar ist und sich ohne Medikamente nur schwer behandeln lässt, können die Symptome durch eine Ernährungsumstellung deutlich gemildert werden. "Eine gesunde Ernährung ist aus vielen Gründen eine gute Idee, aber auch bei PCO ist das auf jeden Fall zielführend", sagt Seifarth.
Über den Gesprächspartner:
- Prof. Dr. med. Christian Seifarth ist Internist, Endokrinologe und Diabetologe und Gründer des Zentrums für Endokrinologie und Stoffwechsel (ZES) mit mehreren Standorten in Bayern.
Medizin-Berichterstattung
Redaktioneller Hinweis
- Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
Verwendete Quellen
- Universitätsklinik Bonn: Das PCO-Syndrom
- Universitätsspital Zürich: PCO-Syndrom
- MSD Manual: Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
- Teede et al., 2023, European Journal of Endocrinology Recommendations from the 2023 international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome
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