Wie homophob geht es in deutschen Arztpraxen zu? Die NDR-Reportage "Die Schwulenheiler" des Magazins "Panorama" ist genau dieser Frage nachgegangen, mit erschreckenden Ergebnissen. Einige Ärzte bieten Homosexuellen sogar Therapien gegen ihre "psychische Erkrankung" an – und rechnen diese mit den Krankenkassen ab.
Können Schwule mit einer "Dämonenaustreibung" umgepolt werden – und das in deutschen Arztpraxen, auf Kassenkosten? Diese unglaublichen Vorwürfe sind anscheinend Realität, wie "Panorama"-Reporter Christian Deker bei seinen Recherchen herausgefunden hat.
Heterosexuell auf Kosten der Krankenkasse
Deker ist selbst homosexuell und besucht für seine Reportage Ärzte, die sich in strenggläubig christlichen Kreisen bewegen. Er will wissen, ob es möglich ist, sich von seiner Homosexualität therapieren zu lassen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Dem ARD-Reporter werden diverse Behandlungen vorgeschlagen, unter anderem eine Psychotherapie oder Gebete, die seine Homosexualität in Heterosexualität verändern sollen – voll abrechenbar auf die Krankenkasse, wie der Reporter vom Vorsitzenden des Bundes Katholischer Ärzte, Dr. Gero Winkelmann, erfährt. Allerdings müssen die Ärzte dafür etwas "tricksen", wie Winkelmann im Interview zugibt. Ärzte diagnostizierten dazu beispielsweise eine "psychische Störung" oder eine "lebensverändernde Erkrankung", dann würden die Kassen auch zahlen.
Solche "Umpolungstherapien" können für Betroffene ernsthafte Konsequenzen haben. Die Bundesärztekammer warnt vor den gravierenden Folgen der Konversionsbehandlungen, genau wie Lieselotte Mahler, Psychiaterin an der Berliner Charité und Leiterin des Referats für sexuelle Orientierung bei der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie: "Das Gefühl, in der Therapie versagt zu haben, kann zu tiefen Depressionen und Angststörungen bis hin zu Selbstmorden führen."
Kassen halten sich bedeckt
Gesundheitsgefährdende Psycho-Behandlungen auf Kassenkosten? Auf Anfrage des NDR-Magazins, wie man mit dieser Art von Therapie umgehe und ob eine Abrechnung bewilligt würde, halten sich die Krankenkassen bedeckt. Ob die Abrechnung zulässig ist, sei eine rechtliche Frage und könne nicht vom Verband geklärt werden, antwortet der Verband der Privaten Kassen. Auch die grossen gesetzlichen Kassen geben keine klare Antwort, verweisen stattdessen auf "komplexe Genehmigungsprozesse". Endgültig verneint wird die Frage allerdings von keinem Ansprechpartner.
Die "Panorama"-Reportage "Die Schwulenheiler" ist am Donnerstag ab 21:45 Uhr in der ARD zu sehen.
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