- Fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat zu hohe Blutdruckwerte – und viele wissen nichts davon.
- Eine neue Studie zeigt, dass insbesondere eine unbehandelte Bluthochdruckerkrankung mit einem höheren Risiko für schwere COVID-19-Verläufe einhergeht.
- Die medikamentöse Bluthochdrucktherapie schien hingegen das Risiko für schwere entzündliche Verläufe der Viruserkrankung zu senken.
Bluthochdruck gilt als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf – das ist bereits seit der ersten Welle der SARS-CoV-2 Pandemie bekannt. In Deutschland hat fast jeder dritte Erwachsene zu hohe Blutdruckwerte, bei den über 60-Jährigen ist im Durchschnitt sogar jeder Zweite von Bluthochdruck betroffen.
Daher liegt es auf der Hand, dass viele schwerkranke COVID-19-Patienten, unter denen prozentual viel mehr ältere Menschen sind, auch häufiger Bluthochdruck aufweisen. Mit diesem Argument wurde Bluthochdruck als relevanter COVID-19-Risikofaktor oftmals weniger beachtet.
Anfangs standen auch blutdrucksenkende Arzneimittel als Ursache für ein erhöhtes Risiko schwerer Erkrankungen an COVID-19 in Verdacht. Doch in einer aktuellen in "Nature Biotechnology" publizierten, experimentellen Studie wurde nun deutlich, dass Bluthochdruck durchaus ein eigenständiger Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe sein kann – und eine geeignete medikamentöse Bluthochdruck-Behandlung das Risiko stattdessen deutlich reduziert.
Studie zu Bluthockdruck und SARS-CoV-2: Starke Enzündungsreaktionen
Für die Studie untersuchte ein Wissenschaftlerteam aus 16 deutschen Unikliniken und Forschungsinstituten (unter anderem die Charité Berlin und das Universitätsklinikum Leipzig) klinische Daten sowie Laborergebnisse aus Nase-Rachen-Abstrichen von Probanden mit und ohne COVID-19-Infektion. Dabei zeigte sich: In den Immunzellen der Studienteilnehmer mit erhöhtem Blutdruck waren ausgeprägtere Entzündungsreaktionen zu beobachten als bei jenen mit normalen Blutdruckwerten.
Gerade diese Aktivierung spezieller Immunzellen kann den Forschern zufolge bei einer Erkrankung an COVID-19 fatale Folgen haben kann. Diese bereits laufende chronische Infektionsreaktion der Zellen führt dann mutmasslich zu einer überschiessenden Reaktion des Immunsystems und begünstigt so die besonders schweren Krankheitsverläufe. "Wenn das Immunsystem bereits dauerhaft aktiviert ist, kann das bei einer akuten Entzündung dazu führen, dass der Körper nicht mehr normal darauf reagieren kann", erklärt Dr. Maria Theresa Völker vom Universitätsklinikum Leipzig.
Die verstärkte Entzündungsreaktion stand laut Angaben der Wissenschaftler auch im Zusammenhang mit einem längeren Zeitraum bis zur Virusfreiheit und einer höheren Anfälligkeit für schwerere Atemwegsinfektionen bei den Teilnehmenden mit Bluthochdruck.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in unserem Live-Blog
Medikamente können Risiko bei Bluthockdruck-Patienten reduzieren
"Die Studie zeigte aber auch, dass eine medikamentöse Blutdrucktherapie einen positiven Effekt hatte", so Professor Dr. Ulrich Wenzel vom UKE Hamburg, Vorstandsvorsitzender der DHL Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention. Bei dem Vergleich zwischen den Teilnehmenden, die gegen ihren Bluthochdruck Medikamente einnahmen, und denjenigen, die keine Medikamente einnahmen, sei ein deutlicher Unterschied erkennbar gewesen.
So hätte durch die Einnahme von ACE-Hemmern oder sogenannten AT1-Blockern, beides Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck, das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf merklich reduziert werden können. Allerdings sei das Ausmass der Reduktion unterschiedlich ausgefallen. Während durch AT1-Blocker nur eine leichte Reduktion des Risikos für schwere COVID-19-Verläufe beobachtet wurde, konnte durch die Einnahme von ACE-Inhibitoren das Risiko nahezu komplett aufgehoben werden, berichten die Forschenden.
Experte: "Zu viele wissen nichts von ihrem hohen Blutdruck"
Direkte Therapieempfehlung seien aus den Ergebnissen jedoch bisher nicht ableitbar. "Die Zahl der Studienteilnehmer war zu klein und die Studie auch gar nicht dafür ausgelegt, um verschiedene blutdrucksenkende Therapien im Hinblick auf ihr 'Anti-COVID-19-Potenzial' vergleichen zu können", so der Hamburger Experte.
Dennoch gebe es eine wesentliche Erkenntnis dieser Untersuchung: "Bluthochdruck ist ein eigenständiger Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe, wenn er nicht behandelt wird." Dabei betont Wenzel: "Wir hoffen, dass diese zentrale Botschaft Patientinnen und Patienten motiviert, ihre Blutdruckmedikamente konsequent einzunehmen!"
Sein Vorstandskollege, Professor Dr. Florian Limbourg, ergänzt: "Leider ignorieren viele Menschen ihre erhöhten Blutdruckwerte und einige ahnen auch nicht, dass sie überhaupt einen zu hohen Blutdruck haben."
Deshalb sei es umso wichtiger, die Bevölkerung für Bluthochdruck zu sensibilisieren, um gefährlichen Folgeschäden, darunter Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenversagen - und, wie nun gezeigt wurde, auch eine erhöhte Anfälligkeit für schwere COVID-19-Verläufe -, durch eine entsprechende Behandlung entgegenzuwirken.
Verwendete Quellen:
- Nature Biotechnology: Hypertension delays viral clearance and exacerbates airway hyperinflammation in patients with COVID-19
- Berlin Institute of Health (BIH): Immunüberreaktion erklärt schweren COVID-19 Verlauf bei Patient*innen mit Bluthochdruck - Können ACE-Hemmer helfen?
- Deutsche Hochdruckliga: Ein unbehandelter Bluthochdruck erhöht das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.