Ästhetische Operationen im Intimbereich sind ein heiss diskutiertes Thema. Für Korrekturen an Schamlippen oder Venushügel legen sich immer mehr Frauen unters Messer. Ist das der Gipfel des weiblichen Schönheitswahns?
Die Ergebnisse der Suchmaschinen zum Stichwort "Intimchirurgie" sind zahlreich, etliche Kliniken und plastische Chirurgen haben sich bereits auf Eingriffe im weiblichen Genitalbereich spezialisiert. Die Angebotspalette reicht von Schamlippenvergrösserung, Schamlippenverkleinerung, Vaginalstraffung nach einer Geburt, Venushügelkorrektur bis hin zur G-Punkt-Intensivierung für Frauen, die Orgasmusprobleme haben.
Ein Trend? Ja, findet Dr. Stephan Günther von der Deutschen Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V. (DGintim): "Die Anzahl der Operationen nimmt laut statistischen Erhebungen etwa seit dem Jahr 2000 stetig zu." Dem widerspricht Prof. Dr. Matthias W. Beckmann, Direktor der Frauenklinik Erlangen und Beirat der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG). Er vermutet eher, dass die Schönheitsindustrie den Anschein erwecken will, dass ästhetische Eingriffe im Intimbereich angesagt seien: "Die Nachfrage steigt meiner Meinung nach weit weniger an, als es von Interessensvertretern und auch Medien behauptet wird. Vieles ist da Hörensagen! Eindeutige Zahlen gibt es nicht dazu."
Woher kommt das intime Schönheitsideal?
Zahlen hin oder her: In der Öffentlichkeit wird das Thema Intimkorrektur kontrovers diskutiert. Vielfach werden Operationen im Genitalbereich als Gipfel des weiblichen Schönheitswahns kritisiert. Eine operative Abflachung des Venushügels rein um der Ästhetik Willen etwa empfindet Prof. Dr. Beckmann als "Unding". Und auch die DGGG warnt: Risikoeinschätzungen und Komplikationsraten solcher Operationen würden fehlen oder würden teilweise verharmlost.
Doch woher haben Frauen die Vorstellung des perfekten Intimbereichs? Dass das vermeintliche Ideal durch Pornos vermittelt wird, bestreitet der Chirurg Dr. Stephan Günther. "Sie vergleichen sich eher mit anderen Frauen in öffentlichen Duschen oder im Fitnessstudio." Der Gynäkologe verfolgt eine andere Theorie: "Die Frauen rasieren sich häufiger im Intimbereich. So werden die Schamlippen und die Klitoris sichtbar – und damit auch zu einem ästhetischen Instrument", erklärt Beckmann.
Möglichst klein, möglichst jugendlich
Beide Experten sind sich einig, wenn es darum geht, was die Frauen als schön empfinden: Die Genitalien sollen klein, eher jugendlich und nicht aufdringlich sein. Am häufigsten stören sich die Frauen daher an sehr grossen, hängenden Schamlippen. Einer Umfrage der DGintim zufolge finden mehr als 30 Prozent der befragten Frauen ihre Genitalien "hässlich". Die Scham führe auch zu sexuellen Problemen: "Bei mir gehen alle Beziehungen kaputt, weil ich Angst vor dem Geschlechtsverkehr habe, da es dem Partner nicht gefallen könnte", erläutert eine 20-jährige Teilnehmerin der Studie.
Ob diese Angst die Risiken einer Operation rechtfertigt, wagen Experten zu bezweifeln. Nach dem Eingriff können beispielsweise Entzündungen auftreten, in einigen Fällen kann auch das sexuelle Empfinden leiden. Wenn die Ursache der Angst nicht objektiv in der Realität begründet ist, sondern andere psychische Ursachen hat, kann sie womöglich auch nicht durch eine OP gelindert werden. "Es liegen keine wissenschaftlichen Daten vor, die nachweisen, dass diese Eingriffe zu anhaltenden psychischen Verbesserung führen", erklärt die DGGG in einem Statement.
Verletzungen und Probleme beim Sex: Wann eine OP sinnvoll sein kann
Auf der Liste der intimen Eingriffe sind aber auch Scheidenstraffungen und G-Punkt-Intensivierungen zu finden. "Scheidenoperationen werden zum Beispiel bei Frauen durchgenommen, die ein Kind geboren haben", erklärt der Direktor der Erlanger Frauenklinik. "Die Scheide kann zu gross sein und dann fehlt beim Sex die Reibung für den Penis." Doch hier müsse ein klarer Unterschied gemacht werden: Dieser Eingriff sei funktional und nicht ästhetisch begründet. "Und wenn die Frau diesen Wunsch hat, dann sollte man ihn auch unterstützen."
Solch ein funktionaler Eingriff kann auch bei stark vergrösserten oder hängenden Schamlippen Sinn machen: Durch sie kann es beim Sport oder Sex zu Schmerzen und Verletzungen kommen. "Wenn beispielsweise eine Reiterin zu mir in die Praxis kommt, weil sie schon mehrmals eingerissene Schamlippen und chronische Infektionen hat – was soll man dann dagegen sagen?", erläutert Prof. Dr. Matthias W. Beckmann. Bei G-Punkt-Intensivierungen zweifelt der Gynäkologe hingegen, ob damit der gewünschte Effekt erreicht werden kann: "Es gibt keine Studien dazu, inwiefern diese Operation Sinn macht. Ich kann mir das jedenfalls nicht vorstellen."
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