Ob Sportler oder Spaziergänger - Beschwerden an der Achillessehne können jeden treffen. Warum gerade diese Sehne so empfindlich ist und wie man Verletzungen gezielt vorbeugen kann.

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Seit der griechischen Mythologie gilt sie als Symbol für Verwundbarkeit, und auch heute noch wird sie oft auf die Probe gestellt, sei es beim Laufen, Springen oder schon bei ungewohnten Alltagsbelastungen: die Achillessehne. Ob beim Joggen, Tennisspielen oder sogar im Alltag: Die Belastungen, denen sie standhalten muss, sind enorm. Kein Wunder also, dass Beschwerden rund um die Achillessehne weit verbreitet sind - und längst nicht nur ambitionierte Sportler betreffen. Warum gerade diese mächtige Sehne so empfindlich ist und wie man ihre Kraft bewahren kann, erklärt Dr. Thomas Schneider im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Warum ist die Achillessehne besonders anfällig für Verletzungen?

Dr. Thomas Schneider: Die Achillessehne ist die kräftigste Sehne im Körper des Menschen. Sie ist durchschnittlich 20 bis 25 cm lang und verbindet (als gemeinsame Endsehne des dreiköpfigen Wadenmuskels) die Wadenmuskulatur über ihren Ansatz am Fersenbein mit dem Fuss. Dadurch können wir überhaupt erst unsere Fersen hochheben und abrollen. Laufen oder springen wir, so wirken bei jedem Schritt Kräfte auf die Achillessehne, die das zehnfache des eigenen Körpergewichts überschreiten können. Noch höher sind diese Kräfte bei Sprungbelastungen. Kein Wunder also, dass die Achillessehne schon in der griechischen Mythologie als Schwachstelle galt, die bereits dem eigentlich unbesiegbaren Achilleus zum Verhängnis wurde.

Warum macht sie auch bei Nichtsportlern immer wieder Probleme?

Dr. Schneider: Längst nicht immer sind sportliche Ambitionen Ursache einer Achillessehnenentzündung, medizinisch Achillodynie genannt. Sehr häufig sind insbesondere untrainierte Menschen betroffen, die ihre Sehnen durch aussergewöhnliche Belastungen überfordern.

Senk- und Plattfüsse, X-Beine oder lockere Sprunggelenke können ebenfalls Auslöser einer Achillessehnenentzündung sein. Hin und wieder liegt es auch an unterschiedlichen Beinlängen, zu kurzen Waden- und Achillessehnenmuskeln oder schlicht den falschen Schuhen.

Welche Faktoren begünstigen die Verletzung?

Dr. Schneider: Je stärker die Sehne belastet wird, desto mehr verdreht sie sich und wird hierbei schlechter durchblutet. Dass dies bei dauernder Fehlbelastung und zu kurzen Regenerationszeiten schmerzhafte Auswirkungen haben kann, liegt eigentlich auf der Hand.

Neben regelmässigen Übungen ist es wichtig, schon die ersten Warnzeichen wie etwa ein Zwicken, dumpfe oder stechende Schmerzen ernst zu nehmen. Fussball- und Tennisspielen sowie Läufe sind dann erst einmal tabu. Stattdessen sollte man auf sehnenschonende Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren umsteigen.

Welche Sportarten oder Bewegungen belasten die Achillessehne besonders?

Dr. Schneider: Betroffen von Beschwerden der Achillessehne sind sehr häufig Jogger und andere Läufer. Der einfache Grund für die Verletzungshäufigkeit: Wenn wir laufen oder springen, wirken, wie bereits ausgeführt, enorme Kräfte auf diese Verbindung zwischen Wadenmuskulatur und Fuss. Schlechte, vor allem zu harte Bodenuntergründe oder ein mangelhafter Laufstil erhöhen die Verletzungsgefahr.

Problematisch sind auch Fussball oder Tennis aufgrund der ruckartigen Stoppbewegungen.

Kann man die Achillessehne gezielt stärken, um Verletzungen vorzubeugen?

Dr. Schneider: Eine gut gedehnte Wadenmuskulatur entlastet die Achillessehne und schützt vor Verletzungen. Wichtig dabei: gut aufwärmen, aber erst nach dem Sport dehnen. Zusätzlich ist es ratsam, die Achillessehne beim Training durch geeignete Orthesen oder Strümpfe warmzuhalten - und das zu jeder Jahreszeit. Die beste Präventivmassnahme ist allerdings mehr Rücksichtnahme auf den eigenen Körper, um Fehl- oder Überlastungen zu vermeiden.

Um die Achillessehne zu trainieren, empfiehlt sich beispielsweise folgende Übung: Mit dem Vorfuss auf eine Treppenstufe stellen und auf die Zehenspitze gehen. Diese Position zwei Sekunden halten. Den Fuss nun langsam etwa vier Sekunden lang unter das Niveau der Stufe hinaus senken, die Position zwei Sekunden halten. Die Übung etwa 15 mal langsam wiederholen, am besten zweimal täglich. Dabei vorsichtig bis zur Schmerzgrenze gehen.

Was sind die ersten Anzeichen, dass die Achillessehne nicht mehr mitmacht?

Dr. Schneider: Meist ist die Entwicklung schleichend. Aus dem anfänglichen Zwicken in der Achillessehne werden mit der Zeit stechende Schmerzen. Diese treten nicht nur unter Belastung, sondern auch in Ruhe auf. Hinzu kommt eine druckschmerzhafte Empfindlichkeit und Verdickung der Achillessehne oder ihres Gleitgewebes. Klarheit bringen manuelle Untersuchungen sowie Ultraschall und gegebenenfalls MRT.

Was ist zu unternehmen, wenn die Achillessehne reisst? Muss die Verletzung sofort behandelt werden?

Dr. Schneider: Meist deutet ein Knall, ähnlich einem Peitschenhieb, auf eine solche Verletzung hin. Kurze heftige Schmerzen der Achillessehne und anschliessende Kraftlosigkeit sind weitere Anzeichen. Eine bewährte Erste-Hilfe-Sofort-Massnahme ist die PECH-Regel. Das bedeutet "Pause" (Bein ruhen lassen), "Eis" (Eisbeutel oder andere Kühlung), "Compression" (elastischer Druckverband) und "Hochlagern" des Beins (verhindert weitere Schwellungen oder Einblutungen).

Darüber hinaus sollte möglichst umgehend ein Orthopäde oder Unfallchirurg die Verletzung untersuchen. In den weitaus meisten Fällen wird operiert - vor allem bei jungen, sportlichen Menschen. So lässt sich am besten eine sichere Annäherung der beiden Sehnenstümpfe und somit eine hohe Stabilität gewährleisten.

Über den Experten:

Dr. Thomas Schneider ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Akupunktur, manuelle Therapie. Der Fuss- und Sprunggelenkspezialist leitet das Bewegungs- und Ganganalysezentrum der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Seit Jahren beschäftigt sich der Mediziner zudem auch als Buchautor (u.a. "Wenn die Ferse schmerzt", riva Verlag) sowie TV-Experte mit dem Thema Gehen. (ncz/spot)  © spot on news