• Mit anderen Menschen zu sprechen, ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Austauschs.
  • Wenn der Redefluss durch Stottern gestört ist, können Betroffene stark darunter leiden.
  • Welche Ursache liegt hinter der Störung? Und warum gibt es Menschen, die beim Sprechen stottern, nicht aber beim Singen?

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Dem Stottern liegt an sich keine schwerwiegende Erkrankung zugrunde. Betroffene können dennoch stark darunter leiden. In Extremfällen kommt es vor, dass Stotternde gar nicht sprechen wollen und sich sozial weitgehend isolieren. Dabei gibt es zahlreiche Beratungsangebote, durch die Betroffene mindestens einen sinnvollen Umgang mit der Störung erlernen können.

Die Disposition für das Stottern ist genetisch bedingt. "Das heisst, man kann Eltern sagen, es ist weder ein Erziehungsfehler noch müssen sie denken, dass ihr Kind ein psychisches Problem hat", sagt Patricia Sandrieser. Die Logopädin berät seit rund 30 Jahren Stotternde und deren Angehörige.

Die Sprechplanung, das gedankliche Bilden eines Satzes, ist bei Betroffenen in der Regel ungestört. Doch der Weg zur motorischen Ausführung – also zum eigentlichen Sprechen – ist störanfällig. Dabei sind Betroffene grundsätzlich fähig, flüssig zu sprechen. Der Redefluss ist lediglich in bestimmten Situationen gestört.

Triggerfaktoren lösen Stottern aus

"Es gibt sogenannte Triggerfaktoren, zum Beispiel die Sprechgeschwindigkeit oder die linguistische Komplexität", so Sandrieser. Das erklärt auch, warum Betroffene beim Singen oder beim Sprechen auswendiggelernter Texte als Schauspieler nicht stottern.

"Beim Singen haben Sie keine linguistische Komplexität, denn Sie müssen den Satz ja nicht erst im Kopf planen, Sie kennen den Liedtext auswendig. Und Singen erfolgt in der Regel deutlich langsamer als Spontansprache."

Die körperliche Verfassung spielt ebenfalls eine Rolle, wann Stotterereignisse auftreten. Weil sie häufig zu beobachten sind, wenn Betroffene erregt oder angespannt sind, wird oft fälschlicherweise angenommen, dass das Stottern psychische Ursachen habe.

"Es ist ein selbstverstärkendes System, dass Jugendliche und junge Erwachsene in den Situationen, in denen sie am liebsten nicht stottern wollen, so aufgeregt sind, dass sie fast sicher sein können, dass das Stottern kommt", so Sandrieser. Die Ursache sei jedoch immer eine neurologische und keine psychische.

Therapiemöglichkeiten beim Stottern

Das Stottern gehört zu den am besten erforschten logopädischen Störungsbildern. Wenn Betroffene darunter leiden, können sie nach eingehender Diagnostik und Beratung aus verschiedenen Therapieformen wählen.

Für Eltern sei es wichtig zu wissen, dass das Stottern meist im Alter zwischen zwei und fünf Jahren beginne. "Wir erleben viele Eltern, die eine grosse Not haben, weil das Stottern nicht ernst genommen wird, weil das Kind noch so jung ist", sagt Sandrieser.

Die Chancen einer gänzlichen Heilung sind am höchsten, so lange das Stottern weniger als zwei Jahre anhält. Eltern lägen in der Regel richtig, wenn sie bei einem Kleinkind annähmen, dass es stottert. "Sie haben ein Anrecht auf eine frühe Diagnostik und Beratung und sollten sich auf keinen Fall noch zwei, drei Jahre hinhalten lassen, wenn sie besorgt sind", betont die Expertin.

Gutes Leben mit Stottern

Stottern kann jedoch nicht immer geheilt werden. Insbesondere im Erwachsenenalter sind die Erfolgsaussichten gering, die Störung völlig zu beheben. Betroffene können aber lernen, gut mit der Störung zu leben.

"Der Grund, warum Stotternde leiden oder ausgegrenzt werden, sind nicht die Stotterereignisse, sondern es ist üblicherweise das sogenannte Begleitverhalten", weiss Sandrieser. Betroffene versuchen intuitiv, die Blockade zu lösen, indem sie beispielsweise ihre Extremitäten ruckartig bewegen oder die Augen zusammenkneifen.

Viele versuchen mit sprachlichen Umwegen ihr Stottern zu verbergen, indem sie bestimmte Wörter vermeiden oder Passagen spontan umbilden. Die Ausdrucksweise kann auf Gesprächspartner, die nicht wissen, dass ein Stottern die Ursache ist, befremdlich wirken. Bei Kindern kommt es vor, dass Lehrer sie als uninteressiert oder unwissend einstufen, weil sie nicht gern sprechen oder sich ungewöhnlich ausdrücken.

Von einer fundierten Diagnose und Beratung können Stotternde jeden Alters profitieren. Das Therapieziel muss nicht immer die völlige Heilung sein. Betroffene können laut Sandrieser auch lernen, das Stottern besser zu kontrollieren oder einen guten Umgang damit zu finden, um im Alltag weniger Einschränkungen zu erleben.

Über die Expertin:

Dr. Patricia Sandrieser ist promovierte Logopädin und Leiterin der Abteilung Klinische Logopädie am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Patricia Sandrieser
  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: Leitlinie Redefluss-Störungen
  • Deutscher Bundesverband für Logopädie: Stottern
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