Massagepistolen sind beliebt zur Muskelregeneration und Entspannung. Aber sind sie auch unbedenklich? Ein Experte gibt wichtige Hinweise zur richtigen Anwendung - und warnt vor möglichen Risiken.
Der Nacken ist verspannt, die Oberschenkel zwicken vom Beintraining: Mit einer Massagepistole lassen sich solche Muskelschmerzen einfach wegmassieren. Das versprechen zumindest die Hersteller der beliebten Geräte.
Hartmut Bork, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Chefarzt eines Reha-Zentrums, steht der Nutzung von Massagepistolen grundsätzlich positiv gegenüber: "In der Sportmedizin werden Massagepistolen schon seit vielen Jahren genutzt. Man kann sie auch als Laie zur Muskelregeneration und Entspannung anwenden."
Mittlerweile werden Massagepistolen nicht mehr nur von Profis eingesetzt. Es gibt sie auch günstig im Discounter, Fachhandel oder Internet zu kaufen.
Massagepistolen – effektiv, aber nicht überall
Die Geräte, die optisch an einen Akkuschrauber erinnern, sind für gewöhnlich mit verschiedenen Aufsätzen erhältlich. Diese Aufsätze werden gezielt auf der zu behandelnden Muskelpartie platziert. Durch Vibrationen und Schläge in unterschiedlicher Intensität sollen die Durchblutung gefördert, Muskelverspannungen gelöst und die Regeneration nach sportlicher Aktivität beschleunigt werden.
Zwischen 30- und 60-mal pro Sekunde hämmern die Geräte dabei auf Haut und Gewebe. Zum Vergleich: Ein Specht schafft 20 Schläge pro Sekunde.
Erhöhtes Schlaganfallrisiko: Tabuzone Hals
Trotz dieser hohen Intensität ist die Nutzung von Massagepistolen laut Bork grundsätzlich sicher. Voraussetzung sei allerdings, dass man die Geräte korrekt anwendet. Problematisch könne es beispielsweise werden, wenn Massagepistolen an den falschen Körperstellen angesetzt werden: "Massagepistolen sind für Muskeln gedacht. Nicht für Gelenke, Knochen, innere Organe oder über Gefässen und Nerven."
Vor bleibenden Schäden müsse man sich zwar nicht fürchten. Die direkte Stimulation dieser Bereiche sollte aber dennoch unterbleiben, denn die unsachgemässe Anwendung kann zu Schmerzen führen.
Der Kopf- und Halsbereich ist ebenfalls tabu: "Durch die Vibrationen der Pistole können sich prinzipiell bei älteren Personen Ablagerungen aus den Gefässen lösen und das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen", so Bork.
Auch schwangere Personen, Krebspatientinnen und -patienten sowie Menschen mit künstlichen Gelenken oder Herzschrittmachern sollten von einer Selbstbehandlung mit einer Massagepistole ohne vorherige Absprache mit ärztlichem Fachpersonal unbedingt absehen.
Massagepistolen: Richtig anwenden, Risiken vermeiden
Massagepistolen versprechen zwar schnelle Hilfe bei Verspannungen und Muskelkater, doch dafür ist die richtige Anwendung entscheidend. Wichtig ist, langsam zu beginnen und die Intensität sowie Frequenz schrittweise zu erhöhen. "Zudem ist es wichtig, die geeigneten Aufsätze für den Zielbereich auszuwählen", betont Bork.
Bei schwer erreichbaren Stellen wie dem Rücken empfiehlt sich die Unterstützung durch eine zweite Person, um eine gezielte und schonende Anwendung zu gewährleisten.
Grundsätzlich verwendet man grössere, weiche Kugeln oder flache Aufsätze für empfindliche und grossflächigere Bereiche, härtere Spitzen für tiefer liegendes Gewebe. "Man sollte darauf achten, dass das körperliche Gefühl dabei gut und angenehm ist. Dann kann man langsam die Intensität steigern. Bei Schmerzen sollte man sofort reduzieren oder die Behandlung stoppen."
Da Massagepistolen keine Medizinprodukte sind, unterliegen sie nicht den strengen Prüf- und Zulassungsverfahren, die für medizinische Geräte vorgeschrieben sind. Ihre Sicherheit und Wirksamkeit werden daher oft nicht durch unabhängige, wissenschaftlich fundierte Studien belegt.
Besonders bei medizinischen Diagnosen, wie beispielsweise einer Schleimbeutelentzündung oder dem Karpaltunnelsyndrom, sollte eine professionelle medizinische Behandlung keinesfalls durch eine Selbstbehandlung mit der Massagepistole ersetzt werden – auch wenn Hersteller dies durch ihre Werbung teilweise suggerieren.
"Massagepistolen zum Eigengebrauch können maximal eine Ergänzung, aber keine Alternative zur gezielten Therapie durch Fachpersonal sein", betont auch Bork.
Auswahl eines hochwertigen Geräts
Bei der Auswahl einer hochwertigen Massagepistole sollten Interessierte auf bestimmte Kriterien achten, um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten. Besonders wichtig sei es, dass die Frequenz und Intensität des Geräts individuell einstellbar sind, um die Behandlung schrittweise anpassen zu können, so der Experte.
Zudem sollte das Gerät verschiedene Aufsätze bieten, die auf unterschiedliche Muskelpartien und Bedürfnisse zugeschnitten sind. "Eine gute Massagepistole sollte flexibel einsetzbar und für unterschiedliche Körperregionen geeignet sein", erklärt Bork. "Ich würde immer empfehlen, sie vor dem Kauf im Geschäft zu testen."
Wer zu Hause eine Massagepistole nutzen möchte, sollte also auf folgende Punkte achten
- Einsatzbereich: Geeignet für Muskeln, nicht für Gelenke, Knochen, Halsbereich oder Hohlorgane.
- Richtige Anwendung: Langsam beginnen, Intensität und Frequenz schrittweise erhöhen, geeignetes Aufsatz wählen.
- Kontraindikationen: Tabu bei Schwangeren, Personen mit Herzschrittmachern, künstlichen Gelenken, onkologischen Erkrankungen oder Gefässproblemen.
- Risiken: Unsachgemässe Anwendung kann zu Schmerzen führen oder Gefässablagerungen lösen.
- Qualitätsmerkmale: Einstellbare Frequenz und Intensität, verschiedene Aufsätze für unterschiedliche Muskelpartien.
- Einschränkungen: Keine Zulassung als Medizinprodukt, daher keine umfassende wissenschaftliche Prüfung.
- Fachliche Unterstützung: Bei medizinischen Diagnosen oder Unsicherheiten Rücksprache mit ärztlichem Fachpersonal oder Physiotherapeuten.
- Ergänzung, keine Alternative: Unterstützt Entspannung und Regeneration, ersetzt aber keine gezielte Therapie durch Fachpersonal.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Hartmut Bork ist Chefarzt des Reha-Zentrums am St. Josef-Stift in Sendenhorst und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Schmerztherapie, Sportmedizin, Physikalische Therapie, Chirotherapie und Osteologie DVO. Er hat in Münster studiert und an der Universitätsklinik Münster seine Ausbildung zum Facharzt absolviert. Er war zudem wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Sportmedizin des UKM. Von 2000 bis 2011 war er Chefarzt in der Asklepios Klinik Schaufling und wurde 2004 zum Ärztlichen Direktor ernannt. Seit 2012 arbeitet er als Chefarzt im Reha-Zentrum am St. Josef-Stift in Sendenhorst, einer Fachklinik für Orthopädie, Wirbelsäulenerkrankungen und Rheumatologie. Bork ist Vorsitzender der Sektion Rehabilitation und physikalische Therapie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) seit 2013 sowie Mitglied im Kuratorium des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK) e.V.
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