Schokolade, Kekse, Chips: Unter Stress greifen viele zu "Nervennahrung". Andere bekommen in dieser Situation keinen Bissen mehr herunter. Woher kommt dieses Verhalten?
Eigentlich wissen wir es alle und können es wie ein Mantra gebetsmühlenartig wiederholen. Gerade wenn wir gestresst sind, müssen wir besonders auf uns und unseren Körper achtgeben und durch Bewegung, ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung für Ausgleich sorgen. Soweit die Theorie.
In Wahrheit hetzen wir unter Anspannung oft durch unseren Alltag, schlafen zu wenig und ernähren uns von Fast Food und Süssigkeiten. Und das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass uns schlicht die Zeit zum bewussten Essen fehlt. Wie wir in Stresszeiten essen, wird auch durch unsere Emotionen und seelischen Bedürfnisse bestimmt.
Die Kopplung von Stress und Essverhalten
Wer richtig unter Druck steht, dem fehlen oft die Ruhe und die Zeit, um gesundes Essen zu kaufen, zuzubereiten und zu geniessen. Doch neben diesen praktischen Gründen sind noch andere Aspekte ausschlaggebend dafür, warum wir uns in stressigen Zeiten anders, sprich schlechter, ernähren, als in weniger fordernden Zeiten.
Forscher stimmen darin überein, dass ein Zusammenhang zwischen unserem Essverhalten und unserem Stresslevel besteht. Das kann sich unterschiedlich äussern. Der eine stopft sich während der Vorbereitung für eine wichtige Präsentation mit Keksen und Schokolade voll, die andere bekommt in der Woche vor ihrer Hochzeit plötzlich keinen Bissen mehr herunter.
Stress-Esser versus Stress-Hungerer
Psychologen der Universität Konstanz gehen davon aus, dass unser Essverhalten natürlichen Schwankungen unterliegt. Um diese Theorie zu überprüfen, befragten sie Probanden im Vorfeld eines Versuchs, ob diese sich eher zu den Stress-Essern oder zu den Stress-Hungerern zählen.
Stress-Esser entwickeln in Belastungssituationen Heisshunger auf Süsses und Fettes, Stress-Hungerern vergeht in der gleichen Lage gänzlich der Appetit. Während des Experiments wurden die Teilnehmer dann entweder in eine positive, in eine neutrale oder in eine negative Situation versetzt.
Tatsächlich assen die Stress-Esser unter Druck mehr, als die Stress-Hungerer. Bei einer positiven Stimmungslage war es dagegen umgekehrt. Und in einer neutralen Situation war das Essverhalten beider Gruppen ausgeglichen.
Die gesundheitlichen Folgen
Daraus schlossen die Psychologen, dass sowohl bei Stress-Essern, als auch bei Stress-Hungerern ein kompensatorisches Essmuster vorliegt. Das Essverhalten in Stresszeiten wird durch das "normale" Essverhalten ausgeglichen. Stress-Essen muss also nicht zwangsläufig dick machen.
Erst wenn der Stress zum Dauerzustand wird, besteht die Gefahr von Übergewicht. Und länger andauerndes Stresshungern führt zur Einschränkung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit.
Wie wird man zum Stress-Esser oder Stress-Hungerer?
Kinder haben zwar ein natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl, tendieren aber laut Ernährungsexperten eher dazu, unter Druck weniger zu essen. Manche Kinder lernen jedoch bereits früh, Stress durch Essen zu kompensieren.
Hier ein Eis zum Trost, da ein Keks gegen die schlechte Laune und Schokolade als "Nervennahrung" vor der Klausur, Essen wird früh emotional aufgeladen und instrumentalisiert. Fachleute nennen diese scheinbare kulinarische Problemlösung "Comfort-Eating".
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung beschreibt Stress-Essen als "Essen zur Erreichung eines emotionalen Gleichgewichts". Wie ein Mensch in einer Stresssituation reagiert, hängt laut Experten von der Erziehung, der Persönlichkeit und von angelernten Verhaltensmustern ab.
Körperliche Ursachen für das Stressessen
Doch es gibt auch körperliche Ursachen für den Heisshunger. In belastenden, stressigen Situationen steigt der Energieverbrauch unseres Gehirns und es fordert mehr Glukose, die am einfachsten über einen Snack aufgenommen werden kann. Je fettiger und zuckerhaltiger der ist, desto höher ist seine Energiedichte. Heisshunger auf Obst entwickelt dagegen niemand.
Durch den Snack werden die Belohnungszentren im Gehirn aktiviert. Applaus vom gierigen Denkorgan gibt es allerdings nur kurzfristig. Leere Kohlenhydrate und Zucker bewirken zwar einen raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels, lassen ihn jedoch auch rasant wieder in den Keller fahren. Und neuer Heisshunger meldet sich.
Der Cortisolspiegel ist zudem bei Dauerstress erhöht. Dadurch werden möglicherweise appetithemmende Botenstoffe blockiert.
Alternativen für den Umgang mit Stress
Wer zum Stress-Essen neigt, kann ungesunde "Nervennahrung" gegen gesündere Alternativen wie Nüsse oder Trockenfrüchte ersetzen. Am besten geschützt wird der Körper jedoch, wenn man über ein intaktes Stresssystem verfügt. Ein kritischer Blick auf den Alltag ist deshalb angesagt.
Der kann durch soziale Aktivitäten, Sport und Entspannungsmethoden ausgeglichener werden. Denn im Grunde wissen wir es ja alle und können es wie ein Mantra gebetsmühlenartig wiederholen. Gerade wenn unser Alltag stressig wird, sollten wir besonders auf uns, unseren Körper und auf unsere Gewohnheiten achtgeben.
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