Seit etlichen Jahren häufen sich in Kliniken Infektionen mit einer aggressiven Variante des Darmkeims "Clostridium difficile". Dieser Stamm profitiert von einem seit kurzem vielverwendeten Zuckerersatz. Forscher vermuten einen Zusammenhang.
Der Zuckeraustauschstoff Trehalose kann einer Studie zufolge lebensbedrohliche Durchfallerkrankungen in Krankenhäusern fördern.
Mikrobiologen aus den USA und den Niederlanden haben entdeckt, dass zwei berüchtigte Stämme des Darmbakteriums Clostridium difficile die Fähigkeit haben, schon sehr geringe Mengen Trehalose zu nutzen.
Wenn bei einer Antibiotika-Behandlung viele Darmbakterien getötet werden, könnten gerade diese Varianten gedeihen und Darmerkrankungen auslösen, mahnt die Gruppe um Robert Britton vom Baylor College of Medicine in Houston (US-Staat Texas) im Fachmagazin "Nature".
In einem Kommentar mahnen unabhängige Experten, die seit einigen Jahren verstärkte Nutzung von Trehalose in Lebensmitteln könne die Ausbreitung gefährlicher Stämme begünstigt haben.
Viele tödliche Infektionen
Trehalose kommt in etlichen Tieren und Pflanzen vor. Seit seine Herstellung um das Jahr 2000 drastisch günstiger wurde, nutzt die Lebensmittelindustrie den Zweifachzucker vermehrt als Zuckeraustauschstoff - etwa in Süssspeisen oder Tiefkühlkost.
Dies könne zum Anstieg bestimmter C.-difficile-Infektionen in etlichen Ländern, darunter Deutschland, beigetragen haben, vermuten die Forscher.
Das Bakterium C. difficile kommt bei den meisten Kleinkindern im Darm vor, bei Erwachsenen eher selten. Bei gesunden Menschen löst es keine Krankheiten aus.
In den vergangenen Jahren gab es jedoch in US-amerikanischen und europäischen Krankenhäusern häufig Infektionen mit Erregertypen, die mitunter tödlich enden können und schwer zu behandeln sind.
Das Bakterium kann sich verkapseln und als resistente Dauerform Antibiotika-Behandlungen unbeschadet überstehen.
Sorge macht insbesondere der Stamm RT027, der sehr aggressiv ist und inzwischen auch in Europa zirkuliert.
Britton und Kollegen entdeckten einen möglichen Zusammenhang: Während andere Varianten des Bakteriums grössere Mengen Trehalose brauchen, profitiert RT027 schon von geringen Konzentrationen, die durchaus bei Menschen auftreten.
Trehalose-freie Ernährung sinnvoll?
Genetische Untersuchungen ergaben, dass eine Einzelmutation dafür sorgt, dass RT027 Trehalose effektiv verwerten kann.
Zudem zeigten die Forscher an Mäusen, dass allein die Anwesenheit von Trehalose eine C.-difficile-Infektion auslösen kann.
Dann untersuchte das Team um Britton den ebenfalls krankheitserregenden Stamm RT078.
Dort sorgt eine Veränderung an einem Transportprotein dafür, dass Trehalose leichter in die Bakterienzelle gelangt.
Weil bei RT027 und RT078 unterschiedliche Mechanismen zur besseren Nutzung von Trehalose vorliegen, gehen die Mikrobiologen davon aus, dass beide Mutationen unabhängig voneinander entstanden sind.
Die Präsenz geringer Mengen Trehalose, so die Forscher, könne bei Menschen gerade diese C.-difficile-Stämme im Vergleich zu anderen Varianten fördern.
In einem "Nature"-Kommentar bewertet Jimmy Ballard von der University of Oklahoma in Oklahoma City die Ergebnisse als überzeugend.
Allerdings müsse der Zusammenhang zwischen dem Trehalose-Stoffwechsel und der Herstellung der Bakteriengifte genauer untersucht werden.
Der Mikrobiologe Dieter Jahn von der Technischen Universität Braunschweig, der nicht an der Untersuchung beteiligt war, spricht von einer "sehr spannenden Studie" und warnt: "Es geht jetzt nicht darum, die Lebensmittelindustrie an den Pranger zu stellen."
Allerdings könne eine Trehalose-freie Ernährung bei gefährdeten Patienten sinnvoll sein. © dpa
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