Testosteron steht für Männlichkeit, Muskeln, Potenz, Dominanz und Aggressivität. Dem Sexualhormon des Mannes werden einige positive, aber auch etliche negative Effekte nachgesagt. Das steckt wirklich dahinter.
Testosteron ist das wichtigste Geschlechtshormon des Mannes und beeinflusst ihn körperlich, psychisch sowie sexuell. Was an den vielen Mythen über Testosteron beim Sport und im Sexualleben dran ist, lesen Sie im Interview mit dem Endokrinologen Prof. Sven Diederich.
Herr Prof. Diederich, welche Funktion hat Testosteron im Körper eines Mannes?
Prof. Sven Diederich: Die im Körper vorhandene Menge an Testosteron kann für einen Mann Auswirkungen im physischen, psychischen und im sexuellen Bereich haben. Testosteron sorgt für die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale und ist am Muskelaufbau beteiligt.
Ausserdem spielt es für Libido, Sexualität und Potenz eine bedeutende Rolle. Dieses Hormon beeinflusst den Gemütszustand und kann unter Umständen auch zu Depressionen und Traurigkeit führen oder aber körperliche Auswirkungen zur Folge haben, wenn es in zu geringer Menge im Körper vorhanden ist.
Es sorgt also insgesamt sehr für das männliche Wohlbefinden, ist aber nicht lebensnotwendig.
Wie kommt es zu einer Mangelerscheinung oder Überdosierung?
Für eine Mangelerscheinung gibt es zwei Ursachen. Zum einen gibt es Erkrankungen, bei denen die Hoden gestört sind – wie zum Beispiel bei Hodenkrebs und auch bei chromosomalen Störungen wie dem Klinefelter-Syndrom.
Zum anderen gibt es Unregelmässigkeiten im Bereich der Hirnanhangsdrüse, die die Hormonbildung in den Hoden reguliert. Liegen solche Störungen vor, kann es zu einer klassischen Mangelerscheinung kommen, die aber behandelt werden kann.
Zu viel Testosteron gibt es eigentlich nur aus der Sporttasche, wenn sich Menschen damit dopen.
Was sind die Folgen bei Mangel oder Überdosierung?
Wer kein Testosteron oder zu wenig davon im Körper hat, der kann zum Beispiel an Knochenschwund oder vermehrtem Fettaufbau leiden. Die körperliche Energie wird weniger, man ist antriebslos und verliert an Muskelmasse und -kraft.
Wer sich hingegen mit Testosteron überdosiert, der bekommt dickeres Blut und einen Zuwachs der Muskeln. Auch der Herzmuskel gewinnt an Masse, was Herzrhythmusstörungen, Gefässverschlüsse und Herzprobleme zur Folge haben kann.
Das birgt erhebliche Risiken. Dazu kommt eine vermehrte Akne-Bildung. Das kann man vor allem bei jungen Männern beobachten, die in die Pubertät kommen oder eben auch bei Männern, die sich mit Testosteron dopen.
Bei jungen Männern liegt das an der hormonellen Umstellung von niedrigen präpubertären Werten auf normale Erwachsenenwerte und beim Doping an der durch Testosteronspritzen erzeugten drei bis fünf Mal höheren Werte als bei einem Erwachsenen normal wären.
In der Zeit, in der man sich das Testosteron spritzt, wird man ausserdem unfruchtbar. Wie man sieht, birgt das Doping mit Testosteron auf Dauer sehr gefährliche Risiken.
Welchen Einfluss hat Testosteron auf die Potenz des Mannes?
Ohne Testosteron ist beim Mann nicht so viel los. Wer ein niedriges Testosteronlevel hat, kann also durchaus Potenzprobleme haben. Aber wenn ein Patient einen ausreichend hohen Testosterongehalt, aber ein Potenzproblem hat, kann durch eine Erhöhung des Testosterons die Potenz nicht gesteigert werden.
Meistens sind dann Durchblutung, Alter oder Risikofaktoren wie Nikotin und Stress die Hauptursachen.
Spielt Testosteron auch in einem Frauenkörper eine Rolle?
Frauen haben ebenfalls Testosteron im Blut – allerdings zehn bis 100 Mal niedrigere Werte als bei Männern. Gebildet wird es bei den Frauen vorwiegend in den Eierstöcken und hat ebenfalls einen Einfluss auf die Libido.
Zu viel Testosteron im Körper einer Frau führt zu nachteiligen Effekten wie vermehrter Gesichtsbehaarung, Unfruchtbarkeit, einer tiefen Stimme oder aber Haarausfall. Zu einer Überproduktion kann es aufgrund von Tumoren an den Eierstöcken oder auch wesentlich häufiger bei stärkerem Übergewicht (Syndrom der polycystischen Ovarien, PCO-Syndrom) kommen.
Kann Testosteron die Denkprozesse beim Mann blockieren?
Es ist wohl immer eine Frage der Dosis. In einer dem normalen Testosterongehalt eines erwachsenen Mannes entsprechenden Dosierung des Testosterons, sollten die Denkprozesse beim Mann schon normal funktionieren.
Es gibt eine Studie, die besagt, dass eine kontrollierte Beigabe von Testosteron bei älteren Männern mit relativ niedrigen Testosteronwerten keine kognitiven Effekte hat – weder positiv noch negativ. Bei einer Überdosierung durch Doping könnte es eventuell eine kognitive Beeinträchtigung geben.
Weil Doping aber keine medizinische Massnahme und in gewisser Hinsicht verboten ist, ist das nicht gut untersucht.
Kann Testosteron Haarausfall begünstigen?
In gewisser Weise schon, aber Haarausfall bekommt man in erster Linie aufgrund von Veranlagung. Die Haarwurzeln sind hierbei überempfindlich gegenüber männlichen Sexualhormonen.
Würde man Männer, die an androgenetischer Alopezie leiden, kastrieren oder anti-androgen behandeln, dann hätten sie sicherlich bessere Haare. Die Haare sind empfindlich auf Dihydrotestosteron, das ein Abbauprodukt des Testosterons ist. Es gibt auch Medikamente, die diese Umwandlung in gewissem Masse verhindern können.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem Testosteron-Überschuss und Aggressivität?
Das ist schwierig zu messen. Auch hier kommt es wohl darauf an, ob eine gewisse individuelle Veranlagung vorhanden ist – aus psychischer und neuropsychologischer Sicht. Wenn jemand von null kommt, dann aber mit Testosteron behandelt wird, hat diese Person sicherlich anschliessend mehr 'Drive'.
Das kann man negativ als Aggressivität bezeichnen oder in einem besseren Tonus etwa dominantes Verhalten oder Antriebsstärke nennen. Dass sich im Dopingbereich durch Testosteron mehr Aggressivität entwickelt, ist schwer zu belegen.
Dass das Doping jemanden nochmal einen Schritt über sich hinausgehen lässt, ist wahrscheinlich, dafür gibt es keine validen Untersuchungen. Testosteron an sich macht aber zumindest in Teilen den Unterschied im Aggressions- und Kriminalitätsverhalten zwischen Mann und Frau aus. Da gibt es auch in der Neuropsychologie einige Nachweise.
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