Laut einem aktuellen TikTok-Trend namens "Cortisol Face" steckt hinter einem dickeren Gesicht eine Krankheit, die sich durch Alltagsstress erklären lasse. Ärzte warnen, dass es sich dabei nicht um eine Erkrankung handle – jedoch auf eine andere, reale Krankheit aufmerksam mache: das Cushing-Syndrom.

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Aktuell geht auf TikTok mal wieder ein Trend um: das sogenannte "Cortisol Face". User meinen damit ein aufgequollenes Gesicht mit dickeren Backen, an dem das Stresshormon Cortisol schuld sein soll. Sie bezeichnen es auch gerne als "Moon Face".

Was ist Cortisol?

  • Cortisol ist ein körpereigenes, lebenswichtiges Hormon. Es wird in der Nebennierenrinde gebildet und beeinflusst den Blutzucker, den Fettstoffwechsel, verzögert die Wasserausscheidung und wirkt entzündungshemmend.
  • Stress, Unterzuckerung oder eine Schwangerschaft können zu einer Erhöhung der Cortisolwerte führen. Weitere Ursachen für erhöhte Werte können bestimmte Tumore, Alkoholismus, Depressionen oder starkes Übergewicht sein.

Um ein wirkliches medizinisches Krankheitsbild handelt es sich dabei nicht. Was den meisten TikTok-Nutzerinnen und -Nutzern aber wahrscheinlich nicht bekannt sein dürfte: Sie machen mit dem Trend auf eine Krankheit aufmerksam, die es tatsächlich gibt: das Cushing-Syndrom. Das erklärt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE).

Dabei handelt es sich um eine Hormonerkrankung, die unter anderem ein vergrössertes, rötliches Gesicht zur Folge hat. Die Schauspielerin Amy Schumer machte Anfang des Jahres öffentlich, dass sie unter dieser Krankheit leidet.

Viele TikTok-User glauben aktuell, unter einem "Cortisol Face" zu leiden, weil sie vermeintlich etwas dickere Backen haben. Auf Social Media wird mit allen möglichen Präparaten geworben, die das Gesicht angeblich wieder dünner werden lassen. Ausserdem soll auch eine Stressreduzierung gegen ein "Moon Face" helfen.

Der Endokrinologe Martin Reincke warnt auf einer Pressekonferenz der DGE allerdings vor diesen Tipps und auch vor weiteren Fehlinformationen rund um die angebliche Krankheit "Cortisol Face". Im Gegensatz dazu ist das Cushing-Syndrom real. Doch was genau steckt hinter dieser Erkrankung? Wie häufig kommt sie vor und wie gefährlich ist sie für Betroffene?

Was ist das Cushing-Syndrom?

Beim endogenen Cushing-Syndrom handelt es sich um eine seltene immunologische Hormonerkrankung. Dabei produziert der Körper dauerhaft überhöhte Mengen des Stresshormons Cortisol.

Cortisol ist eigentlich dafür zuständig, die Leistungsbereitschaft des Körpers in Gefahrensituationen zu erhöhen. Das Cortisol mobilisiert dann Zucker aus den Reserven, lässt den Blutdruck steigen und das Schlafbedürfnis gleichzeitig sinken.

Jedoch wird bei der Produktion von Cortisol auch die Immunfunktion gedrosselt und es kommt zu Änderungen im Kalzium- und Fettstoffwechsel. Herrscht also eine permanente Überproduktion, kann das die Gesundheit erheblich beeinträchtigen.

Symptome des Cushing-Syndroms ähneln dem "Cortisol Face"

Menschen, die glauben, unter dem "Cortisol Face" zu leiden, führen das auf ein angeblich dickeres Gesicht zurück. Tatsächlich gibt es dieses Symptom auch beim Cushing-Syndrom. Martin Reincke macht jedoch deutlich, dass das Cushing-Syndrom nicht von einem Leitsymptom gekennzeichnet ist, sondern durch eine Kombination von mehreren Symptomenwas die Diagnose schwieriger gestaltet.

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Es treten demnach metabolische Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen in Kombination mit äusserlichen Erscheinungsmerkmalen auf. Dazu zählen eine schnelle, kürzlich zurückliegende Gewichtszunahme mit einem dicken, rötlichen Gesicht. Arme und Beine werden durch Muskelabbau dünn und der Bauch tritt vor, erklärt der Endokrinologe.

Ausserdem leiden alle Cushing-Patienten unter Hautproblemen, wie unerklärlichen Hautblutungen, Hautinfektionen oder Striae, das sind rötlich-lilafarbene Dehnungsstreifen. Hat man drei oder vier dieser Symptome, besteht laut Reincke Verdacht auf das Cushing-Syndrom, den man abklären lassen sollte.

Die Diagnose kommt häufig sehr spät

Seltene Erkrankungen sind allerdings oft schwer zu diagnostizieren, räumt die DGE ein. Patienten, die unter dem Cushing-Syndrom leiden, haben oft eine "Odyssee" bis zur Diagnose vor sich, wie Reincke sagt. Global gesehen dauert es im Schnitt drei Jahre, bis die Erkrankung diagnostiziert wird. In Deutschland sind es sogar bis zu fünf Jahre.

Es ist unklar, weshalb die Diagnose in Deutschland erst so spät kommt. "Einer der Gründe könnte der Endokrinologen-Mangel sein. Andere Gründe sind die suboptimale Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgung mit unserem Gesundheitssystem", so Reincke.

"Unbehandelt ist das Cushing-Syndrom eigentlich immer tödlich."

Martin Reincke, Endokrinologe

Doch gerade eine schnelle Diagnose wäre wichtig, denn das Cushing-Syndrom führt zu Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Infektionen, Herzinfarkt, Sepsis und potenziell sogar zum Tod.

"Unbehandelt ist das Cushing-Syndrom eigentlich immer tödlich", erklärt Reincke. Doch abgesehen von den körperlichen sind auch psychische Folgen der Erkrankung nicht zu unterschätzen. Dazu zählen Ängstlichkeit oder Depressionen.

Defizite in den Therapiemöglichkeiten

Im ersten Schritt erfolgt die Behandlung des Cushing-Syndroms nach erfolgreicher Diagnose immer chirurgisch. Dabei werden verantwortliche Tumore, beispielsweise an der Nebennierenrinde, entfernt. Diese Tumore sind zwar in der Regel gutartig, bilden jedoch durch einen Botenstoff (ACTH) vermehrt Cortisolanreger und müssen daher operativ entfernt werden.

Bei mehreren Ursachen für das Cushing-Syndrom kann es sein, dass eine Operation nicht ausreicht. Manchmal lässt sich der Tumor auch nicht gänzlich entfernen oder kommt zurück. In diesen Fällen kommen Zweit- und Drittlinientherapien zum Einsatz.

Laut Reincke werden diese in Deutschland jedoch wenig eingesetzt: "Hier bestehen Defizite. Beispielsweise werden moderne Medikamente, die seit einigen Jahren zur Verfügung stehen, um das Cortisol runterzublockieren, nicht in der Breite eingesetzt. Das ist etwas, was uns grosse Sorgen macht."

Die Hormonerkrankung ist glücklicherweise sehr selten. Jährlich erkranken rund fünf bis zehn von einer Million Menschen neu am Cushing-Syndrom.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE) am 24. September 2024 mit Dr. Martin Reincke, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV und Inhaber des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie an der LMU München.
  • lmu-klinikum.de: Cushing-Ambulanz
  • apotheken-umschau.de: Cortisol: Das Stresshormon

Redaktioneller Hinweis

  • Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
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