In Brasilien grassiert das durch Gnitzen übertragene Oropouche-Virus. Inzwischen gab es erste Todesopfer. Könnte es auch nach Europa gelangen? Mücken-Experte Helge Kampen gibt eine Einschätzung.

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Das Oropouche-Fieber ist vielen Menschen noch gar kein Begriff. Dabei ist die Erkrankung nicht neu. Der Erreger hat zuletzt allerdings für mehr und heftigere Ausbrüche gesorgt. Kürzlich wurden erstmals auch zwei Todesfälle in Brasilien offiziell erfasst. Bisher kursiert das Virus in Süd- und Mittelamerika.

Das Virus wird dort hauptsächlich von Colicoides paraensis übertragen - einer kleinen Mückenart aus der Gruppe der Gnitzen, die es ausserhalb Südamerikas nicht gibt. Aber auch andere Arten können das Virus übertragen.

Ausbrüche in Süd- und Mittelamerika häufen sich

Brasilien, das in diesem Jahr mit über sechs Millionen Infektionen den schwersten Dengue-Ausbruch seiner Geschichte erlebt, muss sich jetzt auch noch um das Oropouche-Virus sorgen. Doch nicht nur dort, sondern in ganz Süd- und Mittelamerika häufen sich die Ausbrüche.

In Süd- und Mittelamerika gab es seit Ende 2022 laut RKI vermehrt Ausbrüche des Oropouche-Fiebers. Brasilien verzeichnete im laufenden Jahr bereits über 7.000 laborbestätigte Fälle und mindestens zwei Todesfälle in Verbindung mit dem Virus.

Oropouche-Virus

  • Die Symptome ähneln denen bei Dengue- oder Chikungunya-Fieber: Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit und Durchfall. In seltenen Fällen kommt es zu schweren Verläufen.
  • Eine spezifische Behandlung gibt es bisher nicht.
  • Nach Angaben der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) wurde der Erreger erstmals 1955 in Trinidad und Tobago in der Karibik erfasst. In Brasilien wurde das Oropouche-Virus dem Gesundheitsministerium zufolge erstmals 1960 in der Blutprobe eines Faultiers identifiziert.
  • Seitdem seien vereinzelte Fälle und örtlich begrenzte Ausbrüche, hauptsächlich in den Bundesstaaten des Amazonasgebiets gemeldet worden. Faktoren wie Klimawandel, Abholzung und Verstädterung haben ldie Ausbreitung der Krankheit auf Gebiete begünstigt, in denen zuvor keine Fälle gemeldet wurden.

"Was uns am meisten Sorgen bereitet, ist die Ausbreitung einer Krankheit, die praktisch auf das Amazonasgebiet mit seiner sehr geringen Bevölkerungsdichte beschränkt war, auf Gebiete mit höherer Bevölkerungsdichte", sagte Marcus Lacerda vom Forschungsinstitut Fiocruz dem Fachblatt "Science".

In diesem Jahr wurden in 23 brasilianischen Bundesstaaten bereits rund 7.500 Fälle von Oropouche-Fieber registriert, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Erstmals wurden Fälle auch in anderen Ländern des amerikanischen Kontinents gemeldet - in Bolivien, Kolumbien, Kuba und Peru. Ob die Entwicklung auf eine Ausbreitung des betroffenen Gebietes oder eine verbesserte Diagnostik zurückzuführen ist, ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin noch unklar.

Mücken-Experte hält Ausbreitung in Europa für unwahrscheinlich

Das RKI berichtete kürzlich über die ersten beiden registrierten Fälle von Oropouche-Fieber in Deutschland. Betroffen waren zwei Menschen aus Sachsen und Baden-Württemberg, die beide aus Kuba zurückgekehrt waren.

"Es gibt keinen Hinweis darauf, dass einheimische Gnitzen oder Stechmücken das Oropouche-Virus übertragen könnten."

Helge Kampen, Mücken-Experte

Könnte es also passieren, dass sich das Opouche-Virus auch in Europa verbreitet? Mücken-Experte Helge Kampen hält das Risiko für vernachlässigbar. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass einheimische Gnitzen oder Stechmücken das Oropouche-Virus übertragen könnten", sagte der Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Greifswald der Deutschen Presse-Agentur. Kampen ist Laborleiter am FLI-Institut für Infektionsmedizin.

Das Virus ist nach Angaben des Biologen auf sogenannte Reservoirwirte angewiesen. Dies seien Tierarten, die in Europa nicht vorkommen, wie bestimmte Affenarten oder das Faultier.

Auch das RKI hält es für sehr unwahrscheinlich, dass sich das Oropouche-Virus in Deutschland verbreitet.

Vorsichtsmassnahmen bei Reisen nach Brasilien treffen

Brasilianische Gesundheitsämter analysieren derzeit, in welchem Ausmass Oropouche-Fieber Missbildungen oder Fehlgeburten zur Folge haben kann. Kürzlich bestätigte das Gesundheitsministerium einen Todesfall eines Fötus in Zusammenhang mit einer Infektion. Die 28-jährige Frau aus dem nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco hatte sich in der 30. Schwangerschaftswoche befunden. Acht weitere Fälle würden noch untersucht, hiess es.

Es gibt laut RKI auch erste Hinweise darauf, dass das Virus Fehlbildungen bei Ungeborenen verursachen könnte. Ähnliches ist vom Zika-Virus bekannt, das Fehlbildungen des Gehirns von Neugeborenen zur Folge haben kann. Das RKI riet bereits, Schwangere sollten unter Umständen auf Reisen in aktuelle Oropouche-Ausbruchsgebiete verzichten.

Brasilien verzeichnet zudem seit Oktober 2023 den bisher grössten landesweiten Denguefieber-Ausbruch seiner Geschichte. Nahezu alle Bundesstaaten sind betroffen, 14 Bundesstaaten haben dem Auswärtigem Amt zufolge eine gesundheitliche Notlage erklärt. In seinen Reise- und Sicherheitshinweisen zum Land rät das Auswärtige Amt, Mückenschutzmittel aus Deutschland mit nach Brasilien zu nehmen.

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Vereinzelte Fälle in Europa

In Europa wurden bisher nur Infektionen bei Reiserückkehrern bekannt. Italien und Spanien meldeten in den vergangenen Wochen eine geringe Zahl von Fällen bei Reisenden aus Kuba und Brasilien.

Wenn Reiserückkehrer Denguefieber mitbringen, könnte dieses Virus theoretisch von der Asiatischen Tigermücke in Deutschland weiterverbreitet werden. Bisher sei aber bundesweit noch kein einziger Fall einer Übertragung des Denguefiebers oder eines anderen Krankheitserregers durch die Tigermücke bekannt geworden, sagt Kampen. Die zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder müssten dennoch dafür sorgen, die Populationsdichte der Insekten möglichst gering zu halten.

"Die Tigermücke ist eine sehr flugträge Mücke, die sich kaum von ihrem Standort wegbewegt", sagte der Forscher. Aktuell gibt es laut Kampen besonders viele Populationen in Kleingartenanlagen, ihre Verbreitung sei meist kleinräumig beschränkt. (dpa/bearbeitet von sob)

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