Die Wechseljahre bringen körperliche Veränderungen mit sich – und häufig auch Beschwerden. Eine Gynäkologin erklärt, welche Symptome in den Wechseljahren auftreten, wann eine Hormontherapie sinnvoll ist und ob die Angst davor berechtigt ist.
Es kommt auf jede Frau im Laufe ihres Lebens zu - trotzdem wird das Thema zuweilen behandelt wie eine Randerscheinung: die Menopause. Sie bezeichnet den Übergang von der Lebensphase einer Frau, in der sie Kinder bekommen kann, zum Ende der Fruchtbarkeit. In dieser Phase stellen die Eierstöcke allmählich die Produktion der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Gestagen ein und es kommt es zu Hormonschwankungen.
Die Menopause ist keine Krankheit, dennoch verursacht sie bei etwa zwei Drittel der Frauen Beschwerden. Viele von ihnen bekommen jedoch nicht die Hilfe, die sie eigentlich bräuchten. Ärztinnen und Ärzten mangelt es häufig an Zeit, ihre Patientinnen ausführlich zu diesem Thema zu beraten – und manchmal auch an Fachwissen.
Die Münchner Gynäkologin Claudia Sievers berät Frauen in dieser Lebensphase und erklärt im Interview, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und wie gross das Risiko einer Hormontherapie tatsächlich ist.
Frau Sievers, wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich über die Wechseljahre Gedanken zu machen?
Claudia Sievers: So ab 35. Ungefähr ab diesem Alter frage ich meine Patientinnen zum ersten Mal, ob sich schon Symptome gezeigt haben oder ob sie mehr darüber wissen möchten. Spätestens ab 40 sollte der Gynäkologe oder die Gynäkologin Patientinnen auf das Thema vorbereiten – aber das ist leider nicht die Regel. Das Thema ist so komplex, dass sich das nicht in den knapp zehn Minuten besprechen lässt, die ein Arzt durchschnittlich für eine Patientin hat. Meistens kommen Frauen um die 48 zu mir, die schon Beschwerden haben und davon total überrascht werden. Eine Frau sollte nicht zum ersten Mal von den Wechseljahren hören, wenn die Probleme auftreten.
Mit Mitte 30 schiebt man das Thema gerne noch von sich weg. Niemand will sich mit dem Älterwerden beschäftigen. Warum ist es wichtig, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen?
Es geht darum, für das Thema zu sensibilisieren. Oft leiden Frauen in der Menopause an Symptomen, die auf den ersten Blick völlig ungynäkologisch sind. Sie rennen von Arzt zu Arzt; oft ohne, dass ihnen geholfen werden kann. Bei einer Patientin von mir brennt die Haut am ganzen Körper - da würde auf Anhieb niemand jemand auf die Idee kommen, dass das mit einem Östrogen-Mangel zu tun hat. Ich versuche daher, meine Patientinnen zu ermutigen, auf Veränderungen zu achten und mir auch von ungynäkologischen Beschwerden zu berichten. Oft lässt sich das Leiden in der Menopause lindern. Es ist wichtig, dass Frauen damit nicht alleingelassen werden.
Auf welche Beschwerden muss ich mich als Frau in den Wechseljahren noch einstellen?
Grob gesagt, merkt ein Drittel der Frauen gar nichts davon. Ein Drittel leidet unter sehr starken Beschwerden und das letzte Drittel liegt irgendwo dazwischen. Zu den klassischen Beschwerden zählen Hitzewallungen und Schweissausbrüche. In meiner Praxis sind das aber bei Weitem nicht die einschränkendsten Symptome.
"Beim Brennen auf der Zunge denken die wenigsten an die Menopause"
Welche sind das?
Viele Frauen leiden an Blutungsstörungen wie irreguläre Zyklen oder extrem starke Blutungen. Das kann mit einem hohen Eisenverlust und nachfolgender Erschöpfung einhergehen. Schlafstörungen, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen kommen auch häufig vor. Bei manchen Frauen kann das sehr ausgeprägt sein. Sie fühlen sich regelrecht depressiv und haben keinen Antrieb mehr. Blasenschwäche und zunehmende Missempfindungen im Vaginalbereich ebenso wie Schmerzen beim Sex sind ebenfalls häufig.
Es können aber auch ganz andere Symptome auftreten. Bei einem Brennen auf der Zunge oder der Haut oder Muskel- und Gelenkschmerzen denken die wenigsten an die Menopause, aber das kommt vor. Auch der sogenannte Brain Fog oder Gehirnnebel wird von Frauen oft nicht mit der Menopause in Zusammenhang gebracht. Sie befürchten eher, bereits unter Demenz zu leiden.
Brain Fog ist ein Zustand, der den Blick fürs Wesentliche "vernebelt" und zeichnet sich durch Konzentrationsschwierigkeiten, Wortfindungsstörungen und Vergesslichkeit aus. Diese Frauen ermüden geistig schneller, verlegen ständig Dinge und beschreiben eine Art "Wattegefühl" im Kopf. Das hängt wohl mit einer Minderversorgung von Östrogen im Gehirn zusammen.
Wie lange dauern die Wechseljahre? Hören die Beschwerden irgendwann wieder auf?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Menopause ist die Phase zwischen der regulären Zyklusrhythmik bis zu dem Zeitpunkt, an dem man seit einem Jahr keine Regel mehr hatte. Die Menopause kann zehn Jahre dauern oder auch nur ein Jahr. Im Durchschnitt dauert die Phase, in denen die Regelblutung chaotischer wird und Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen auftreten, drei bis fünf Jahre. Hitzewallungen und Schweissausbrüche kommen meist etwas später hinzu, oft auch erst, nachdem die Regel ganz ausbleibt. Wenn im Hormonhaushalt irgendwann Ruhe einkehrt, hören die Beschwerden wieder auf. Es gibt zwar Berichte von über 70-Jährigen, die nicht ohne Hormone auskommen, aber das sind Einzelfälle. Was nicht weggeht, ist das urogenitale Menopausensyndrom, auch vaginale Atrophie genannt.
Wie gut lassen sich die Beschwerden behandeln?
Es gibt verschiedene Mittel, die man den Frauen in den Wechseljahren an die Hand geben kann. Das muss nicht immer eine Hormontherapie sein! Im ersten Schritt hilft oftmals schon die Aufklärung. Wenn wir eine Erklärung für Dinge haben, können wir besser mit ihnen umgehen. Viele entlastet es zu wissen, dass ihre Symptome mit den Wechseljahren zu tun haben und sie nicht verrückt werden. Auch eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung können bis zu einem gewissen Grad durch die Menopause helfen. Frauen mit Übergewicht etwa neigen in den Wechseljahren stärker zu Hitzewallungen. Wenn sie durch Sport und Ernährung ein paar Kilo abnehmen, hat das einen positiven Effekt. Sind die Wechseljahrsbeschwerden aber sehr schlimm, wird man sie oft nicht alleine mit einer Umstellung der Lebensweise in den Griff kriegen.
"Eine Therapie mit bioidentischen Hormonen kann sinnvoll sein"
Dann helfen nur noch Hormone?
Frauen, die keine oder nur moderate Beschwerden haben, müssen natürlich keine Hormone nehmen. Aber wenn eine Frau wirklich leidet und es keine Kontraindikation wie zum Beispiel eine aktuelle oder überstandene Brustkrebserkrankung gibt, dann ist eine Therapie mit bioidentischen Hormonen wirklich sinnvoll. Speziell die Hitzewallungen und der "Brain Fog", aber auch die Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen lassen sich sehr gut mit bioidentischen Hormonen behandeln. Manche Frauen leiden wirklich brutal unter den Wechseljahren. Das müsste nicht sein. Aktuell werden in Deutschland nur sechs Prozent der Frauen im entsprechenden Alter Hormone verschrieben – wenn wir davon ausgehen, dass ein Drittel der Frauen schwere Beschwerden hat, haben wir es hier mit einer starken Unterversorgung zu tun.
Woran liegt es, dass nur wenige Frauen in Deutschland Hormone nehmen?
Das ist wie ein Mantra: Hormone sind schädlich. Vor 20 Jahren, als die Hormonersatztherapie auf den Markt kam, war das Östrogen eine Mischung aus dem Urin trächtiger Stuten und es gab nur künstliches Gestagen. Heute weiss man, dass es am ehesten die künstlichen Gestagene sind, die Brustkrebs verursachen. Daher verschreiben wir heute in aller Regel bioidentische Hormone, also genau das Abbild unsere ehemals eigenen Hormone. Bioidentisches Progesteron steht nicht in hohem Verdacht, Krebs zu verursachen. Wir wissen inzwischen auch, dass eine orale Einnahme von Estradiol [das wirksamste natürliche Östrogen, Anm.d.Red.] das Risiko für Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht. Daher geben wir heute das bioidentische Östrogen auch über die Haut.
Mir berichten auch viele Patientinnen, dass sie von anderen Frauen schief angeschaut werden, wenn sie Hormone nehmen. Das macht mich wirklich traurig. Frauen sollten respektieren, dass die Menopause von Frau zu Frau sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Die eine kommt gut ohne Hormone durch die Wechseljahre, die andere nicht. Es ist völlig in Ordnung, Beschwerden mit Hormonen zu behandeln, genauso wie es Strategien gibt, ohne Hormone gesund zu leben.
Hormone: "Das Brustkrebs-Risiko steigt unter der Einnahme von bioidentischen Hormonen tatsächlich nur geringfügig"
Ist die Sorge vor Brustkrebs denn völlig unberechtigt?
Das Brustkrebs-Risiko steigt unter der Einnahme von bioidentischen Hormonen tatsächlich nur geringfügig. Die heutigen bioidentischen Hormone haben die exakt gleiche Struktur wie unsere körpereigenen Hormone und wirken auch so. Sie ersetzen also nur, was vorher einmal da war. Was gerne vergessen wird, sind die vielen positiven Aspekte. Diese Hormone schützen vor Diabetes, sie schützt die Knochen, Gefässe und das Herz. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei Frauen. Eine Hormontherapie wird das Brustkrebsrisiko eher nicht so stark erhöhen wie das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, heute schon ist.
Verzichten Sie auf Alkohol und Zigaretten, bewegen Sie sich viel und ernähren Sie sich gesund – damit können Sie ihr Brustkrebsrisiko deutlicher senken, als durch die Vermeidung einer angezeigten Hormontherapie. Früher dachte man auch, durch Hormone wird die Menopause nur nach hinten hinausgeschoben und sobald man die Hormone wieder absetzt, kommt man in die Wechseljahre. Das wurde widerlegt. Und selbst wenn Sie sich gegen eine Hormontherapie entscheiden, sollten Sie trotzdem vaginale Hormone in Erwägung ziehen.
Wieso das?
Das urogenitale Menopausensyndrom tritt fast immer irgendwann auf und kann sich in einem Wundheitsgefühl, Schmerzen beim Sex oder häufigeren Blasenentzündungen äussern. Das ist sehr unangenehm. Wenn Sie weiter Intimverkehr haben möchten, sollten Sie dagegen etwas tun. Denn dieses Phänomen ist keine Übergangsproblematik, sondern die Folge eines langfristig erniedrigten Östrogenspiegels und wird sich ohne Zufuhr von Östrogenen eher verstärken. Bei vielen Frauen macht sich das auch erst deutlich verzögert bemerkbar - bis zu mehrere Jahre nach der letzten Regel.
Die verschreibungspflichtigen Vaginalzäpfchen oder Vaginalcremes enthalten Estriol, das natürliche Hautöstrogen, und werden lokal verabreicht. Sie erhöhen das Brustkrebsrisiko nicht, da sie nicht systemisch wirken, also nicht im ganzen Körper. Alternativ können auch Pflegecremes mit Hyaluron oder milchsäurehaltige Feuchtcremes verwendet werden, aber am effektivsten bleibt für diesen Bereich die lokale Hormonbehandlung. Darunter wird die Vaginalhaut inklusive einem Gewebspolster aufgebaut und es siedeln sich wieder die natürlichen, schützenden Vaginalbakterien an.
"Es gibt eine genetische Komponente"
Wie unterscheiden sich die Frauen, die starke Beschwerden haben, von denen, die praktisch nichts von der Menopause merken?
Es gibt sicher eine genetische Komponente. Wenn die Mutter schon unter starken Beschwerden gelitten hat, ist es bei der Tochter häufig auch so. Oft kommen die Frauen in einer Familie auch in einem ähnlichen Alter in die Menopause. Wahrscheinlich ist auch, dass eine Frau, die über gute Ressourcen verfügt - einen ausfüllenden Job hat, in einer glücklichen Partnerschaft steckt und ein gutes soziales Netzwerk hat - weniger unter der Umstellung leidet. Wenn Sie in sich ruhen, dann sind Sie nicht so angreifbar durch Irritationen. Diese Frauen holen sich erfahrungsgemäss auch schneller Hilfe - bei Ärztinnen, bei Freundinnen, in Büchern. Und doch trifft es auch sie manchmal mit voller Wucht. Man kann und sollte also nie einer anderen Frau vorhalten, dass sie einfach nur etwas anders machen müsste, dann hätte sie den Schlamassel nicht.
Wo kann ich mich zum Thema Wechseljahre beraten lassen?
Grundsätzlich ist der Gynäkologe oder die Gynäkologin die richtige Anlaufstelle - zumindest wäre es wünschenswert. Meine Erfahrung ist, dass sich viele Frauen von ihren Frauenarztpraxen im Stich gelassen fühlen. Nicht nur, weil viele Ärzte nicht gut genug in diesem Gebiet ausgebildet sind, sondern auch, weil in der Sprechstunde zu wenig Zeit dafür ist. Um das alles zu besprechen und einzuordnen, reichen keine zehn Minuten.
Aber es gibt heute zum Glück Plattformen im Internet, die Hilfestellung geben können. Es gibt auch mehrere gute Bücher auf dem Markt. Ich empfehle gerne "Ganz schön heiss hier" von meiner Gyn-Kollegin Dr. Daniela Paepke, die darin praxiserprobte Tipps aus der Schul- und Komplementärmedizin gibt. Sehr bekannt ist aktuell auch "Woman on Fire" von Sheila de Liz, welches auf leicht zugängliche Weise die Sorge vor einer Hormontherapie nimmt. Patientinnen in meiner Praxis fühlen sich nach der Lektüre aber auch unter Druck gesetzt, Hormone nehmen zu müssen. So würde ich das nicht sehen.
Positive Aspekte der Menopause
Wir haben vor allem über die Beschwerden und Probleme gesprochen, die die Wechseljahre mit sich bringen. Können Sie der Menopause auch etwas Positives abgewinnen?
Er verspricht so viele Chancen! Wir sind in diesem Alter reife, erfahrene Frauen. Wir dürfen eine eigene Meinung haben und müssen uns nicht mehr alles sagen lassen. Und wenn wir uns nicht mehr um Verhütung kümmern müssen, können wir unbeschwerter Sexualität erleben. Statt monatlicher Blutungen haben wir Energie für neue Projekte und wir sollten unsere Erfahrungen und Ideen in den Markt tragen.
Die Gesellschaft sollte viel bewusster den "Grossmutter-Effekt" nutzen, den Forscher zum Beispiel auch den Schwertwal-Weibchen attestieren. Nur von Menschen und fünf Walarten ist überhaupt bekannt, dass sie in die Wechseljahre kommen. In Schwertwal-Gruppen, die eine postmenopausale Leitkuh haben, haben die Kälber höhere Überlebenschancen. Ältere Walweibchen spielen offenbar auch eine weitere wichtige Rolle: Sie setzen ihr Wissen und ihre Erfahrung ein, um unter anderem Nahrung zu finden und Konflikte zu lösen. In matriarchalen Gesellschaften ist das ebenfalls zu beobachten. Alles in allem gute Gründe, unsere reifen Frauen zu feiern.
Hier finden betroffene Frauen weitere Hilfe:
- Deutsche Menopausen Gesellschaft e.V.
- BZgA- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
- Nobodytoldme.com
- Wechselweise.net
- wexxeljahre.de
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