Süchtig werden kann man nach nahezu jeder Substanz und jeder Tätigkeit. Besonders häufig kommen Abhängigkeiten in Bezug auf Alkohol, verschiedene Drogen oder Medikamente vor. Doch auch Sexualität, Arbeit oder Freizeitaktivitäten wie Sport, Surfen im Internet und PC-Spiele können süchtig machen. So schnell man in eine solche Abhängigkeit rutschen kann, so schwer ist es, wieder aus der Sucht herauszufinden. In unserer Aktion "Leser helfen Lesern" würden wir gerne von Ihnen wissen: Wie haben Sie es geschafft? Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen in einer E-Mail an gesundheit@1und1.de!
Mehr Informationen zu unserer Aktion erhalten Sie am Ende des Artikels. Zunächst wollen wir Ihnen noch die erfolgreichsten Methoden im Kampf gegen diejenige Abhängigkeit vorstellen, die in Deutschland am weitesten verbreitet ist: die Alkoholsucht.
Einem aktuellen Drogenbericht der Bundesregierung zufolge sind etwa 1,3 Millionen Deutsche alkoholsüchtig. Das heisst, sie trinken regelmässig und unkontrolliert Alkohol und sind physisch wie psychisch abhängig. Um diese Sucht zu bekämpfen, gibt es mehrere Ansätze.
Ab und zu ein Gläschen Wein zum Essen, hier und da ein Feierabend-Bierchen mit Freunden - Alkohol gehört bei vielen Gelegenheiten in unserer Gesellschaft einfach dazu. Und solange sich der Konsum in Grenzen hält, ist im Grunde auch nichts daran auszusetzen. Bedenklich wird es jedoch, wenn das Trinken zum Zwang wird, die Gesundheit und in letzter Konsequenz das Leben eines Menschen zerstört.
Im Kampf gegen die Alkoholsucht gibt es verschiedene Ansätze. Dabei sollte die dauerhafte Abstinenz Ziel sein, denn Versuche, Alkoholabhängige zu "kontrollierten Trinkern" zu machen, scheitern in den meisten Fällen. Von einem abrupten, vollständigen Alkoholverzicht raten viele Experten jedoch ab, um eventuelle gesundheitliche Risiken durch Entzugserscheinungen zu vermeiden. Ratsamer sei es, dem Alkohol allmählich zu entsagen.
Einem Teil der Betroffenen gelingt es, die Alkoholabhängigkeit alleine in den Griff zu kriegen. Gelingt dies nicht, gibt es verschiedene Therapiemassnahmen, um von der Sucht loszukommen. Ursprünglich waren diese Massnahmen auf schwer Alkoholabhängige ausgerichtet. Mittlerweile gibt es aber auch (flexible) Therapieformen, die sich an Patienten richten, deren Abhängigkeit sich noch in einem Anfangsstadium befindet.
Entzugstherapien
Ambulanter Entzug:
Diese Therapieform richtet sich vor allem an Patienten, deren Alkoholsucht noch nicht weit fortgeschritten ist, die sozial integriert sind und bei denen gesundheitliche Komplikationen (etwa Krampfanfälle, Delirien) ausgeschlossen werden können.
Der ambulante Entzug geht in der Regel über eine Dauer von etwa zwei Wochen. Er findet zu Hause statt - allerdings unter ständiger medizinischer Überwachung. In der ersten Woche reduziert der Patient seine Trinkmenge schrittweise auf null und lässt sich täglich in einer Arztpraxis oder Ambulanz untersuchen (bei Bedarf können dort auch Medikamente zur Linderung von Entzugssymptomen verschrieben werden). In der darauffolgenden Woche können die Arztbesuche dann nur jeden zweiten Tag erfolgen.
Teilstationärer Entzug:
Auch der teilstationäre Entzug, der in der Regel über einen Zeitraum von einigen Wochen erfolgt, ist in erster Linie für Betroffene geeignet, die in einem gesicherten sozialen Umfeld leben und bei denen die Alkoholabhängigkeit noch nicht weit fortgeschritten ist.
Bei dieser Entgiftungsmassnahme verbringt der Patient den kompletten Tag in einer Klinik und kehrt am Abend sowie an den Wochenenden in sein gewohntes Umfeld zurück. Der Vorteil dieser Therapieform gegenüber dem ambulanten Entzug: Der Abhängige ist tagsüber permanent unter Beobachtung - er ist somit nicht etwa auf sich alleine gestellt und kann zudem bei eventuellen körperlichen Entzugssymptomen unmittelbar ärztlich versorgt werden.
Stationärer Entzug:
Ein stationärer Aufenthalt, der zwischen sieben und zehn Tagen dauert, ist nur in wenigen Fällen dringend erforderlich. Ist die Abhängigkeit etwa stark ausgeprägt und sind schwere körperliche Entzugserscheinungen zu erwarten, empfiehlt sich die Entgiftung in einem Krankenhaus mit umfassender medizinischer Betreuung.
Qualifizierter Entzug:
Fachkliniken und psychiatrische Einrichtungen bieten starken Alkoholikern auch einen mehrwöchigen qualifizierten Entzug an. Dieser wird besonders Patienten empfohlen, die in einem problematischen Umfeld leben, wo es ihnen schwer fällt, abstinent zu bleiben. Für sie kann die Klinik einen schützenden Rahmen bieten, um sich fernab vom Alltagsstress voll und ganz auf sich und den Entzug zu konzentrieren.
Der qualifizierte Entzug setzt sich aus einer stationären Entgiftung und einer begleitenden psychotherapeutischen und eventuell auch medikamentösen Behandlung zusammen. Die Länge des Klinikaufenthaltes ist dabei unterschiedlich: Kurzzeittherapien gehen etwa über sechs bis acht Wochen, Langzeittherapien sind auf zwölf bis 16 Wochen angelegt.
Reha-Massnahmen
Um Betroffene vor einem möglichen Rückfall zu bewahren, ist es generell ratsam, eine längerfristige psychotherapeutische Behandlung an den Entzug anzuschliessen. Denn für viele Abhängige ist es unmöglich, ihre Lebensumstände wie ihr Umfeld grundlegend zu ändern. Dadurch stellt die Abstinenz für sie häufig eine lebenslange Herausforderung dar. Um zumindest in der ersten Zeit nach dem Entzug die neuen Gewohnheiten zu festigen, bieten sich verschiedene Rehabilitations-Therapien an.
Verhaltenstherapie:
Nur wer motiviert ist und diejenigen Verhaltensmuster durchschaut und ändert, die zu der Alkoholsucht geführt haben, hat eine Chance auf dauerhafte "Heilung". Eine Methode mit den besten wissenschaftlich belegten Erfolgschancen stellt die Verhaltenstherapie dar.
Bei dieser Methode werden zunächst die Gründe für den unkontrollierten Alkoholkonsum (dazu zählen äussere Bedingungen wie Stress oder Vorbilder) und die Ziele erörtert, die mit dem Trinken erreicht werden sollten (etwa Geselligkeit oder Entspannung). In Zusammenarbeit mit dem Patienten werden anschiessend alternative Verhaltensmöglichkeiten gesucht und mittels praktischer Übungen gefestigt, mit denen sich eben diese Ziele erreichen lassen.
Dieser Therapieansatz setzt sich in deutschen Suchtkliniken immer mehr durch.
Psychoanalyse oder Paar- und Familientherapien:
Im Gegensatz zu der praktisch ausgerichteten Verhaltenstherapie setzen andere Kliniken auf die Psychoanalyse nach Sigmund Freud beziehungsweise auf Paar- oder Familientherapien.
Bei dieser Methode geht es darum, destruktive Beziehungsmuster - als Auslöser oder Folge der Alkoholabhängigkeit - zu analysieren und den Patienten dabei zu helfen, diese durch positive zu ersetzen und dabei selbst eine gefestigtere Persönlichkeit zu entwickeln.
Selbsthilfegruppen:
Unterstützung, damit die Abstinenz dauerhaft gelingt, erhalten Betroffene in Selbsthilfegruppen. In Deutschland gibt es schätzungsweise 7.000 solcher Gruppen für Abhängige und deren Angehörige.
Zwar ist die Wirksamkeit solcher Gruppen (etwa die Anonymen Alkoholiker, der Deutsche Guttempler-Orden, der Kreuzbund oder das Blaue Kreuz) wissenschaftlich nicht belegt. Dennoch kann es besonders in Krisensituationen für Betroffene hilfreich sein, über ihre Probleme zu sprechen und sich mit anderen auszutauschen. Experten empfehlen daher die Teilnahme an Selbsthilfegruppen als Ergänzung zu anderen Massnahmen.
Neue Medikamente für dauerhafte Abstinenz
Neben therapeutischen Massnahmen können auch Arzneimittel die Alkohol-Abstinenz unterstützen und das Rückfallrisiko minimieren. Gerade in diesem Bereich fördert die Wissenschaft immer neue, vielversprechende Ergebnisse im Kampf gegen die Alkoholsucht zutage.
So soll etwa das seit Kurzem in Deutschland zugelassene Medikament Naltrexon die Trinkmengen von Abhängigen als auch das Verlangen nach Alkohol (fachsprachlich "Craving") deutlich reduzieren können. Dabei blockiert der Wirkstoff Andockstellen für Lust erzeugende Opioide im Gehirn, hemmt so das körpereigene Belohnungssystem und nimmt dem Alkohol seine angenehmen Effekte. Mehrere Studien bestätigen die Wirkung von Naltrexon.
Ähnlich soll auch das Medikament Chlorzoxazon funktionieren, das auf das Belohnungszentrum im Gehirn Einfluss nehmen und so das "Craving" dämpfen kann.
Aber Suchtexperten warnen vor zu viel Euphorie, denn die Medikamente helfen nur etwa jedem fünften Alkoholiker. Auch das zunächst äusserst erfolgversprechende Arzneimittel Baclofen, das vor einigen Jahren Schlagzeilen machte und Alkoholkranke hoffen liess, zeigte bei näheren Untersuchungen ernüchternde Daten. Das Medikament war durch den US-Kardiologen Olivier Ameisen bekannt geworden, der sich mittels Baclofen von seiner eigenen Alkoholsucht befreite - allerdings mittels sehr hohen Dosierungen (270 mg/d). Davon raten Mediziner aber dringend ab, da schon eine Dosis von über 120 mg beträchtliche Nebenwirkungen hervorrufen kann. Bislang ist Baclofen ausschliesslich bei bestimmten Formen von Spastik zugelassen.
Doch die Wissenschaftler geben nicht auf und forschen weiter im Kampf gegen die Alkoholkrankheit. Neue Ansätze, die derzeit diskutiert werden, um das Suchtverlangen zu lindern und dem Kontrollverlust beim Trinken entgegenzuwirken, sind etwa Wirkstoffe gegen Stress induzierende Neurotransmitter, Glycin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.