Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Süssstoff Aspartam als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft. Sie rät zur Mässigung, aber die erlaubte Tagesdosis bleibt gleich. Um den Grenzwert der empfohlenen Höchstmenge zu überschreiten, müsste man ohnehin sehr viele mit dem Stoff gesüsste Produkte zu sich nehmen.

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Der häufig in Softdrinks, Joghurt und Kaugummi eingesetzte Süssstoff Aspartam kann laut einer neuen Experteneinstufung unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen - aber in den üblichen konsumierten Mengen dürfte er kein Problem darstellen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Süssstoff daher zwar als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft, ändert ihre Richtlinien aber trotz der neuen Einstufung nicht.

Sie sieht in den zugrundeliegenden Studien keine Hinweise darauf, dass ein Verzehr im Rahmen der empfohlenen Höchstwerte gefährlich sein könnte. Wer sich daran halte, setze sich nach derzeitigem Wissensstand keinem höheren Krebsrisiko aus, berichtete die WHO. Die erlaubte Tagesdosis bleibe daher gleich.

"Ein Softdrink ab und zu oder Kaugummi: Da sollte man sich [...] keine Sorgen machen."

Francesco Branca, Direktor für Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit bei der WHO

"Wir raten Unternehmen nicht dazu, ihre Produkte zurückzurufen, und wir raten Verbrauchern auch nicht, den Konsum komplett einzustellen", sagte Francesco Branca, Direktor für Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit bei der WHO, am Freitag in Genf. "Ein Softdrink ab und zu oder Kaugummi: Da sollte man sich nach jetzigem Stand keine Sorgen machen", fügte er hinzu. Man rate nur zur Zurückhaltung.

Aspartam in vielen Light-Produkten

Aspartam ist ein synthetisch hergestellter kalorienarmer Süssstoff. Er ist laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) etwa 200 Mal süsser als Zucker. Aspartam ist seit vielen Jahren für den menschlichen Verzehr zugelassen, etwa als Tafelsüssstoff oder in Lebensmitteln wie Erfrischungsgetränken, Kaugummi, Joghurt, Eis, Senf, Sossen, sowie in Zahnpasta, Hustensaft und manchen Vitamintabletten. Der Süssstoff muss auf dem Etikett angegeben sein, entweder mit Namen oder seiner E-Nummer (E951). Aber wie viel davon im Produkt ist, erfahren Konsumenten in der Regel nicht.

Zum Verhindern von Karies sind Süssungsmittel nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine gute Alternative zu Zucker. Schlank machten Süssungsmittel per se nicht, bei ausgewogener Ernährung und Bewegung könnten sie aber beim Abnehmen helfen, da sie keine Energie lieferten. Die WHO kam im Mai zu einem anderen Ergebnis. Sie riet davon ab, zuckerfreie Süssstoffe zur Gewichtskontrolle einzusetzen. Das helfe höchstens kurzfristig, um abzunehmen oder nicht weiter zuzunehmen. Bei Erwachsenen erhöhe der langfristige Konsum nach Studien unter anderem das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu zuckerfreien Süssstoffen zählt die WHO alle synthetischen und natürlichen Süssstoffe, auch Produkte aus der Pflanze Stevia.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), ein Gremium der WHO, bewertete Anfang Juni im französischen Lyon zum ersten Mal die Kanzerogenität von Aspartam. Die Arbeitsgruppe habe Aspartam als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft, erklärte die WHO nun. Aufgrund der begrenzten Beweise für das hepatozelluläre Karzinom, eine Form von Leberkrebs, sei es in die Kategorie Gruppe 2B eingeordnet worden. Auch bei Versuchstieren habe es nur begrenzte Beweise für Krebs gegeben.

In der Gruppe 2B seien auch Aloe-Vera-Extrakte und die in Kaffee und Tee enthaltene Kaffeesäure enthalten, sagte Paul Pharoah, Professor für Krebsepidemiologie, am Cedars-Sinai-Krankenhaus in Los Angeles. Die breite Öffentlichkeit müsse sich bei einer Chemikalie, die der Gruppe 2B zugeordnet werde, keine Sorgen über das Krebsrisiko machen, sagte Pharoah.

Höchstmenge nur mit 9 bis 14 Dosen Diätlimo zu erreichen

Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang: Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben, erklärte Mary Schubauer-Berigan. Sie leitet das für die Einstufung zuständige IARC-Monographs-Programm.

Risiko-Analysen für Menschen machen andere Institutionen, etwa der Ausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO und der UN-Agrarorganisation FAO (JECFA) - oder Behörden für Lebensmittelsicherheit wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Die empfohlene Höchstmenge von Aspartam liegt bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Den Grenzwert würde ein Mensch mit 70 Kilogramm Gewicht erst erreichen, wenn er an einem Tag 9 bis 14 Dosen herkömmlicher Grösse mit stark aspartamhaltigem Diätgetränk trinkt, erklärt die WHO. Wer nur hin und wieder eine Diätlimo trinke, müsse sich keine Sorgen machen.

Beweislage begrenzt - mehr Studien nötig

Den Verdacht, dass Aspartam Krebs auslösen könnte, gibt es schon lange, ohne dass er in Studien bislang eindeutig bestätigt wurde. Auch die drei neuen Studien mit Menschen, die die IARC zugrunde legte, sind nur begrenzt aussagefähig. In Tierstudien habe es bei extrem hohen Mengen an Süssstoffen Hinweise auf ein Krebsrisiko gegeben, sagt DGE-Sprecherin Antje Gahl. "Die Mengen sind allerdings für den menschlichen Verzehr so gar nicht üblich beziehungsweise unverhältnismässig hoch, so dass daher keine direkten Hinweise für den Menschen abgeleitet werden konnten."

Alle Studien hätten für die Beurteilung von Aspartam gewisse Mängel aufgewiesen, räumten auch die IARC-Fachleute ein. Deshalb betont die IARC, dass die Beweislage begrenzt ist. Nach Angaben von Schubauer-Berigan und Branca ist die neue Klassifizierung ein Aufruf an die Wissenschaft. Es seien dringend mehr Studien nötig. (AFP/dpa/lag/cze)

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