• Wir sind wütend! Und das ziemlich häufig und oftmals aus gutem Grund.
  • Doch woher kommt Wut überhaupt und wie sollten wir damit umgehen, wenn wir mal wieder kurz davor sind, die Fassung zu verlieren?
  • Experte Udo Baer gibt im Interview Tipps, wie wir mit Wut besser umgehen können.
Ein Interview

Mehr Gesundheitsthemen finden Sie hier

Mehr zum Thema Gesundheit

Der Diplom-Pädagoge und Wut-Experte Udo Baer kennt nicht nur gute Tipps, wie wir Wut am besten kanalisieren. Er weiss auch, worin die Vorteile dieses intensiven Gefühls liegen können.

Her Baer, wir alle waren schon mal wütend. Wie entsteht Wut?

Udo Baer: Wut ist ein Gefühl, ähnlich wie Ärger oder Zorn. Es tritt auf, wenn Menschen etwas ändern wollen. Wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind bei sich selbst oder bei anderen.

Welche Funktion hat es, wenn wir wütend werden?

Baer: Die Funktion, der Sinn von Wutgefühlen, ist die Veränderung. Wenn ich mich ärgere, dass ich einen Termin vergessen habe, dann will ich das nicht mehr. Wenn ich wütend über ein ungerechtes Verhalten meines Partners oder meiner Vorgesetzten bin, dann will ich das ändern. Ohne Wutgefühle keine Veränderung. Ohne Ärger kein Wandel.

Das klingt, als wäre Wut etwas Gutes. Warum empfinden wir sie trotzdem als unangenehm?

Baer: Wut wird von den meisten Menschen als unangenehm empfunden, weil sie selbst Opfer von Wutausbrüchen geworden sind. Meist von solchen, die sie als Person verletzt und entwürdigt haben. Wut, Ärger, Zorn sollte sich möglichst konkret auf konkretes Verhalten beziehen. Dann fühlen sich Menschen nicht "fertig gemacht".

Wenn man dazu neigt, schnell wütend zu werden oder Wut sehr intensiv zu empfinden: Was kann man in diesen Fällen tun?

Baer: Entscheidend für einen gesunden Umgang mit den aggressiven Gefühlen ist, dass wir uns darum bemühen, sie möglichst konkret zu äussern und immer wieder auf konkretes Verhalten zu beziehen. Wenn wir in unserer Wut masslos sind, dann kann das Menschen entwürdigen und verletzen. Sollte man zu sehr intensiver und schnell herausbrechender Wut neigen, sind drei Empfehlungen nützlich:

Wechseln Sie die Ebene. Wenn die Wut sich abzeichnet, sollten Sie sie körperlich ausagieren. Waschen Sie ab, fahren Sie Fahrrad, pflanzen Sie Blumen um oder ähnliches.
Oft besteht eine geheime Quelle von Wutneigungen darin, dass im Leben etwas ungelebt ist, was aber leben möchte. Fragen Sie sich: Was sind Ihre geheimen Sehnsüchte, was kommt in Ihrem Leben vielleicht zu kurz?
Manchmal ist masslose Wut aber auch angemessen. Wenn ich zum Beispiel bestimmte Nachrichten lese oder höre, empfinde ich so und ich akzeptiere meinen heftigen Zorn.

Das heisst, wir sollten der Wut besser freien Lauf lassen, anstatt sie zu unterdrücken?

Baer: Wenn wir Wut einsperren, kann dies krank machen. Die berühmten Magenschmerzen, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und vieles andere mehr können die Folgen sein. Wenn ich auf einen anderen Autofahrer schimpfe, der mich gefährdet, kann mich das entlasten. Wer nur alle aggressiven Gefühle herunterschluckt, wird oder bleibt selbst Opfer der Aggressionen anderer.

Kann Wut denn auch etwas Nützliches sein?

Baer: Wut kann nützlich sein, weil Menschen so merken können, was andere verletzt. Wenn ich meine Wut zeige, weil mein Freund nie die Initiative zu einem Treffen ergreift und immer ich es sein muss, der anruft, dann hat er dadurch die Chance, sein Verhalten zu ändern. Wenn ich die Wutgefühle unterdrücke, bleibt alles so, wie es ist.

Über den Experten: Dr. Udo Baer (Jahrgang 1949) ist Diplom-Pädagoge und Autor zahlreicher Ratgeber, darunter "Das grosse Buch der Gefühle", in dem er unter anderem das Thema Wut behandelt. Er ist Mitbegründer der Zukunftswerkstatt "therapie kreativ" und Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB).

Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch einen Arzt.

Hinweis: Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.