Die Generation Z ist umweltbewusst und reist nachhaltig? Nicht ganz! Eine datenjournalistische Analyse über die Mobilität der jungen Generation in Gegenwart und Zukunft.

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Cro: Einmal um die Welt

Beim Cro-Hit "Einmal um die Welt" grölten sie 2012 noch alle mit. Frühstücken in Paris, dann ab in den Flieger und zum Joggen auf Hawaii. Was für ein Leben!

Heute ist das natürlich ganz anders: Jetzt legen die jungen Erwachsenen Wert auf Nachhaltigkeit und bewegen sich ökologisch bewusst fort. Zumindest denken das viele.

Veränderte Mobilität

Thomas Sauter-Servaes, aus seinem Schweizer Büro zugeschaltet, ist "skeptisch, ob die Jugend wirklich nachhaltiger unterwegs ist". Er ist Mobilitätsforscher und leitet den Studiengang Verkehrssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er hat zwar festgestellt, dass junge Haushalte im Durchschnitt weniger Autos besitzen als ältere. Er macht dies aber nicht in erster Linie am Klimabewusstsein fest, sondern an anderen Effekten.

Zum einen haben sich typische Situationen, in denen sich viele ein Auto kaufen, im Leben nach hinten verschoben: Junge Erwachsene steigen in der Regel später in den Beruf ein und gründen auch später eine Familie. Zum anderen – und diesen Effekt findet Sauter-Servaes noch viel entscheidender – mache es einen Unterschied, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land lebt. In ländlichen Regionen sei ein Auto weiterhin entscheidend für "Freiheit und Selbstbestimmung". Ähnliche Schlüsse legen auch verschiedene Daten aus Studien zur Mobilität nahe.

Ob sich die Generation Z, also diejenigen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, wirklich anders fortbewegt als Vorgängergenerationen, ist nicht eindeutig. Ein signifikanter Wechsel in den genutzten Verkehrsmitteln ergibt sich aus den vorliegenden Daten jedenfalls nicht.

In Erhebungen im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und Digitales gaben 74 Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 29 Jahren an, ein Fahrrad zu besitzen, während 81 Prozent einen Führerschein hatten. Damit wurden die Zahlen der Vorgängerstudie bestätigt. Zugenommen hat seit 2002 der Anteil derer, die eine Zeitkarte für den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Mobilität als Statussymbol

Schon seit Jahren gehört für immer weniger junge Erwachsene ein Auto einfach dazu. Das ergeben die Zahlen aus dem Deutschen Mobilitätspanel. Allerdings spiegelt sich dieser Trend nicht so deutlich in der Zahl derer wider, die tatsächlich ein Auto besitzen.

Frühstück in Paris und danach Joggen auf Hawaii

und um das Ganze noch zu toppen, gehen wir shoppen in L.A.

Cro: Einmal um die Welt

Dennoch: "Früher war es ein Statussymbol, mit 18 ein eigenes Auto zu haben", sagt Thomas Sauter-Servaes. Diese Bedeutung kann er heute nicht mehr erkennen.

Dafür habe aber der Stellenwert von Reisen zugenommen und das eigene Auto als Statussymbol abgelöst. Er stelle eine zunehmende Reiselust als "eine Art Nach-Corona-Effekt" fest – gerade bei jungen Menschen. Fluggesellschaften verzeichnen nach der Pandemie zwar einen Rückgang an Geschäftsreisen, die Zahl der Urlaubsflüge nehme im Gegensatz dazu aber eher zu.

Einer Flugstudie des Fraunhofer-Instituts zufolge ist die Altersgruppe zwischen 16 und 25 Jahren sogar diejenige, die innerhalb eines Jahres die meisten Flüge innerhalb Europas zurücklegt. Dazu zählen Urlaubsflüge und andere Freizeit-Flüge wie Familienbesuche, während Dienstreisen aussen vor bleiben.

Prognosen zu den genutzten Verkehrsmitteln

Nach den Prognosen des Münchner Instituts für Mobilitätsforschung (ifmo) wird das Flugzeug als Verkehrsmittel wohl auch in Zukunft in etwa seinen aktuellen Stellenwert halten können – zwar mit leichten Verlusten, aber ohne wirklich starke Einbussen. Solche Prognosen sollen etwa Firmen aus der Auto- und Luftfahrtindustrie dabei helfen, sich auf die Zukunft auszurichten. Dadurch haben sie wiederum ganz konkrete Auswirkungen auf die Gegenwart.

Das Münchner Institut hat verschiedene Mobilitätsszenarien für 2035 entworfen, die sich danach richten, wie sich die Gesellschaft in der Zwischenzeit verändern wird:

Im Szenario "Musterschüler" wird davon ausgegangen, dass die Wirtschaft innovationsfreudig und konkurrenzfähig ist und ein ökologischer Lifestyle bei den Menschen in Deutschland vorherrscht. Im zweiten Szenario "Mut zur Lücke" geht es den Bürgerinnen und Bürgern gut und sie sind zufrieden mit ihrer Situation. Deshalb werden sie allerdings weniger produktiv.

Die unterschiedlichen Entwicklungen wirken sich jedoch kaum darauf aus, welche Verkehrsmittel die Menschen im Jahr 2035 voraussichtlich nutzen werden. Lediglich der öffentliche Nahverkehr verzeichnet im zweiten Szenario einen deutlichen Zuwachs von 12,5 Prozent auf 16,7 Prozent.

Innovation in der Städteplanung

Von Prognosen dieser Art hält Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes nicht allzu viel. Er empfiehlt zu handeln: "Schauen wir, wo wir eigentlich hinwollen." Bis ins Jahr 2035 wird sich seiner Ansicht nach einiges ändern müssen. Modelle wie die 15-Minuten-Stadt in Paris oder das Block-Modell in Barcelona zeigten, "was sich da schon getan hat".

Das Pariser Projekt sieht vor, dass jede und jeder innerhalb der Stadt alle wichtigen Einrichtungen binnen 15 Minuten fussläufig oder mit dem Rad erreichen kann, während die Idee aus Barcelona die Stadt in schachbrettartige Häuserblocks aufteilt. Die Autos können dann nur noch um die Wohnblocks herum und nicht in die kleinen Seitenstrassen hinein fahren.

"Wenn ich Infrastruktur baue, werde ich Verkehr ernten", sagt Professor Thomas Sauter-Servaes und ruft dazu auf, an einer Vision für die Stadt in 30 Jahren zu arbeiten, statt sich auf den Eintritt von Prognosen zu verlassen.

Für die Generation Z sei es allerdings schon fast zu spät, ihr Verkehrsverhalten anzupassen. Zu sehr sei sie "schon festgefahren in ihren Mobilitätsroutinen". Vielleicht ein Grund, warum sich weder in aktuellen Erhebungen noch in Zukunftsprognosen deutlich merkbare Veränderungen in der Mobilität abzeichnen. Sauter-Servaes setzt aber darauf, dass sich durch innovative Stadtplanung das Verhalten der Menschen verändern und damit der Verkehr in neue Bahnen lenken lässt.

Verwendete Quellen:

Über den Gesprächspartner:

  • Prof. Dr. Thomas Sauter-Servaes lehrt an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Dort leitet er den Studiengang Verkehrssysteme und erforscht, wie Menschen sich fortbewegen. Darüber hinaus ist er Standortkoordinator der Schweiz im Master "Europäische Bahnsysteme".

Dieser Beitrag gehört zum Projekt der Abschlussklasse S21 der Journalistenschule ifp und ist in Zusammenarbeit mit der Redaktion von WEB.DE und GMX entstanden. Das gesamte Projekt finden Sie hier:

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