- In der Netflix-Serie "The One" ermittelt eine Partneragentur Traumpartner auf DNA-Basis.
- Tatsächlich gibt es Singlebörsen, die auf Gen-Matching setzen.
- Biologe Claus Wedekind spricht über Fiktion und Realität und darüber, wie der Körpergeruch die Partnerwahl beeinflussen kann.
Ein Mundabstrich oder ein Haar genügt, dann wird die Probe sauber verpackt in ein Labor der Firma "The One" geschickt. Mit etwas Glück gibt es schon kurz darauf die erlösende Nachricht: ein perfekt zum eigenen DNA-Profil passender Partner ist gefunden. Vielleicht ganz in der Nähe, vielleicht aber auch weit weg, auf einem fernen Kontinent.
Weil die Gene sich perfekt ergänzen, erwartet Kunden der Partnerbörse "The One" die ganz grosse Liebe – und pure Leidenschaft. Und weil jeder seinen Traumpartner finden will, steigt nicht nur die Zahl der Traum-Matches, auch die Scheidungsrate schnellt in die Höhe. Eheleute verlieren ihre Partner, Kinder ihr intaktes Elternhaus. Der Preis für die ganz grosse Liebe ist mitunter hoch.
Doch der Bruch mit dem Partner scheint sich zu lohnen, wie Magneten ziehen sich diejenigen an, die offenbar von Natur aus zusammengehören – und durch freundliche Unterstützung von "The One" zusammenfinden. Gegen die magische Anziehungskraft, die Mutter Natur ihren Kindern in die Gene gelegt hat, kommt kaum einer an. Knapp zusammengefasst geschieht genau das in der heiss diskutierten Netflix-Serie "The One – finde dein perfektes Match".
Partnervermittlung mittels Gentest
Die Science-Fiction-Serie mit Hannah Ware in der Rolle der skrupellosen Gründerin der Partneragentur "The One" basiert auf dem gleichnamigen Roman von John Marrs. Ganz aus der Luft gegriffen ist die Idee nicht. In der Tat gibt es Partneragenturen, die anbieten, genetisch zueinander passende Menschen mittels Gentests zu ermitteln und hoffentlich ähnlich erfolgreich wie in der Serie zu vermitteln.
Während die DNA-Partnerbörsen eher ein Nischendasein fristen und Liebeshungrige sich wohl eher durch etablierte Apps swipen, ist das Interesse an der Serie "The One" gross. Auch der Schweizer Biologe Claus Wedekind, Professor an der Universität Lausanne, hat die Serie angeschaut – wohl eher aus beruflichem Interesse als zu Entertainmentzwecken. Er leitete die bekannte Studie "MHC-dependent mate preferences in humans", bei der untersucht wurde, wie Körpergeruch die Wahl eines potentiellen Partners beeinflussen kann.
Evolutionsexperte Claus Wedekind über "The One": absurdes Szenario
Was sagt er zu den Szenen in "The One"? Gibt es das Traum-Match dank passender Gene und fallen sich genetisch Kompatible wirklich so leidenschaftlich um den Hals wie in der Serie? "Das Szenario, das in der Serie aufgebaut wird, ist ziemlich absurd. Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass es ein Gen gibt, das dieses perfekte Match produziert. Was wir aber gefunden haben, ist, dass Gene des Immunsystems – sogenannte MHC-Gene – die Körpergerüche beeinflussen und auch Vorlieben für Körpergerüche von MHC beeinflusst werden und zwar von der Art, dass unähnliche Gentypen bevorzugt werden."
Weiter verrät er: "Wir haben einen Geruchstest mit T-Shirts gemacht, die von Männern getragen und von Frauen berochen und beurteilt wurden." Teilnehmerinnen bevorzugten den Geruch von Männern mit gegensätzlichen MHC-Genen. "Es gibt mittlerweile sehr viele Datensätze, die bestätigen, dass Körpergeruchspräferenzen und generell Geruchspräferenzen von Genen abhängen und dementsprechend die Partnerwahl beeinflussen können – aber nicht müssen."
Moderne Gesellschaft beeinflusst wohl ursprüngliche Prozesse
Doch nicht nur Parfums und Deos können natürliche Geruchsvorlieben bei der Partnerwahl beeinflussen. "Wir würden voraussagen, dass moderne Gesellschaften, in denen die Menschen von überall herkommen und die genetische Durchmischung sehr gross ist, solche ursprünglichen Prozesse beeinflussen und man diese MHC-Effekte nicht mehr so deutlich sehen sollte", sagt Wedekind.
Anders sieht es in sehr eng definierten Gesellschaften wie den Hutterern in Nordamerika aus. Die religiöse Gemeinschaft bleibt sehr unter sich, Männer und Frauen heiraten innerhalb dieser Gruppe. "Dementsprechend ist diese Gruppe genetisch sehr eng definiert", erklärt Wedekind.
"Wenn man hier schaut, wie die Genetik die Partnerwahl beeinflusst, dann findet man in diesen Gemeinschaften tatsächlich Ehepaare, die eher MHC-unähnlich sind." Heisst: In diesen Gemeinschaften haben die MHC-Gene offenbar die Partnerwahl beeinflusst. "Aber ich rede hier von statistischen Effekten. Im Einzelfall können Sie gar nichts sagen. Im Einzelfall gilt absolutes Chaos. Diese statistischen Effekte sieht man erst, wenn man sehr grosse Stichproben anschaut. Dann findet man leichte Verschiebungen in den Frequenzen, also kleine Effekte – nicht so wie sie in der Serie 'The One' dargestellt werden."
Wie sinnvoll ist genbasiertes Dating?
Wenn genetisch zueinander passende Paare also nicht wie in "The One" eine unbändige Anziehungskraft verspüren, macht das Konzept von DNA-Partneragenturen dann überhaupt Sinn? "Ich würde nicht sagen, dass es keinen Sinn ergibt. Wenn Partner geruchlich nicht zueinander passen, kann das schon ein Problem sein für die Partnerschaft", sagt Wedekind.
Natürlich gebe es viele Variationen. "Für viele Menschen sind Gerüche nicht so wichtig, für andere sind sie sehr wichtig. Wenn man den Geruch des Partners nicht mag, dann gebe ich der Partnerschaft keine grosse Erfolgswahrscheinlichkeit. Aber das ist auch wieder ein statistischer Effekt, sicherlich gibt es da von Paar zu Paar verschiedene Voraussagen", sagt der Biologe.
Spannend wird es beim Thema Kinderwunsch: "Was wir wissen, ist, dass die MHC-Ähnlichkeit einen Einfluss hat auf die Fertilität. Dementsprechend kann man schon sagen, dass Argumente von diesen Partnerwahl-Instituten nicht völlig absurd sind." Wedekind illustriert: "Wir schauten die MHC-Effekte experimentell bei Pferden an. In einem Experiment haben wir Stuten zum Zeitpunkt ihrer Ovulation Hengsten ausgesetzt. Sie konnten die Hengste nur hören, sehen und riechen, es kam nicht zu näherem Kontakt. Die Hengste waren entweder MHC-ähnlich, bei diesen erwarteten wir, dass sie für die Stuten eher nicht attraktiv sind – oder sie waren unähnlich, hier erwarteten wir, dass sie für die Stuten attraktiv sind."
Höhere Befruchtungsrate durch attraktiven Körpergeruch
Die Stuten wurden anschliessend instrumentell mit Spermien aus einer Samenbank von Zuchthengsten befruchtet. Zwei Wochen später schaute das Team, ob die Stuten trächtig sind. "Wir wollten wissen, ob die Befruchtung eher stattfindet, wenn die Stute mit einem MHC-unähnlichen Hengst Kontakt hatte, also einem auf sie attraktiv wirkenden Hengst, obwohl sie nicht die Spermien von diesem Hengst bekommen hat. Mit dem Hengst haben wir quasi das soziale Umfeld der Stute manipuliert."
Und die Vermutung von Claus Wedekind und seinem Team wurde bestätig: "Mit dieser Manipulation konnten wir die Befruchtungsrate um 20 Prozent erhöhen. Die Stuten haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, wenn sie MHC-unähnlichen Gerüchen ausgesetzt sind."
Aus diesem Experiment zieht der Evolutionsexperte interessante Schlüsse: "Das ist bei Pferden so und wir nehmen Pferde nur als ein Modell für Wirbeltiere – mit der Idee, dass wir einen Mechanismus erforschen, von dem wir glauben, dass er vielleicht 100 Millionen Jahre alt ist. Wenn wir ihn bei irgendeinem Säugetier finden, das wir uns mehr oder weniger zufällig ausgesucht haben, dann können wir schon argumentieren, dass dieser Mechanismus auch bei anderen Säugetierarten vorkommen sollte, vielleicht sogar beim Menschen."
Unähnliche Gene, höhere Fertilität?
Natürlich kann man solche Experimente nicht mit Menschen durchführen. Spannendes berichtet Wedekind aber von Untersuchungen seiner Kollegen der University of Chicago, die bei Paaren der nordamerikanischen Hutterer die Fruchtbarkeit beobachteten.
In dieser religiösen Gemeinschaft wird keine Schwangerschaftsverhütung betrieben, die Familien sind normalerweise sehr gross. "Die Periode zwischen zwei aufeinanderfolgenden Geburten gibt uns ein Mass für die Fertilität dieser Beziehung", erklärt Wedekind. "Die Kollegen aus Chicago haben sich die Perioden zwischen zwei Geburten angeschaut und haben das korreliert mit der Ähnlichkeit auf dem MHC zwischen Mann und Frau. Je unähnlicher das Paar auf diesen Genen ist, desto kürzer ist die Periode zwischen zwei Geburten, desto fruchtbarer ist das Pärchen."
Das sei zwar kein experimenteller Beweis, aber ein starker Hinweis und passe sehr gut mit Wedekinds experimentellen Daten zusammen. "Diese Gene, die wir anschauen, können die Partnerwahl beeinflussen, sie können die Fruchtbarkeit beeinflussen und deshalb sind sie nicht irrelevant."
Romantische Szenen wie in der Serie "The One" dürfen Singles, die sich bei der Partnersuche auf ihre Nase oder aber auf eine Gen-Matching-Agentur verlassen, wohl trotzdem nicht erwarten. Hoffnung, das Herzblatt noch aufzuspüren, gibt es aber doch: In Claus Wedekinds berühmter T-Shirt-Studie, in der von unparfümierten und undeodorierten Menschen getragene Hemden von anderen berochen und bewertet wurden, fielen die Reaktionen der Studienteilnehmer auf die Körpergerüche extrem unterschiedlich aus. Während eine Teilnehmerin einen Mann extrem gut riechen konnte, fühlte sich eine andere von dessen Geruch abgestossen. Auch zwischen Anziehung und Ekel gab es viele unterschiedliche Reaktionen auf die Körpergerüche der unparfümierten Herren.
Und welchen Schluss ziehen wir daraus? Vielleicht, dass für jeden ein passendes Match irgendwo herumschwirrt? "Genau, jedenfalls auf Geruchsebene", schmunzelt Claus Wedekind.
Verwendete Quelle:
- Gespräch mit Prof. Dr. Claus Wedekind
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