Die Globalisierung macht auch vor den Herzen nicht Halt. Immer mehr Paare führen eine Fernbeziehung und wohnen - zumindest zeitweise - weit voneinander entfernt. Viele trennen sogar Landesgrenzen. Vor allem der Job ist ausschlaggebend dafür, dass Paare in verschiedenen Städten wohnen. Eine Fernbeziehung ist schwierig, aber nicht selten. Was sind die grössten Herausforderungen der Liebe auf Distanz und wie kann man ihnen gegenüber treten?

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Fernbeziehungen sind kein reines Phänomen des 21. Jahrhunderts. Früher waren es vor allem Soldaten, Seefahrer oder Handelsleute, die ihre Frauen zu Hause zurück­lassen mussten. Heute kann es jeden treffen. Eine jobbedingte Migration zwingt viele Paare, einen Spagat zwischen Beruf und Privatleben zu vollführen. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung lebt in Deutschland immerhin jedes zehnte Paar nicht unter einem Dach zusammen.

Auch eine repräsentative Umfrage von der Online-Partnervermittlung Parship unter rund 1.000 Bundesbürgern zeigt, dass bereits 60 Prozent der Deutschen schon mindestens einmal in einer Fernbeziehung gelebt haben. Etwa jeder Fünfte (19 Prozent) hat sogar schon mehrfach mindestens 50 Kilometer vom Partner entfernt gewohnt.

Als Hauptgrund für die Liebe auf Distanz führt die Mehrheit der Deutschen ihre berufliche Situation an. 61 Prozent leben aufgrund des Jobs nicht mit dem Partner an einem Ort.

Fernbeziehungen bieten Freiraum

Dass Fernbeziehungen nicht per se etwas Negatives sein müssen, davon sind 11 Prozent der Deutschen überzeugt. Sie schätzen den Freiraum, den Fernbeziehungen mit sich bringen.

Bestimmte Zeiten sind für den Partner reserviert, alle andere Zeit steht zur freien Verfügung. Trotz Beziehung bleibt viel Zeit für Freunde, die Familie oder eigene Hobbys, ohne dabei den anderen zu enttäuschen.

"In einer Fernbeziehung ist es möglich, eine glückliche und erfüllte Partnerschaft zu leben und trotzdem die volle Aufmerksamkeit auf eigene Projekte zu richten", sagt auch die Psychologin und Fernbeziehungsberaterin Linda Mitterweger. "Es müssen weniger Kompromisse geschlossen werden: Unternehmungen, auf die der Partner keine Lust hat, werden einfach in die Zeit dazwischen gelegt."

Für freiheitsliebende Menschen, die viel Zeit in ihre eigene Entwicklung stecken, sind Fernbeziehungen somit eine grosse Chance.

Fernbeziehungen sind besser als ihr Ruf

Aus einer Studie von Kristall Jiang von der City University of Hong Kong und Jeffrey Hancock von der Cornell University geht ebenfalls hervor, dass diese Beziehungsform besser ist als ihr Ruf und nicht immer problematisch oder gar zum Scheitern verurteilt sein muss. Demnach öffnen sich Partner in Fernbeziehungen einander häufig intensiver und fühlen sich verbundener als Paare in Nah-Beziehungen. Die Studie legt nahe, dass dahinter vermutlich die etwas bessere Kommunikation steckt.

Die neuen Technologien haben die Liebe auf Distanz erträglicher gemacht. Mit WhatsApp, Viber, Skype & Co. lässt sich gratis chatten und telefonieren und mit dem Tablet neben der Kochplatte gemeinsam allein ein Abendessen zubereiten. So werden aus 300 Kilometern schnell nur noch 30 Zen­timeter Entfernung. Ausgiebig können Paare Details aus dem Alltag austauschen, ohne sich über die schwindel­erregenden Gebühren für ein Ferngespräch Gedanken machen zu müssen.

Fehlende Nähe ist die grösste Herausforderung

Tatsache ist aber, dass die meisten Menschen in einer Fernbeziehung unter der fehlenden Nähe des Partners am meisten leiden. Da ist dieses Vermissen. Die Sehnsucht nacheinander, nach der Schulter zum Anlehnen. Die Sehnsucht nach dem Gefühl von Verständnis ohne Worte und dem einverständlichen Schweigen. Nach den gemeinsamen Erlebnissen.

Ein Patentrezept gegen dieses Vermissen gebe es leider nicht, erklärt Linda Mitterweger. "Für viele Paare ist es jedoch hilfreich, die negative Gedankenspirale zu unterbrechen und eine positive Einstellung zu manifestieren: Auch wenn sie sich nicht immer persönlich sehen können, ist es doch ein grosses Geschenk, einen Partner gefunden zu haben, zu dem die Gefühle so stark sind - und der die eigenen Gefühle in gleichem Mass erwidert -, dass beide bereit sind, Strapazen auf sich zu nehmen.“

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Sehnsucht ist der Antrieb für die Fernbeziehung und damit ein entscheidender und nicht wegzudenkender Bestandteil.
Ohne sie wäre die Beziehung über die Distanz nicht denkbar. Paare könnten sich nicht motivieren, die weiten Strecken und die lange Zeit in räumlicher Trennung auf sich zu nehmen.

Fehlende gemeinsame Zukunftsperspektive

Weiter leiden Menschen in Fernbeziehungen darunter, womöglich keine gemeinsame Zukunftsperspektive zu haben. Es gibt berufliche oder persönliche Gründe, die beide an ihrem aktuellen Wohnort halten.

"Ich kann nur raten, sich bewusst zu machen, dass es immer eine Entscheidung ist, welche Priorität die Partnerschaft, aber auch andere Lebensbereiche gerade einnehmen", empfiehlt Paartherapeutin Mitterweger.

"Wenn die Beziehung gerade nicht im Mittelpunkt des eigenen Lebens steht, sondern beispielsweise der Beruf, die Pflege der eigenen Eltern oder das Familienleben mit den eigenen Kindern, dann ist das völlig in Ordnung und es kann den Paaren helfen, mit dieser Tatsache offen umzugehen und Akzeptanz zu zeigen."

Fernbeziehung: Planung und offene Kommunikation als Erfolgsfaktor

Generell müssen die Partner Strategien entwickeln, um die einsame, wie auch die gemeinsame Zeit möglichst bewusst zu gestalten.

Als entscheidend für das dauerhafte Gelingen einer Fernbeziehung sieht Linda Mitterweger eine ehrliche Kommunikation der eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen, um Enttäuschungen und Missverständnissen vorzubeugen sowie eine gute Planung und einen wertschätzenden Umgang miteinander. "Gerade wenn die Zeit knapp ist, ist es entscheidend, die Erwartungen für die gemeinsame Zeit, aber auch für den Kontakt dazwischen, eindeutig und immer wieder von Neuem zu klären.“

Sie rät Paaren in Fernbeziehungen daher, die Treffen rechtzeitig zu planen, um Vorfreude und eine gewisse Verbindlichkeit auch über die Distanz aufrechtzuhalten.

"Im Kontakt über die Ferne empfehle ich auf ungeteilte Aufmerksamkeit als Form der Wertschätzung zu achten, sagt Linda Mitterweger. "Nicht nur zwischen Tür und Angel telefonieren, sondern sich auch mal einen ganzen Abend füreinander zu reservieren und sich über den Videochat daten. All das erhält die Fernbeziehung dauerhaft aufrecht".

Doch auch wenn die Fernbeziehung nur als Übergangslösung geplant ist, bietet sie Chancen. Über die Distanz findet fast jeglicher Kontakt über Gespräche statt. So lernen sich die Menschen intensiv kennen und bleiben über lange Zeit im Austausch. Wo Paare in Nahbeziehungen längst zum Alltag übergegangen sind, entdecken Menschen in Fernbeziehungen immer noch neue Facetten am Partner und erhalten die Beziehung so aufrecht.

Linda Mitterweger ist Psychologin, Beziehungsexpertin, Online-Paartherapeutin und Beraterin in Sachen Fernbeziehung. Auf der Seite psy-on.de hilft sie Paaren und verrät ihr Rezept für eine erfolgreiche Beziehung.

Verwendete Ouellen:

  • Gespräch Linda Mitterweger PSY-ON
  • Paarship
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