Haben Sie sich schon mal gefragt: "Was ist, wenn er oder sie meine grosse Liebe gewesen war?" Wenn Gedanken an Verflossene nicht weniger werden, obwohl sie schon lange weg sind. Tipps zum Loslassen.

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Egal, ob man tatsächlich eine Beziehung geführt hat oder nur ein paar Dates hatte: Viele Menschen trauern ewig lang einer verflossenen "Liebe" hinterher. "The One that got away" – "die grosse Liebe, die entkommen ist" – wird hier häufig als Ausdruck verwendet, um Bedauern oder Nostalgie über diese vermeintlich verpasste Chance zu benennen.

Aus verschiedenen Gründen hat es mit dieser Person nicht funktioniert oder die Beziehung ist zerbrochen. Warum kann man diese Person trotzdem einfach nicht loslassen?

Auch wenn es sich so anfühlen mag, dass man nicht loslassen kann: "Loslassen ist am Ende eine Entscheidung. Und wahrscheinlicher ist, Sie möchten nicht loslassen", sagt der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann.

Die Gründe dafür können verschiedene sein: Hoffnung, Unzufriedenheit mit der aktuellen Beziehungssituation, vielleicht aber auch ein Verständnis von Romantik, das Ihnen vorgaukelt, das Schicksal hätte sie erst zusammengebracht und dann wieder getrennt.

Ein Problem kann auch sein, dass man die Idealvorstellung, was hätte sein können, mit der Realität vergleicht, so die Berliner Paartherapeutin Ilka Schütte. Die Vorstellung der Vergangenheit ist oft ein wenig schöner als die Realität. Was steckt hinter dieser idealisierten Vorstellung einer vergangenen Beziehung?

"Loslassen ist am Ende eine Entscheidung. Und wahrscheinlicher ist, Sie möchten nicht loslassen."

Eric Hegmann, Paartherapeut

Der Romantisierungseffekt der Vergangenheit

Dahinter steckt die Vorstellung, es gäbe einen perfekt passenden "Alles-mit-Einem-für-Immer-Partner", mit dem es aber nicht funktioniert hat, sagt Eric Hegmann. Er erlebe das Phänomen in der Praxis als eine Überromantisierung eines Partners oder einer Partnerin – alle Hoffnungen und Wünsche werden dabei auf diese Person projiziert.

Laut Psychologin Felicitas Heyne steckt hinter dem Phänomen des perfekten Partners ein Mythos. Die Einzel-, Paar und Familientherapeutin sagt knallhart: "Den perfekten Partner oder die perfekte Partnerin gibt es nicht." Solange man diesem Mythos nachhänge, könne man nie komplett glücklich und zufrieden in einer Beziehung werden.

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Diese Überromantisierung eines Partners oder einer Partnerin kann sich zuspitzen, wenn es zusätzlich zu einer Erinnerungsverzerrung kommt. Heyne nennt es den Romantisierungseffekt der Vergangenheit: In der Vergangenheit erscheinen schlimme Dinge in der Regel weniger schlimm, aber schöne Dinge in der Regel noch schöner. Wir vergessen das, was schlecht war, und überhöhen das, was gut war.

Diese idealisierten Momente, so sagt Ilka Schütte, rücken dann in den Vordergrund und man fängt an, die Vergangenheit mit der Realität zu vergleichen. Das kann auch negative Auswirkungen auf die Realität haben, etwa auf die aktuelle Beziehung oder das Dating-Leben, da die Vergangenheit durch die Erinnerungsverzerrung besser abschneidet.

Die Idealisierung der Vergangenheit loslassen

Ilka Schütte empfiehlt, den Blickwinkel Richtung Realität zu richten: "Was immer ganz gut hilft, ist, sich nicht in dieser Fantasiewelt zu verlieren, sondern sich die Realität vor Augen zu führen und zu schauen: Wie war es denn wirklich?" Denn, wenn es wirklich die grosse Liebe gewesen wäre und beide das auch so gesehen hätten, dann wäre es vielleicht gar nicht auseinandergegangen.

Man könnte all das in schriftlicher Form festhalten oder auch enge Vertrauenspersonen konsultieren. Felicitas Heyne zieht dabei den Vergleich zu einer externen Festplatte, da Freunde oder Familie nicht durch die rosarote Brille der persönlichen Erinnerung schauen. Deren Erinnerung gilt im Zweifelsfall als zuverlässiger als die eigene.

"Was immer ganz gut hilft, ist, (...) sich die Realität vor Augen zu führen und zu schauen: Wie war es denn wirklich?"

Ilka Schütte, Paartherapeutin

Bewusstes Loslassen hilft

Das Einfachste sei laut Heyne immer, im Hier und Jetzt mehr Positives schaffen, das die eigenen Gedanken so bindet, dass man gar keine Zeit mehr hat, an die Vergangenheit zu denken. "Das ist ja kein Schicksal, dem ich ausgeliefert bin, sondern ich produziere das alles in meinem Kopf."

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Beziehungscoach Eric Hegmann sagt, dass man loslassen kann, sobald die Motivation und Inspiration dazu da sind. Es sei durchaus normal, in der Phase des Liebeskummers den Wunsch zu hegen, die oder den Ex zurückzugewinnen. Doch man muss bedenken, dass diese Phase vorübergeht, wenn man diese Gedanken bewusst loslässt. Nur so, sagt er, eröffnen sich neue Möglichkeiten und Chancen.

"Das ist ja kein Schicksal, dem ich ausgeliefert bin, sondern ich produziere das alles in meinem Kopf."

Felicitas Heyne, Psychologin

Nicht nur im Aussen nach Liebe suchen

Oftmals hängt die Abhängigkeit von einer Person damit zusammen, dass wir zu selbstkritisch sind und im Aussen suchen, was wir uns selbst nicht geben können. Man sucht nach der grossen Liebe, Anerkennung und Bestätigung und vergisst dabei, sich selbst diese Zuwendung zu schenken.

"Nach einem Verlust geht es auch erst einmal darum, wieder selbst zu heilen und sich selbst gutzutun. Das eigene Leben schön machen, die eigenen Werte, Wünsche und Träume erfüllen – unabhängig von jemand anderem, unabhängig vom Aussen", so Schütte. (dpa/mak)

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