- Liebe ist das Grösste im Leben – aber nicht gerade das Unkomplizierteste.
- Wenn Probleme auftauchen, sollte niemand zögern, sich Rat zu holen.
- Die Therapeutin Anette Frankenberger beantwortet hier Ihre Fragen.
Um diese Themen geht es bisher (auch Sie haben die Möglichkeit, uns am Ende des Artikels Ihre Frage zu schicken):
- Ich denke an meinen Ex und fürchte, mich für den Falschen entschieden zu haben.
- Ist es noch Liebe - oder einfach nur bequem?
- Hilfe, mein Partner ist sich über seine Gefühle nicht mehr im Klaren
- Warum fällt es so schwer, über Sex zu sprechen?
- Was tun, wenn der andere bei Konflikten einfach nur schweigt?
- "Ich will, dass du …" Das soll eine Ich-Botschaft sein?
- Ich möchte eine offene Ehe führen, meine Frau aber nicht – was tun?
- Wann ist es Zeit für eine Paartherapie?
Vielfaches Leserecho erreichte unsere Redaktion nach unserem kürzlich veröffentlichtem Artikel "Veliebt, verlobt, verflixt: Manchmal fehlt nicht die Liebe, sondern etwas ganz anderes". Die zahlreichen Fragen zeigen, wie wichtig – aber zugleich schwierig - Kommunikation in Beziehungen ist. "Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht", lesen wir bei William Shakespeare. Eine Auswahl von Leserfragen beantwortet hier die Münchner Paartherapeutin Anette Frankenberger.
"Ich muss in letzter Zeit oft an meinen Ex denken und befürchte, mich für den falschen Mann entschieden zu haben. Was soll ich tun?"
An einen Verflossenen zu denken, ist in einem gewissen Rahmen völlig normal. Jede Beziehung hat ihre Spuren hinterlassen, wir dürfen sie als Teil unserer eigenen Geschichte sehen und in unserem Herzen tragen.
Ex-Partner sollten allerdings nicht als Vergleichsobjekte herhalten, denn: Die Beziehung hat sich ja nicht entwickelt! Welche Gründe auch immer es dafür gab - es gab sie.
Die ersten Lieben werden später oft zu Projektionsflächen, die sich aber jeder Überprüfung entziehen. Ein bisschen wie bei der Verliebtheit in einen Promi: Ich kann mir das wunderbar idealisieren, aber es hat eben mit der Realität, mit meinem Hier und Jetzt, nichts zu tun und lässt sich nicht mehr überprüfen.
Wenn es nicht gelingt loszulassen, in der jetzigen Wirklichkeit anzukommen, muss man sich die Frage stellen: Wo liegt das Problem? Was hält mich davon ab? Macht mich etwas in meiner Beziehung unglücklich? Und daran dann zu arbeiten, das Gespräch mit dem Partner darüber zu suchen.
Ein sehr schlechtes Zeichen ist, wenn schon eine Art der Verachtung füreinander eingesetzt hat zwischen den Partnern. Der amerikanischer Paartherapeut John Gottman benannte vier Faktoren, die so negativ wirken, dass sie eine Beziehung nach seinen Analysen mit grosser Wahrscheinlichkeit langfristig zerstören. Er nennt sie die vier "apokalyptischen Reiter".
- Kritik (die verallgemeinert wird - anders als eine konkrete Beschwerde)
- Verachtung (drückt sich oft durch Sarkasmus aus)
- Rechtfertigung (statt auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen)
- Mauern (seelischer und körperlicher Rückzug).
Das sind tatsächliche Warnsignale, die das Ende einer Beziehung einläuten können. Ich würde Ihnen raten zu überlegen, ob das auf Sie zutrifft und in einem solchen Fall - besonders wenn Sie und Ihr Mann Kinder haben - eine Paartherapie zu machen.
"Mein Mann ist sehr liebevoll und fürsorglich, aber die Arbeit geht immer vor. Wird sich das je ändern?"
Das ist eine sehr, sehr häufige Frage in Beziehungen: Wie viel Raum darf die Arbeit einnehmen? Was ist eigentlich am Ende wichtiger, Job oder Privates? Das Problem: Die weichen Fakten müssen oft weichen - also alles, was eigentlich massgeblich wäre für die Beziehung und das Familienglück, wird auf später verschoben. Arbeit gleicht bei vielen einem Kind, dem man keine Grenzen setzt. Und dieses Problem verschärft sich im Homeoffice und durch die ständige Erreichbarkeit übers Smartphone noch. Wer immer die Arbeit vorzieht, wird den guten Draht zu Hause verlieren, das lässt sich gar nicht vermeiden. Oft genug sage ich das zu Paaren in der Therapie: "Wenn Sie genau so weitermachen, werden Sie sich trennen." Wenn beide dieselbe Einstellung haben - der Job hat Priorität - ist es etwas anderes, aber das ist die grosse Ausnahme.
Was ich empfehle, sind klare Regelungen, die man gemeinsam abspricht und am besten auch festhält:
- Von wann bis wann wird gearbeitet?
- Ist das Wochenende frei oder nicht?
- Wie teilen wir uns die Aufgaben auf - wer kümmert sich zuhause um was?
Vermitteln Sie Ihrem Mann, wie dringend das Thema ist. Die Absprachen zu treffen, ist dann aber letztlich eine sachliche Angelegenheit.
"Woher weiss man, dass man den Partner noch liebt - und es nicht einfach nur komfortabel ist, nicht allein zu sein?"
Der Moment, in dem Sie diese Frage stellen, offenbart es bereits: Ja, es ist komfortabel, in dieser Beziehung zu bleiben. Und wie oft hören wir diesen Satz "Raus aus deiner Komfortzone!" und meinen, was sich komfortabel anfühlt, sei der Anfang vom Ende.
Aber ist das eigentlich das Schlechteste - eine Beziehung in der es komfortabel ist? Wenn ein Paar es schafft, eine liebevolle und wohlwollende Freundschaft miteinander zu entwickeln, wenn man sich so lassen kann wie man ist - dann ist das auch Liebe.
Wir verwechseln Liebe oft mit Schmetterlingen im Bauch. Wir meinen - in unserer Hollywood-geschwängerten Welt - dieses Überbordende, Euphorische gehöre dazu. Doch dieser Zustand endet in den meisten Beziehungen nach einem halben Jahr, statistisch hält er maximal zwei Jahre an. Wer danach etwa sagen kann: "Mein Mann ist mein bester Freund", hat eine Liebe der reifen Art entwickelt. Und dass sich das komfortabel anfühlt, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, im Gegenteil.
Oft wird Paaren empfohlen, einen Tanzkurs oder eine gemeinsame Weltreise zu machen, um die Beziehung aufzufrischen. In den allermeisten Fällen halte ich wenig davon. Was viel wichtiger ist für ein glückliches Zusammenleben: Freundlichkeit, Interesse am anderen, offen füreinander bleiben!
Wir glauben oft fälschlicherweise, den anderen gut zu kennen. Bei manchen führt das dazu, ihre Beziehung für langweilig zu halten. Aber: Menschen bleiben immer spannend. Das erleben wir, wenn wir beim anderen auch nachfragen und uns wirklich und aufrichtig für ihn interessieren.
"Meine Frau möchte im Alter – wir sind 76 und 80 Jahre alt – keine körperliche Nähe mehr. Ich sehne mich aber danach. Was kann ich tun?"
Helfen kann nur, darüber zu reden: Was magst du, was nicht, was gefällt dir? Im hohen Alter möchte sie vielleicht etwas anderes: Zärtlichkeit und eine andere Intimität als Sex. Ziel muss immer sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden, etwas, womit beide gut leben können. Das ist nicht immer einfach - und ich sage ihnen: Paare in jedem Alter tun sich damit schwer!
Vielen fällt es nicht einmal mehr leicht zu wissen, was sie eigentlich selber wollen und was nicht. In unserer Gesellschaft kursieren abstruse Ideen über Sexualität. Nicht zuletzt durch Porno-Industrie und Werbung werden Bilder geprägt, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Das wirkt sich auf Beziehungen auch junger Paare mitunter fatal aus.
Wichtig ist es, nicht ins Schweigen zu verfallen. In Beziehungen ist wichtig, dass sich Paare weiter gemeinsam entwickeln, ganz egal in welchem Alter.
"Mein Freund sagt, er ist nicht sicher, ob die Gefühle noch da sind. Was soll ich davon halten?"
Wenn man sich in einer Beziehung Gedanken machen muss über seine Gefühle, ist das kein gutes Zeichen. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir immer, ob wir jemanden lieben oder nicht. Daher sollte die aufrichtige Antwort auf Ihre Frage "Liebst du mich noch?" lauten: "Nein, ich liebe dich nicht mehr." Es hilft, das auch festzuhalten, denn mit solch einer Basis lässt sich weiterfragen: was es ist, das die Liebe verhindert - und ob die Beziehung noch zu retten ist.
Wann und wie über Sex sprechen?
"Ich bin eigentlich zufrieden mit meiner Beziehung. Nur beim Thema Sexualität bin ich unsicher: Wie kann man darüber kommunizieren, ohne den anderen zu verletzen?"
Häufig ist es eine Frage der Erziehung: Wenn wir nicht gelernt haben, über Sexualität zu sprechen, fällt es uns schwer. Ich beobachte aber noch eine andere Ursache für dieses häufige Problem.
Sexualität ist ein Thema, bei dem wir sehr verwundbar – und auch oft schon verwundet – sind. Unsere übersexualisierte Gesellschaft - das, was wir täglich in den Medien und der Werbung sehen – steht in krassem Kontrast zur Wirklichkeit und unseren inneren Strukturen.
Was gezeigt wird, lässt uns alle als unzureichend, als Mangelwesen zurück. Es führt dazu, dass wir das Thema scheuen: Mir gefällt meine Figur nicht, ich fühle mich zu dick, habe Sorge, nicht so heiss und begehrenswert für meinen Partner oder meine Partnerin zu sein, wie es mir über so viele Kanäle ständig vor Augen geführt wird. Die Angst ist deshalb so gross, dass dieses Mangelempfinden von aussen bestätigt werden könnte, wenn ich mit meinem Partner darüber spreche.
Aus meiner Erfahrung in der Praxis kann ich Ihnen aber sagen, dass diese Sorge fast immer unbegründet ist. Wer seine Unsicherheiten zur Sprache bringt, stellt meistens fest, dass der andere diese vermeintlichen Mängel gar nicht sieht – oder einen ganz liebevollen Blick darauf hat.
Wenn Sie das Thema Sexualität mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin angehen wollen, empfehle ich: Schaffen Sie dafür eine angenehme Atmosphäre. Stimmen Sie Ihren Partner vielleicht auch vorher darauf ein: "Lass uns doch einmal darüber sprechen, vielleicht möchtest du dir vorher auch Gedanken dazu machen." Es kann helfen, ein eigenes Date dafür auszumachen. Und ein weiterer Tipp: Vielen Paaren fällt es am leichtesten, beim Spazierengehen über ihr Sexualleben zu sprechen.
"In 14 Jahren unserer Ehe ist folgendes bei uns zur Gewohnheit geworden: Ich explodiere, mein Mann schweigt. Das löst aber den Konflikt nicht. Wie lässt sich das durchbrechen?"
Einseitiges Schweigen ist ein sehr häufiges Thema in der Paartherapie. Neulich erst schilderte mir ein Mann, dass seine Partnerin bei einem aufkeimenden Konflikt jedes Mal einfach den Raum verlässt, um Kaffee zu kochen.
Es ist ein typisches Verhaltensmuster, das echte Kommunikation aber verhindert. Die US-amerikanische Psychotherapeutin Virginia Satir – sie wird häufig als Mutter der systemischen Familientherapie bezeichnet – stellte vier Formen solcher unglücklichen Kommunikationsarten fest:
- Beschwichtigen: auf Widerspruch verzichten, dem Gegenüber schnell zustimmen und schnell bereit zu Kompromissen sein.
- Anklagen: "Angriff ist die beste Verteidigung" ist hier das Motto. Hinter den Vorwürfen steckt häufig der Wunsch nach Anerkennung
- Rationalisieren: Dabei stellt man sich über den anderen, indem man doziert, sich auf Experten und logisches Denken beruft.
- Ablenken: dem Konflikt ausweichen, indem schnell das Thema oder sogar der Raum verlassen wird.
Das Schweigen Ihres Mannes fällt in die letzte Kategorie: "Wenn ich gar nicht hingucke, dann wird es auch nicht wehtun." Warum das so gefährlich ist: Das, was ich am meisten fürchte – das Verlassenwerden – wird auf diese Weise nur wahrscheinlicher.
Mein Rat: Es ist wichtig, dass sich Ihr Partner dieser Gefahr bewusst wird und sich damit auseinandersetzt. Das erreichen Sie, indem sie äussern, was sein Verhalten mit Ihnen macht und wie es Ihnen dabei geht. Und wenn es der Satz ist "Ich bekomme dabei Angst, dass du mich gar nicht mehr liebst" – dann sprechen Sie ihn aus.
Was ist eine echte Ich-Botschaft?
"Mein Partner und ich reden sehr viel über unsere Beziehung. Er spricht allerdings eher so: ,Ich will, dass du …' Für ihn ist das eine Ich-Botschaft, für mich nicht. Was meinen Sie?"
Tatsächlich halten viele Menschen Aussagen wie "Ich finde es blöd, dass du schweigst" oder "Ich will, dass du …" für Ich-Botschaften. Gute Ich-Botschaften beginnen so:
- "Ich wünsche mir …"
- "Ich brauche…"
- "Ich bin verärgert darüber, dass ..."
- "Ich bin enttäuscht, weil …"
- "Ich fühle mich erinnert an …"
Der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, Marshall B. Rosenberg, hat es auf den Punkt gebracht, was eine wahre Ich-Botschaft ausmacht: Es geht darum zu sagen, was mit mir los ist und was meinen Tag wunderbar machen würde. Zum Beispiel:
- "Wenn du schweigst, verunsichert mich das, weil ich mich in meinen Anliegen nicht ernst genommen fühle."
"Ich würde gerne eine ,offene Ehe‘ führen. Meine Frau ist dagegen. Was raten Sie?"
Im Prinzip ist alles möglich – wenn es allen Beteiligten damit gut geht. Das scheint in Ihrer Beziehung nicht der Fall zu sein.
Ich habe Paare erlebt, die eine offene Ehe entweder einvernehmlich versucht oder einander signalisiert haben: Wenn du so etwas tust, lass es mich bitte nicht wissen. Oder Paare, bei denen es kippte – der eine lebte die offene Ehe, der andere konnte damit auf Dauer nicht leben.
Klar ist: Wer sich darauf einlässt, muss die Regeln dafür sehr genau definieren - und das ist ziemlich oft eher unromantisch. Seien Sie also sehr behutsam und klar miteinander. In einer tiefen Beziehung ist es einem ernst mit dem anderen. Er ist für mich nicht nur ein Objekt, mit dem ich meine Sexualität auslebe, sondern es geht um Begegnung und echte Nähe: DICH sehe ich und nur DICH meine ich.
"Ihr kürzlich veröffentlichter Artikel ,Manchmal fehlt nicht die Liebe, sondern etwas ganz anderes' trifft genau auf mich und meinen Mann zu. Meine Frage: Woran erkennt man, dass es Zeit ist für eine Paartherapie?"
Aus meiner Sicht: spätestens, wenn man sich diese Frage stellt. Viele meinen, eine Paartherapie sei eine langwierige Angelegenheit und erfordere etliche Sitzungen. Das ist aber vor allem dann der Fall, wenn Paare erst sehr spät in die Therapie kommen.
Kürzlich besuchte mich ein junges Paar: Beide arbeiten sehr viel und spürten, dass ihre Beziehung darunter leidet. In solchen Fällen und bei kleineren Beziehungsproblemen reichen oft schon ein oder zwei beratende Sitzungen, um die Perspektive zu ändern.
Wir erleben aber auch oft den Fall, dass in der Therapie etwas Entscheidendes aufgedeckt wird: Etwa kann sich hinter dem hartnäckigen Schweigen einer von beiden auch statt blossem Mangel an Interesse ein Trauma aus der Kindheit verbergen. Solch ein Wissen öffnet Türen und erklärt das Verhalten des Partners. Das entspannt, und für beide Partner und ihr gemeinsames Leben ist sehr viel gewonnen. (af)
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