Sie sagen Ihrem Partner immer wieder dasselbe, aber nichts ändert sich? Ihre Partnerin scheint Ihnen bei manchen Themen gar nicht mehr zuzuhören? Dann stecken Sie womöglich in sogenannten Schallplattengesprächen fest. Der Psychotherapeut Wolfgang Krüger weiss, wie man sich daraus wieder befreien kann.

Ein Interview

Eigentlich heisst es ja immer, Kommunikation sei der Schlüssel zum Erfolg, auch in Beziehungen. Wolfgang Krüger sieht das anders. Zumindest, wenn sie sich zu sogenannten Schallplattengespräche entwickelt. Denn diese führen laut dem Psychotherapeuten keineswegs zu einer glücklicheren Beziehung, sondern dazu, dass sich die Fronten immer weiter verhärten. Aber wann ist der Zeitpunkt erreicht, wo man aufhören müsste zu sprechen und anzufangen sollte zu handeln?

Mehr zum Thema Beziehung

Man sagt gemeinhin, Kommunikation sei der Schlüssel zu einer guten Beziehung. Doch Sie meinen, wir reden zu viel. Führen wir alle unsere Beziehungen falsch?

Wolfgang Krüger: Ja.

Das war ja eine einfache Antwort.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Reden ist wichtig, um zu sagen, was wir möchten, und auch, was der andere in unseren Augen falsch macht. Aber manchmal müssten wir den Punkt finden, an dem wir aufhören zu reden.

Und wieso?

Es gibt da einen Punkt, ab dem sich alles im Kreis dreht. Wir nennen das Schallplattengespräche. Es ist ähnlich wie in der Kindererziehung: Es macht keinen Sinn, einem Kind 20-mal zu sagen, dass es sein Zimmer aufräumen soll. Irgendwann wird das Reden überflüssig. So ist es in Partnerschaften auch.

Könnten Sie in diesem Zusammenhang den Begriff "Schallplattengespräche" erläutern?

Mit Schallplattengesprächen meinen wir vor allem Konfliktgespräche, die immer gleich ablaufen. Also wenn ich meinem Partner oder meiner Partnerin beispielsweise immer wieder sagen muss, dass sie bitte netter sein oder den Geschirrspüler einräumen soll, er darauf achten soll, die Kinder nicht zu spät vom Kindergarten abzuholen oder die Klobrille runterzuklappen, solche Dinge. Diese Gespräche haben oft keinen Sinn mehr, vor allem wenn man spürt, dass die andere Person innerlich nur mauert.

"In dem Augenblick, in dem Sie merken, es tut sich nichts oder nicht genug und Sie sich dabei erwischen, dass Sie immer wieder dasselbe sagen, hilft Reden nicht mehr."

Wolfang Krüger

Wann merkt man, dass dieser Punkt erreicht ist?

Wenn Sie nach einem Gespräch unruhig, genervt oder enttäuscht sind, kann das ein Indikator sein. In dem Augenblick, in dem Sie merken, es tut sich nichts oder nicht genug und Sie sich dabei erwischen, dass Sie immer wieder dasselbe sagen, hilft Reden nicht mehr. Und ab da müssen Sie sich überlegen, ob Sie nicht ins Handeln kommen sollten.

Was wäre ein Weg, um aus einem solchen Muster auszubrechen?

Wenn der Konflikt in der Beziehung ist, dass der Partner im Haushalt nicht genügend macht, könnten Sie mal eine Woche wegfahren und vorher nichts im Haushalt tun und nichts vorbereiten. Das würde Ihrem Partner vor Augen führen, was Sie in den Schallplattengesprächen gemeint haben. Ihr Partner würde Sie als viel eigenständiger wahrnehmen.

Hinzu kommt dann vielleicht noch die Angst, dass Sie sich trennen könnten. Und dann entsteht in Ihrem Partner eine Bemühung, die es auch am Anfang der Beziehung in der Verliebtheitsphase gab. Diese Form von Anstrengung und Engagement, die müssen wir wieder erreichen und die erreichen wir nur durch Unabhängigkeit, durch eine Form von Respekt, den wir wieder im anderen hervorrufen.

Gibt es einen Zeitpunkt in der Beziehung, in dem die Schallplattengespräche normalerweise anfangen? Oder ist das individuell verschieden?

Es gibt unterschiedliche Phasen in einer Beziehung. Am Anfang steht die Verliebtheitsphase und dann kommt irgendwann die Desillusionierung, das ist ganz normal. Zu dem Zeitpunkt beginnen oft auch die Schallplattengespräche. Wir fangen dann an, am Partner herumbasteln zu wollen. Das ist grundsätzlich erst mal nicht falsch, man kann auch voneinander lernen. Aber wenn das nicht gelingt, dann müssen wir uns zurückziehen und uns fragen, was ist jetzt der Plan B? Und das machen wir häufig nicht, wir bleiben in den schwierigen Abläufen drin. Ich rate immer dazu, ganz bewusst aus diesen Prozessen auszusteigen und etwas zu finden, was Erfolg versprechender ist. Zum Beispiel wieder mehr eigenständig und allein machen.

Psychotherapeut Wolfgang Krüger
Psychotherapeut Wolfgang Krüger © Gerald Wesolowski

Die Beispiele, über die wir jetzt gesprochen haben, sind Alltagsdinge. Was ist denn mit Diskussionen, die tiefer gehen, zum Beispiel wo man leben möchte oder wie man die Kinder erzieht?

Wir müssen uns in einer Partnerschaft darüber im Klaren sein, dass der Partner oder die Partnerin sich nicht grundlegend ändern wird. Wir haben von Anfang der Beziehung an bereits unterschiedliche Positionen und Meinungen zu Dingen und wir müssen uns ganz klar schon am Anfang überlegen, ob wir damit leben könnten, dass der andere in dieser Hinsicht vermutlich so bleiben wird. Es hat keinen Sinn, immer wieder auf den anderen einzureden, wenn es sich um bestimmte Grundüberzeugungen handelt.

Nehmen wir an, mein Partner oder meine Partnerin befindet sich in einer schwierigen Phase, zum Beispiel bei der Arbeit, und spricht ständig darüber, was kann man da tun?

Das sind meistens Probleme, die wir selbst auch nicht lösen können. Wenn ständig nur solche Probleme besprochen werden, müssen wir dem Partner oder der Partnerin klarmachen: Ich kann dir da nicht helfen und das überfordert mich. Man kann dem anderen auch raten, darüber mit Freunden oder einem Therapeuten zu sprechen. Wir müssen in Partnerschaften manchmal Abstand nehmen und gucken, was passiert hier eigentlich. Um dann zu Konsequenzen zu kommen.

Was wären solche Konsequenzen?

Ich empfehle allen, sich einige Male im Jahr zurückziehen und sich zu überlegen, wie es ihnen mit der Beziehung geht. Was gibt es für ständige Rituale in der Partnerschaft, was macht mich unzufrieden? Und dann überlegen, wie wir das angehen können.

Lesen Sie auch

Es gibt dieses Gedankenbild von einem Paar, das sich im Restaurant gegenübersitzt und schweigt. Ist es positiv, wenn Paare auch miteinander schweigen können?

Wenn man an diesem Punkt in der Beziehung ist, kann das zwei Ursachen haben: Entweder sie sind so vertraut miteinander, dass sie nicht reden müssen, das ist ein Zeichen einer tiefen Zusammengehörigkeit. Es gibt aber auch ein angespanntes Schweigen, wo man merkt, da liegt so viel Konfliktmaterial in der Luft, dass keiner von beiden reden will. Das ist immer furchtbar.

Was würden Sie einem Paar in solch einer Situation in der Therapie raten?

Da müsste man zunächst einmal fragen, was eigentlich passiert ist in der Geschichte der Beziehung. Meistens haben die Paare am Anfang viel miteinander kommuniziert, auf verschiedenen Ebenen. Sie haben viel gesprochen, sich umarmt, miteinander gelacht. Manchmal geht das kaputt im Laufe der Zeit. Nach mehreren Monaten Zusammensein gibt es eine Phase von Machtkämpfen, wo jeder anfängt, am anderen rumzubasteln. Dann erfolgt oft der Rückzug und darauf kann eine Phase der Entwertung beginnen. Da möchte man dem Partner schaden und sich dafür rächen, dass der andere einen nicht glücklich macht. Es kann richtig unter die Gürtellinie gehen, mit Beleidigungen und Anschuldigungen. Und deswegen wird oftmals lieber geschwiegen.

Was hilft an einem solchen Punkt noch?

Therapie machen oder sich trennen. Die erste Frage, die wir stellen, ist immer: Was ist eigentlich passiert? Dann merkt das Paar oft, dass beide in diese Phase der Machtkämpfe hineingeraten sind und die ganze Beziehung kaputt gemacht haben.

"Man sollte sich in einer Beziehung immer die Frage stellen: Was ist mit meinem eigenen Leben?"

Wolfang Krüger

Eines Ihrer Bücher trägt den Titel "So gelingt die Liebe, auch wenn der Partner nicht perfekt ist". Daher die Frage: Wie gelingt sie denn nun, die Liebe?

Das Entscheidende in einer Liebesbeziehung ist die Beziehung mit sich selbst. Ich muss selbst erst mal in eine Phase der Zufriedenheit kommen und ein eigenständiges, lebendiges Leben führen, denn das ist das Potenzial, mit dem ich auf andere zugehen kann. Man sollte sich in einer Beziehung immer die Frage stellen: Was ist mit meinem eigenen Leben? Und wenn ich diese Frage gut beantworten kann, dann kann ich auch in Ruhe nach meiner Partnerschaft und der anderen Person schauen. Denn dann tue ich das aus einer anderen Stärke und Gelassenheit heraus.

Über die Person:

  • Dr. Wolfgang Krüger arbeitet seit 40 Jahren als Psychotherapeut in Berlin. Auf seinem Weg hat er auch immer wieder Paare in schwierigen Phasen betreut. Er hat mehrere Bücher zu psychologischen Themen veröffentlicht und tritt als Experte auf seinem Gebiet auf.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.