Von Ghosting bis Benching: Dating-Trends sind allgegenwärtig. Doch sind es wirklich neue Phänomene? Im Interview mit unserer Redaktion erklärt der Diplom-Psychologe Christian Hemschemeier, welche Dating-Trends es tatsächlich gibt.
Herr Hemschemeier, in letzter Zeit hört und liest man vermehrt von neuen Dating-Trends wie zum Beispiel "Ghosting", "Orbiting" oder "Benching". Wie und wo entstehen die Dating-Begriffe?
Christian Hemschemeier: Die Begrifflichkeiten entstehen vor allem in den sozialen Netzwerken und werden dann von den Medien aufgegriffen.
Und warum sind die Begriffe auf Englisch?
Erstmal klingen sie viel cooler auf Englisch. Nehmen wir zum Beispiel "Future Faking". Das bedeutet, dass der Dating-Partner Versprechungen macht, die er oder sie nicht einhält. Übersetzt ins Deutsche würde man es als "Luftschlösser bauen" bezeichnen. Zudem wirken diese Begriffe auf Englisch eher wie Fachbegriffe, auch wenn sie es nicht sind. Es gibt keine spezifischen Fachbegriffe in diesem Bereich.
Gibt es tatsächlich neue Dating-Trends?
Mir ist auch aufgefallen, dass ständig neue Begrifflichkeiten auftauchen. Dennoch würde ich die Frage verneinen. Ich glaube nicht, dass es wirklich etwas Neues gibt. Meiner Einschätzung nach lassen sich nur zwei Haupttrends identifizieren. Einerseits gibt es Menschen, die eine ehrliche und emotionale Bindung eingehen möchten.
Und andererseits gibt es Menschen, die Spielchen spielen und den vermeintlichen Dating-Trends wie "Breadcrumbing" oder "Benching" folgen. Diese Menschen sind nicht aufrichtig und versuchen andere für das eigene Ego bei der Stange zu halten. Daher können diese Dating-Trends bzw. Verhaltensweisen zusammengefasst werden. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass dies unterschiedlich betrachtet wird, ist es letztendlich alles dasselbe.
Bedeutet das, dass es diese Verhaltensweisen schon immer gab?
Ja, diese Verhaltensweisen oder Dating-Trends waren schon immer präsent. Selbst auf dem Schützenfest in den neunziger Jahren gab es sicherlich Menschen, die anderen Hoffnungen machten, aber dann vor ihnen mit einer anderen Person getanzt haben. Ein solches Verhalten würde man heutzutage als "Benching" bezeichnen. Im Endeffekt sind es Egostrategien: Man agiert aus reinem Egoismus, und die Konsequenzen sind einem gleichgültig. Diese Egospielchen gab es schon immer. Es ist schwer zu sagen, ob das jetzt einfach nur mehr ins Bewusstsein gerückt wird, oder ob es tatsächlich verbreiteter ist.
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Warum sind die Dating-Begriffe so verbreitet?
Oft neigen Menschen dazu, sich in der Opferrolle wohlzufühlen. Selbst wenn sie sich nicht explizit als Opfer betrachten möchten, suchen sie anfangs gerne nach Schuldzuweisungen beim anderen, indem sie beispielsweise ihren Ex-Partner als Narzisst bezeichnen. In vielen Fällen spiegelt dies lediglich Unzufriedenheit wider und verhindert, sich mit der eigenen Rolle auseinanderzusetzen.
Was würden Sie stattdessen empfehlen?
Ich würde dazu raten, sich zu fragen, warum man wiederholt Partner akzeptiert, die einen "benchen". Das hat auch mit der eigenen Person zu tun. Die Partner, die wir anziehen, wählen wir aus. Daher sollte man eine gewisse Verantwortung übernehmen und sich die Frage stellen, warum man sich immer wieder für ähnliche Typen entscheidet. Das ist die interessantere Frage, anstatt sich ausschliesslich auf negative Dating-Trends zu fokussieren.
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Zur Person:
- Christian Hemschemeier ist Diplom-Psychologe und Beziehungsexperte. Sein Online-Kurssystem bietet Unterstützung zu psychologischen Themen an. Hemschemeier hat mehrere Bücher geschrieben, sein aktuelles Buch trägt den Titel "Feuer & Flamme: Warum echte Leidenschaft die Polarität von männlicher und weiblicher Energie braucht".
Verwendete Quellen:
- Telefoninterview mit Christian Hemschemeier
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