Egal, ob beide gleich viel verdienen oder einer mehr als der andere: In Beziehungen kommt es häufig zu Streitigkeiten, wenn es ums Geld geht. Paartherapeutin Micaela Peter erklärt, wie Streits verhindert werden und Lösungen aussehen könnten.

Ein Interview

Frau Peter, ab wann wird Geld in der Beziehung zum Problem?

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Micaela Peter: Finanzen gehören zu den Themen, über die sich Paare sehr häufig streiten. Geld wird dann zum Problem, wenn die finanzielle Abhängigkeit spürbar wird. Oder aber, wenn die Person, die von der anderen abhängig ist, selbst ein Problem damit hat. Zum Beispiel, wenn das eigene Selbstwertgefühl stark von beruflichen Leistungen und dem Gehalt abhängig ist. Dann wird eine finanzielle Abhängigkeit auf Dauer eher frustrierend sein. Umgekehrt wird es problematisch, wenn derjenige, der seinen Partner finanziell unterstützt, dies nicht gerne tut. Für viele Männer ist es selbstverständlich, ihre Partnerin finanziell zu unterstützen, da sie in traditionellen Familienverhältnissen aufgewachsen sind – insbesondere, wenn Kinder im Spiel sind und die Mutter primär die Betreuung und Versorgung übernimmt.

Macht es in einer Beziehung zwischen Mann und Frau einen Unterschied, wer von beiden mehr verdient?

Ich denke, dass es heute immer noch einen Unterschied macht. Die meisten Erwachsenen sind in traditionellen Familien aufgewachsen, in denen der Mann das Geld nach Hause gebracht hat. Auch heute noch leben viele Paare diese klassischen Rollenbilder. Alles, was uns vertraut ist, ist weniger beängstigend oder bedrohlich. Deshalb kann es manche Männer sogar eher einschüchtern, wenn die Frau mehr Geld nach Hause bringt. In der jüngeren Generation verändert sich das bereits. Immer häufiger haben Frauen den Wunsch, unabhängig von ihrem Partner zu sein – es ist für viele sogar selbstverständlich.

Weshalb hat sich das geändert?

Ein Grund dafür ist sicherlich das Sicherheitsbedürfnis. Damals war es üblich, verheiratet Kinder zu bekommen. Dadurch waren Frauen, wenn sie zu Hause blieben, auch nach einer Scheidung in gewisser Weise abgesichert. Mittlerweile gibt es viele Paare, die Kinder haben, allerdings nicht verheiratet sind. Zudem haben sich die Unterhaltsgesetze massiv verändert. Dadurch ist es viel wichtiger für Frauen geworden, zu arbeiten. Denn es wäre ein Risiko, sich vom Partner abhängig zu machen. Die Haltung der Frauen und auch der Männer verändert sich diesbezüglich zunehmend.

Die Feministin Laurie Penny ist der Meinung, dass Paare, bei denen der eine vom anderen abhängig ist, keinen guten Sex haben können. Wirtschaftliche Unabhängigkeit sei das Wichtigste dafür. Wie sehen Sie das?

Das halte ich für eine sehr gewagte Theorie. Das kann natürlich der Fall sein – kommt aber auf die Partner an. Sicherlich hat sich diesbezüglich heute einiges gewandelt. Es gibt und gab immer schon Männer, die es besonders sexy finden, wenn eine Frau unabhängig und autark ist. Und natürlich begegnen sich Partner, die in keiner finanziellen Abhängigkeit zueinanderstehen, eher auf Augenhöhe. Allerdings gibt es noch immer Männer, die sich gerne in der Rolle des Versorgers sehen und dadurch eine gewisse Kontrolle haben. Und einigen Frauen gefällt der finanzielle Status, den sie durch ihren Partner erreichen – und finden eben dies anziehend. Wenn Frauen unabhängig sind, ist das bestimmt nichts Negatives, ich halte es eher für wichtig und langfristig tragfähig. Das gilt im Übrigen auch für Männer.

In vielen Fällen sind Partner unabhängig voneinander, weil beide arbeiten. Auch wenn einer der beiden mehr verdient, werden Kosten für die Miete, den Urlaub oder Lebensmittel aufgeteilt. Ist das ein guter Weg?

Ich erkläre das an einem klischeehaften Beispiel: Ein Arzt und eine Krankenschwester sind liiert. Beide haben einen anspruchsvollen und ehrenwerten Beruf. In unserem System ist es aber so, dass ein Arzt viel mehr Gehalt bekommt. Für eine harmonische Beziehung zwischen den beiden kommt es auf die Haltung beider Partner an. Wenn die Krankenschwester sich des Wertes ihrer Tätigkeit bewusst, also selbstbewusst ist, wird sie gegenüber dem Arzt kein Minderwertigkeitsgefühl haben. Der Arzt sollte ebenfalls stolz auf die Tätigkeit seiner Partnerin sein und es im besten Fall bedauerlich finden, dass sie so viel weniger verdient. Teilt ein Paar diese Ansicht, wird es vermutlich nicht zu Streitigkeiten wegen des Geldes kommen. Denn für denjenigen mit mehr Einkommen sollte es selbstverständlich sein, im Verhältnis zu seinem höheren Einkommen mehr zu zahlen.

Also ist es wichtig, sich nicht anhand des Einkommens zu identifizieren ...

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der der Verdienst eine grosse Rolle spielt und ein Statussymbol ist. Entscheidend ist aber, ob der Partner, der mehr Gehalt bekommt, das auch so sieht und sich dadurch erhabener oder bedeutungsvoller findet. Es ist wichtig, dass die Arbeit der Partner trotz unterschiedlichen Gehalts gleich wertgeschätzt wird. Dementsprechend halte ich es für angemessen, wenn der Mehrverdienende prozentual zu seinem Einkommen mehr zu den allgemeinen Kosten beiträgt. Besteht dieser darauf, die Kosten zu teilen, sehe ich eher Redebedarf.

Wäre es aber nicht gleichberechtigt, wenn Paare alle Kosten teilen?

Das ist Konfliktpotenzial. Und man muss unterscheiden, ob es sich um Status und Luxus oder um essenzielle Dinge des Lebens handelt. Wenn man gemeinsam den Weg beschreiten will und beispielsweise nur der Mehrverdienende aufgrund der Kostenstruktur die Möglichkeit hat, in seine private Altersvorsorge zu investieren – und der andere nicht, weil er trotz weniger Gehalts den gleichen Anteil zahlen muss –, ist das nicht fair. Denn im Zweifel steht die Person, die prozentual gesehen mehr Geld während der Partnerschaft ausgeben musste, in existenzieller Hinsicht am Ende schlechter da. Wäre ich in solch einer Position, würde ich es einfordern, dass mein Partner mehr zahlt oder dass die Kosten gesenkt werden, um aus dieser Position herauszukommen.

Was, wenn die Partner in etwa gleich viel verdienen?

Selbst wenn beide in etwa das Gleiche verdienen, heisst es immer noch nicht, alles Halb-Halb zahlen zu müssen. Nehmen wir das Beispiel Lebensmitteleinkauf. Isst ein Partner doppelt so viel wie der andere, sollte er dementsprechend auch mehr bezahlen – bei den heutigen Lebensmittelpreisen ist das nur fair.

Wie sollte ein solches Gespräch aussehen?

Mein Tipp: Ich-Botschaften senden. "Du solltest mehr bezahlen" wird beim Gegenüber nicht auf so viel Verständnis treffen wie "Ich möchte nur das bezahlen, was ich auch verbrauche". Dagegen ist schliesslich nichts zu sagen. Wie gesagt, dieses Thema ist ein heisses Eisen und es ist schwierig, allgemeine Regeln zu finden. Denn der eine isst vielleicht die Hälfte, der andere benutzt teure Kosmetik oder trinkt teuren Wein. Eine generelle Achtsamkeit für das eigene Ausgabe- und Konsumverhalten ist sicher kein schlechter Anfang.

Wie können Paare vermeiden, dass es beim Thema Geld zu Streitigkeiten kommt?

Es braucht ein offenes Gespräch. Wer sich benachteiligt fühlt oder in Bedrängnis gerät, sollte seinem Partner ehrlich sagen, was ihn bedrückt. Zum Beispiel: "Ich verreise sehr gerne mit dir, aber dieses Hotel kann ich mir nicht leisten." Das ist vor allem für die Person, die weniger verdient, schwierig – denn sie hat vermeintlich eine schwächere Position. Da braucht es Selbstbewusstsein, klar zu formulieren, was man sich vorstellt. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Letztendlich müssen Paare eine Lösung finden, mit der beide zufrieden sind. Dafür müssen sie aber ihre Komfortzone verlassen und darüber sprechen. Dann kann ein Paar gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Der Partner, der weniger verdient, ist meist in einer schwächeren Position. Wie sollte sich derjenige, der mehr Geld zur Verfügung hat, verhalten?

Derjenige, der mehr verdient, könnte sich auch etwas zurücknehmen. Vor allem, wenn es demjenigen, der weniger verdient, wichtig ist, für sich selbst zu zahlen. Dann geht es nicht ins Fünf-Sterne-Hotel, sondern in eines mit weniger Sternen. Möchte der Mehrverdienende seinen Lebensstandard allerdings nicht herunterschrauben, sollte er dementsprechend nicht erwarten, dass der andere diesen Lifestyle hälftig mitträgt. Es wäre ignorant, auf seinen Luxus zu bestehen, wenn sich der andere diesen nur schwer leisten kann. Eine Lösung hierfür könnte sein, eine Kasse einzuführen, aus der gemeinsame Aktivitäten gezahlt werden und in die beide prozentual einzahlen.

Einige Ehepaare haben ein gemeinsames Konto. Ist das zu empfehlen?

Das kann zum Problem werden. Häufig streiten sich Partner – auch wenn sie etwa gleich viel verdienen – dann um Finanzielles. Das ist der Fall, wenn sich das Ausgabeverhalten stark unterscheidet. Wenn etwa der eine viel häufiger ins Restaurant geht oder sich regelmässig Luxusartikel gönnt, während der andere sparsam und bescheiden ist und eher sein Vermögen aufbauen möchte. Dann empfiehlt es sich, ein gemeinsames Konto nur für gemeinsame Ausgaben wie Lebensmittel, Miete oder Geld für die Kinder zu nutzen. Abgesehen davon sollte jeder sein eigenes Konto haben – um sich das zu gönnen, was er möchte – ohne sich rechtfertigen oder über den anderen ärgern zu müssen. Das setzt natürlich voraus, dass beide finanziell unabhängig voneinander sind.

Allgemein ist das Thema Geld und Gehalt in unserer Gesellschaft oft ein Tabu und dementsprechend nichts, worüber man gleich beim ersten Date spricht. Ab wann sollte Finanzielles ein Thema sein und wie beginnt so ein Gespräch?


Sobald man sich nicht damit wohlfühlt, wie Finanzielles in der Partnerschaft geregelt wird, sollte man das ansprechen. Das gilt grundsätzlich: Bei jeder Art von Unbehagen sollte man seinen Partner davon in Kenntnis setzen. Viele vermeiden es, unangenehme Themen wie Geld anzusprechen, weil sie sich in einer schlechteren Position fühlen und ihnen das Selbstbewusstsein fehlt. Aber es ist ein wichtiges Thema, das in vielen Partnerschaften zu Streitigkeiten führt. Man hat eine Verantwortung, für seine Bedürfnisse einzustehen. Deshalb: Zusammensetzen und dem Partner erklären, weshalb Finanzielles zu einem Unwohlsein führt. Denn das Thema betrifft schliesslich beide. Reden, reden, reden!

Über die Gesprächspartnerin

  • Micaela Peter ist Diplom-Psychologin, psychologische Psychotherapeutin und Paartherapeutin. Beratungen bietet sie nicht nur in ihrer eigenen Praxis in Hamburg an, sondern auch online via Skype, Facetime oder Zoom.
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