Viele Singles überstehen den Valentinstag nur mit Mühe, denn: Es ist ja der Tag der Verliebten. Aber muss das denn so sein? Eine Psychologin erinnert an die eine Beziehung, die wir immer führen: die zu uns selbst.
Der Valentinstag kann für frisch Getrennte eine grosse Herausforderung sein, denn die Welt scheint rund um den 14. Februar nur noch aus Zweisamkeit, Pralinenschachteln und Blumensträussen zu bestehen. Ähnlich schwer zu überstehen ist der Tag, wenn die letzte Beziehung schon etwas länger zurückliegt und die Sehnsucht nach einem Partner oder einer Partnerin immer grösser wird.
Die Psychologin Hanne Horvath erklärt im Interview, mit welcher Haltung Singles den Valentinstag nicht nur besser überstehen, sondern vielleicht sogar geniessen können.
Frau Horvath, rund um den Valentinstag werden Singles überall damit konfrontiert, dass sie alleine sind. Wie geht man mit diesem Gefühl am besten um?
Hanne Horvath: Die Konfrontation ist ja nur dann schmerzhaft, wenn da ein grosser Wunsch nach einer Beziehung besteht. Menschen, die gerade froh sind alleine zu sein, werden diesen Tag anders begehen, als die, die sich jemanden an ihrer Seite wünschen. Diese Sehnsucht kann sich auf verschiedene Arten ausdrücken. Viele werden traurig und zerfliessen vielleicht in ihrem Gefühl. Andere versuchen sich ihre Bedürfnisse kleinzureden und werten Paarbeziehungen ab. Beides ist absolut verständlich und auch normal. Nur ist es hilfreicher, sich ein bisschen in der Mitte dieser beiden Pole einzupendeln. Im ersten Schritt bietet es sich an, den Wunsch erstmal anzunehmen und nicht in negative oder selbstabwertende Gedankenschleifen einzusteigen.
Stattdessen lieber den Blick darauf richten, was wir selbst an der Beziehung verbessern könnten, die wir immer führen. Das ist die Beziehung zu uns selbst. Sich dafür wieder zu öffnen, darin liegt eine Chance. Wir werden zu unserem eigenen Valentine. Natürlich ist das nicht leicht, aber ich ermutige trotzdem dazu mal zu prüfen, welche Bedürfnisse wir uns selbst erfüllen könnten. Denn der Wunsch nach einer Beziehung ist ja häufig verbunden mit einer Hoffnung auf mehr emotionale Unterstützung, Geborgenheit, Zuneigung, Freude oder Intimität.
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Was kann man am Tag selbst tun, um sich abzulenken?
Wichtig finde ich, sich nicht abzulenken, sondern sich ganz bewusst für etwas zu entscheiden, das einem Freude bereitet. Am besten zehn Minuten Zeit nehmen und alles aufschreiben, das sich gut anfühlt. Zum Beispiel ein langer Spaziergang in der Natur, mit lauter Musik auf den Kopfhörern. Ansonsten plane ich gerne meinen nächsten Urlaub oder das nächste Wochenende mit meinen Freundinnen aus der Studienzeit. Diese kleinen und grossen Energiequellen einfach mal alle sammeln und dann entsprechend den Valentinstag damit füllen, um sich selbst zu beschenken.
Besonders für frisch Getrennte kann der "Tag der Liebe" schmerzhaft sein. An den oder die Verflossene zu denken, ist dabei fast unumgänglich. Wie übersteht man den ersten Valentinstag nach einer Trennung?
Natürlich. Trennungen sind hart und meistens mit viel Kummer verbunden. Deshalb würde ich auch sagen, dass es vollkommen in Ordnung ist und sogar hilfreich sein kann, einfach zu leiden. Also das schmerzhafte Gefühl des Vermissens und der Sehnsucht zuzulassen, aber dabei nicht alleine sein. Lieber mal überlegen, mit wem an der Seite es sich besser aushalten lässt und einen Tag oder Abend mit der Familie oder guten Freunden verbringen. Ich finde es wichtig, sich immer wieder Räume zu schaffen, in denen man die eigene Trauer zulassen und auch zeigen kann. Dieses Gefühl, dass es da noch andere vertraute Personen gibt, die zu einem stehen, das ist sehr wertvoll und kann uns enorm stärken, den Verlust einer Beziehung zu bewältigen.
Liebesbeziehungen haben nicht nur Vorteile
Im Büro oder Freundeskreis wird gerne erzählt, was am Valentinstag so geplant ist oder was der Partner einem für tolle Geschenke gemacht hat. Viele Singles können dann nicht mitreden und bekommen vielleicht sogar einen mitleidigen Blick zugeworfen. Wie bleibt man in solchen Situationen stark?
Ja, es ist natürlich sehr schwierig, sich in solchen Situationen nicht ausgeschlossen zu fühlen. Dafür müssen die Kollegen und Kolleginnen uns noch nicht mal mitleidige Blicke zuwerfen, meistens schaffen wir das auch ohne die Reaktionen anderer. Was helfen kann, ist die Blickrichtung zu ändern und zu überlegen, welche Vorteile es hat, Single zu sein. Also ganz konkret: Was können wir am Valentinstag unternehmen, das alleine besser geht als mit einem Partner oder einer Partnerin? Denn als Single vergessen wir leicht, weshalb es auch schön und einfach sein kann, sich mit niemandem abstimmen zu müssen.
Es ist wichtig, sich ab und zu wieder daran zu erinnern, wie viel freier und spontaner man sich das Leben gestalten kann, wenn da niemand an unserer Seite ist, der eine Meinung dazu hat. Das kann auch helfen, mit einer schmerzhaften Trennung besser umzugehen. Gibt es da irgendetwas, worauf ich für den Partner oder die Partnerin verzichtet habe? Ein Interesse, dem ich nicht mehr so nachgegangen bin, weil es nicht gut in die Beziehung gepasst hat? Diesen Bedürfnissen würde ich mal auf die Spur gehen und mich überraschen lassen, was da so alles kommt.
Wie kann man einen traurigen Single als aussenstehende Person zum Valentinstag unterstützen?
Ich würde empfehlen, zu überlegen, womit ich der Person die meiste Freude machen kann. Spricht sie davon, sich oft einsam zu fühlen und nach einem Partner oder einer Partnerin zu sehnen, dann am besten gemeinsame Zeit schenken und eine Einladung aussprechen. Gut ankommen werden sicherlich auch kleine Aufmerksamkeiten. Eine handgeschriebene Karte, ein Buch, ein besonderer Kaffee oder Tee. Einfach vorstellen, die Person hat Geburtstag, da kommen sicherlich einige Ideen zusammen. Ich würde auch mal überlegen, ob es gut ankommt, ganz klassisch Blumen zu schenken und damit direkt auf den Valentinstag Bezug zu nehmen.
Warum sollte dieser Tag exklusiv für Paarbeziehungen reserviert sein? Wieso nicht mutig mit dem Klischee brechen? So fühlt sich der traurige Single-Freund oder die traurige Single-Freundin gesehen, wertgeschätzt und zugehörig und darum gehts ja meistens. Wir alle wünschen uns kleine Zeichen der Liebe.
Neid zulassen und Wünsche in Angriff nehmen
Wie geht man mit dem Gefühl um, neidisch auf die Beziehung anderer zu sein?
Den Neid zulassen. Wir alle sind mal neidisch auf eine andere Person, das ist ganz normal. Genauso wie wir alle Freude, Wut oder Trauer empfinden. Dahinter versteckt sich immer ein persönliches Bedürfnis, das gerade erfüllt ist oder eben auch nicht. Genau da zeigt auch der Neid hin: Wir wünschen uns eine Beziehung und sehnen uns nach all dem, was wir damit verbinden. Dabei kann es passieren, dass wir mehr in eine Beziehung hineinprojizieren, als sie tatsächlich erfüllen kann.
Unsere Gedanken klingen dann so: "Der ersehnte Partner oder die ersehnte Partnerin wird uns glücklicher machen, mutiger, erfolgreicher, selbstbewusster, aktiver", all das. Wenn wir mit dieser Idee auf Paare in unserem Umfeld schauen, gehen wir davon aus, dass sich für alle anderen genau dieser Traum schon erfüllt hat und das kann sehr weh tun. Wichtig ist es daher, den Neid nicht nur zuzulassen, sondern ihm auch gut zuzuhören. So wird uns klar, was wir gerade vermissen und wir bekommen einen konkreten Handlungsauftrag, uns darum zu kümmern. Denn wir sollten lieber nicht auf den Richtigen oder die Richtige warten. Das kann einerseits lange dauern, bringt uns also in eine Abhängigkeit und kann uns andererseits auch einfach nur enttäuschen. Traumbeziehungen sind ein bisschen wie eine Fata Morgana. Geht man zu nah ran, lösen sie sich in Luft auf. Also lieber selbst um die Erfüllung der eigenen Wünsche kümmern und damit beginnen, sich selbst ein respektvoller und liebender Partner zu sein.
Natürlich fühlen sich viele Singles auch an anderen Tagen im Jahr einsam und verbringen oft generell mehr Zeit alleine als Menschen in Beziehungen. Wie wandelt man das Gefühl von Einsamkeit in ein bewusstes "Ich verbringe gerne Zeit mit mir selbst" um?
Als Single hat man die Möglichkeit, die Beziehung mit sich selbst ganz intensiv zu leben. Das kann einerseits sehr spannend und bereichernd sein, denn es gibt uns die Möglichkeit uns besser kennenzulernen. Aber es kann sich natürlich auch sehr einsam anfühlen. Ich empfehle mal darauf zu achten, ob es da Unterschiede im Alltag gibt. Wann ist das Gefühl stärker da und wann weniger stark? So können wir noch besser verstehen, was uns guttut und uns das öfters schenken. Mit der Zeit können sich daraus wertvolle Routinen entwickeln. Wir wachsen, werden mutiger und gehen viel selbstverständlicher damit um, dass wir unsere eigene beste Gesellschaft sind.
Das Gefühl von Einsamkeit in etwas Positives umzuwandeln, ist aber nicht die einzige Option. Wir können uns auch bewusst Gemeinschaft suchen, die Beziehung zur Familie verbessern, Kontakte zu Freunden, Kollegen und Kolleginnen pflegen und uns ganz neue Gemeinschaften erschliessen. Also vielleicht die ersehnte Paarbeziehung mal ganz zart und allmählich vom Sockel stossen und den Wert der vielen anderen guten Beziehungen in unserem Leben neu wertschätzen.
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Hanne Horvath ist Mitgründerin der Online-Therapie-Plattform HelloBetter. Die Psychologin beschäftigte sich schon im Studium mit digitalen Gesundheitsanwendungen. 2016 schloss sie ihre Promotion in Psychologie ab - im Rahmen des Forschungsprojekts GET.ON an der Leuphana Universität Lüneburg, für das sie mit dem Wilhelm Exner Preis für Psychologie ausgezeichnet wurde.
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