Ausgerechnet der Valentinstag kann für Paare ein grosses Problem werden. Der Grund ist ganz einfach: Jeder steht anders zum Valentinstag. Nur wie, darüber sprechen wir kaum. So zeigt sich laut einer Paartherapeutin an diesem Tag ein Problem, das schon lange vorher da ist.

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Frische Verliebtheit ist wie eine prickelnde Entdeckungsreise. Möglichst alles will man über den anderen erfahren. Man will wissen, was ihm oder ihr gefällt, wer und wie er eigentlich ist, was sie bewegt.

"Und irgendwann endet dieses Interesse dann", beobachtet die systemische Paartherapeutin Anette Frankenberger. "Aber nicht, weil der andere nicht spannend bleibt, sondern weil wir denken, wir wüssten schon alles über ihn."

Ein Irrtum, der uns am Valentinstag voll auf die Füsse fallen kann. Das Problem nämlich: "Von allen Seiten - per Plakat, Newsletter, Fernsehprogramm - werden wir an diesen Tag erinnert, so ähnlich wie beim Muttertag. Das erzeugt Druck, aber nicht jeder will da mitziehen", sagt Frankenberger.

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Sie findet das nachvollziehbar: "Sich zu überraschen, ist etwas wirklich Schönes. Aber nicht, wenn es nach dem Schema abläuft: Mist, ich muss noch schnell Blumen kaufen - und dann war's das mit den aufmerksamen Gesten für ein Jahr." Oder wie ein Juwelier ihr einmal erzählte: "Am Valentinstag kommen oft Männer mit der Bitte, ihnen 'irgendwas' zu verkaufen, Hauptsache 'teuer'. Das ist ziemlich traurig - und eigentlich lieblos."

Enttäuschungen vermeiden: Die Lösung ist ganz leicht, wird aber allzu oft übersehen

Der Valentinstag polarisiert eben: Manche verabscheuen ihn richtig, andere hoffen insgeheim auf eine Geste der Liebe - Schmuck, Blumen, Schokolade, Karte oder sonst irgendeine Überraschung. "Und dann sind sie enttäuscht, wenn die Erwartung unerfüllt bleibt", meint die Therapeutin.

Dieses Phänomen sei für den Valentinstag ganz typisch und ende nicht selten in Streit. Das Problem dahinter schlummert aber in vielen Beziehungen schon viel länger: "Wir haben diese Vorstellung von Romantik, dass uns Wünsche von den Augen abgelesen werden. Dabei ist die Lösung nicht so schwierig: Wir können einander doch sagen, was wir uns wünschen würden."

  • Beispiel aus der Paartherapie-Praxis: Sie fragt ihn: "Was willst du heute Abend machen?" Er: "Ich geh’ heute an den Computer und programmiere." Die Folge: Sie ist sauer, weil er keine Zeit mit ihr verbringen will, wie sie meint. Der Trugschluss, die falsche Vorstellung von Romantik dabei laut Frankenberger: "Wenn du mich wirklich liebst, wüsstest du, was ich will und was ich brauche."
  • Die Lösung wäre: Sie geht zu ihrem Mann und sagt: "Ich würde heute Abend gern Zeit mit dir verbringen. Gehst du mit mir spazieren?"

Falsche Vorstellung von Romantik

"Wer einen bestimmten Wunsch hat - seien es die Rosen am Valentinstag - muss das unbedingt kommunizieren. Es ist nicht unromantisch, wenn ich dem anderen sage, was ich gerade schön finde, und ihn dazu einlade", betont Frankenberger. Es passiere nur oft nicht, weil wir eben meinen: Wir kennen einander doch - es müsste doch klar sein für ihn, dass ich mich über Blumen freue! Sie müsste doch wissen, dass ich den Valentinstag für puren Kommerz halte!

"Wir vergessen, miteinander zu sprechen über all diese Dinge: Worüber freust du dich eigentlich? Ist das ein wichtiger Tag für dich? Wie wollen wir ihn begehen? Wie wünschst du es dir?" Das gelte auch für andere wichtige Tage und Ereignisse wie Weihnachten, die oft mit bestimmten Erwartungen verbunden seien, über die aber nicht mehr gesprochen wird.

"Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die der Mensch unternehmen kann."

Søren Kierkegaard, Philosoph und Theologe

Der grosse Irrtum: "Wichtige Fragen sind doch längst geklärt"

In ihrer Praxis zeige sich das bei den Paaren tagtäglich: "Wie unterschiedlich die Vorstellungen von Paaren sind - von dem, was ein schöner Tag ist, was Romantik bedeutet, wann man sich dem anderen nahe fühlt. Bei all dem schliessen wir automatisch von uns selbst auf den anderen."

Die Tatsache, dass zwei Menschen schon ewig zusammen seien, "bedeutet grundsätzlich nie, dass über essenzielle Dinge gesprochen wurde. Ja, wir wissen zwar noch, welches Essen der andere beim ersten Date toll fand. Aber: Wir verändern uns doch alle. Und dann bringen wir uns nicht mehr auf den neuesten Stand."

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Dafür könne der Valentinstag - positiv gesprochen - eine Gelegenheit sein. Fragen zu klären wie: Was findest du überhaupt romantisch? Wie sieht für dich ein schöner Tag aus? Was bewegt dich gerade, was magst du gerade, was interessiert dich?

"Und sich mal gemeinsam darüber bewusst werden: Wie steht es eigentlich um uns? Wie zeigen wir uns unsere Liebe und Zuneigung? Sich verabreden für gemeinsame Zeit, auch und gerade, wenn man schon lange zusammen lebt. Und auch wenn es für viele banal oder komisch klingt: Nehmen Sie sich wirklich vor, sich für den anderen zu interessieren." In eine Formel gebracht: "Gestalten und fragen statt raten, was der andere will", rät die Therapeutin.

Denn das sei schöne Seite vom Valentinstag: "Er erinnert uns daran, dass Liebe nichts Selbstverständliches ist." Damit meint die Paartherapeutin nicht nur, dass wir dankbar sein sollten, sondern: "Wir müssen für unsere Liebe auch etwas tun." So kann es noch Jahre nach der ersten Verliebtheit, nach gemeinsamen Jahrzehnten aufregend und abwechslungsreich bleiben. Wie es uns der Philosoph und Theologe Søren Kierkegaard so schön hinterliess mit den Worten: "Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die der Mensch unternehmen kann."

Über die Gesprächspartnerin

  • Anette Frankenberger arbeitet seit 1994 in München als systemische Paar- und Familientherapeutin sowie Supervisorin in eigener Praxis. Seit 1989 ist sie als Dozentin in der Erwachsenenbildung und Erziehungsberatung tätig.

Redaktioneller Hinweis

  • Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv.
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