- Haben die EU und damit auch Deutschland bald genug Corona-Impfstoff für jeden?
- Vier Vakzine sind zugelassen, und bestellt ist genug.
- Aber zumindest einer der Hersteller kommt erneut nicht vom Fleck.
Herber Rückschlag bei der Versorgung der Europäischen Union mit Corona-Impfstoffen: Der Hersteller Astrazeneca hat am Freitag erneut drastische Lieferkürzungen angekündigt. Statt der zuletzt anvisierten 220 Millionen Dosen sollen nur noch 100 Millionen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten gehen. Der deutsche Anteil daran liegt rechnerisch bei etwa 19 Millionen. Der Konzern begründete dies unter anderem mit Exportbeschränkungen, ohne Details zu nennen.
Hinzu kommt: Der neu zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson kommt nach Erwartung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erst Mitte oder Ende April. Hintergrund sind nach Angaben aus EU-Kreisen unter anderem Zweifel an der Exportpolitik der USA. Das Weisse Haus betont zwar, es gebe kein Exportverbot. Priorität sei aber, zuerst die US-Bevölkerung zu impfen.
Die EU-Kommission hat von den vier in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen insgesamt mindestens 1,4 Milliarden Dosen für die rund 450 Millionen Europäer geordert - mehr als genug. Trotzdem ist Impfstoff knapp und die Impfkampagnen gehen nur langsam voran. Gesundheitsminister
Bei Biontech sind Planungen gut eingespielt
Bei Biontech/Pfizer hätten sich die Planungen gut eingespielt. Rund 40 Millionen der erwarteten 60 Millionen Impfdosen im zweiten Quartal kämen von dort, was Verlässlichkeit biete. Bei Astrazeneca und Moderna seien die Planungen hingegen volatiler. Zu dem am Donnerstag in der EU zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson sagte Spahn in der ARD: "Die Wahrheit ist, dass frühestens Mitte, Ende April mit Lieferungen zu rechnen ist nach Angaben von Johnson & Johnson."
Aus EU-Kreisen in Brüssel hiess es, der US-Hersteller habe nach eigenen Angaben die Lieferkette umgestellt. Die Abfüllung - das sogenannte Fill and Finish - solle nicht mehr wie geplant in den USA stattfinden, sondern an einem anderen Ort, und die Änderung brauche etwas Zeit. Denn es bestehe neue Unsicherheit, ob die USA den Export der dort abgefüllten Fläschchen zulassen würden, bestätigten mehrere Quellen in Brüssel.
Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte Anfang Dezember eine Order erlassen, die aus Sicht von EU-Politikern auf einen Exportstopp für Corona-Impfstoffe hinausläuft, weil die USA zunächst nur ihren eigenen Bedarf decken wollen. EU-Ratschef Charles Michel hatte zuletzt kritisiert, die USA und Grossbritannien hätten "eine regelrechte Sperre verhängt für den Export von Impfstoffen oder Impfstoff-Komponenten".
Astrazeneca hat in den USA bisher noch keine Zulassung
Die "New York Times" berichtete, dass sich Millionen ungenutzte Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs in den USA angesammelt hätten, wo das Mittel keine Zulassung hat. Allein 30 Millionen Impfdosen seien bereits in einer Anlage im Bundesstaat Ohio abgefüllt, weitere Dutzende Millionen Dosen in Maryland produziert worden, schrieb die Zeitung.
Der Corona-Koordinator des Weissen Hauses, Jeff Zients, sagte am Freitag: "Wir haben einen kleinen Bestand an Astrazeneca." Sobald es eine Zulassung gebe, könne er wie im Fall der anderen Impfstoffe schnellstmöglich an die Amerikaner verteilt werden.
US-Regierungssprecherin Jen Psaki bestätigte, es gebe Anfragen einer ganzen Reihe von Ländern nach Impfdosen, die US-Regierung habe bislang aber keine an andere Staaten herausgegeben. "Es geht also nicht um Europa." Bidens erste Pflicht sei, sich um die andauernde Krise in den USA zu kümmern, die immer noch rund 1400 Menschen am Tag das Leben koste. Am Donnerstag hatte Psaki gesagt: "Es gibt keine Exportverbote."
Astrazeneca begründete die erneute Kürzung der Lieferung an die EU so: "Leider werden Exportbeschränkungen die Lieferungen im ersten Quartal nun reduzieren, und werden dies wahrscheinlich auch im zweiten Quartal." Die USA nannte der britisch-schwedische Konzern in seiner Mitteilung nicht. Schon vor Wochen hatte Astrazeneca Lieferkürzungen bekanntgegeben. Damals hatte der Konzern angekündigt, im ersten Quartal statt mindestens 80 Millionen Impfdosen nur 40 Millionen in die EU liefern zu können. Jetzt sind es bis Ende März nur noch 30 Millionen. (dpa/fra) © dpa
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