- Astrazeneca hat der EU immer wieder Hiobsbotschaften übermittelt: Leider könne man viel weniger Corona-Impfstoff liefern als gedacht.
- Dabei liegen Millionen Dosen auf Halde.
- Das ist alles ziemlich rätselhaft.
Der Hersteller Astrazeneca lagert in Italien 29 Millionen Dosen Corona-Impfstoff - und das, obwohl er mit seinen vertraglich zugesicherten Lieferungen an die Europäische Union massiv im Rückstand ist und Impfstoff in der EU überall fehlt. Dieser Bericht der italienischen Zeitung "La Stampa" klingt erstmal unwahrscheinlich, wurde aber am Mittwoch aus mehreren Quellen bestätigt. Nur das britisch-schwedische Unternehmen schwieg auf Anfrage vorerst.
So gab es von Astrazeneca auch zunächst keine Erklärung, was hinter der grossen Lagerung steckt und an wen der Impfstoff genau geliefert werden soll. Weniger zurückhaltend traten die Kritiker des Herstellers auf, der nun zum x-ten Mal aus unterschiedlichen Gründen in den Schlagzeilen ist. "Das ist völlig inakzeptabel", schrieb der CSU-Europapolitiker
Das Blatt "La Stampa" aus Turin schildert die Abläufe so: EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, inzwischen eine Art Impfstoff-Beauftragter von Kommissionschefin
Grossbritannien und Belgien als mögliche Ziele der Astrazeneca-Dosen im Gespräch
Die italienische Regierung bestätigte am Mittwoch, dass eine Anlage von Catalent in Anagni in der Region Latium auf Bitten der EU-Kommission inspiziert wurde. Laut "La Stampa" wurden dabei in den Kühlkammern die 29 Millionen Dosen entdeckt.
In der Zeitung hiess es, die Impfstoffe seien für den Export nach Grossbritannien gedacht. Ein EU-Beamter schloss auch andere Ziele nicht aus. Die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi erklärte in Rom, Ziel der inspizierten Impfstoffe sei Belgien gewesen - was weitere Fragen aufwarf.
Dazu muss man wissen, dass Astrazeneca derzeit praktisch keine Chance hat, die Impfstoffe aus der EU heraus zu bringen. Denn bereits seit 1. Februar gelten Exportkontrollen. Herstellern, die EU-Verträge nicht erfüllen, kann die Ausfuhr untersagt werden. Und Astrazeneca ist bisher die einzige Firma, bei der dieses Möglichkeit einmal angewendet wurde: Italien stoppte 250 000 Impfdosen für Australien.
EU-Kommission verschärft Exportmechanismus
Am Mittwoch verschärfte die EU-Kommission den Exportmechanismus mit dem Ziel, häufiger Nein sagen zu können, wenn Empfängerländer nicht auch Exporte in die EU zulassen.
Astrazeneca hatte der EU nach Brüsseler Angaben im ersten Quartal ursprünglich 120 Millionen Impfdosen zugesagt - und dies dann auf 30 Millionen gekürzt. "Aber sie sind Stand heute noch nicht einmal in der Nähe dieser Zahl", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch. Im zweiten Quartal stellt Astrazeneca nun offiziell 70 Millionen Dosen in Aussicht - statt der vereinbarten 180 Millionen.
Der britisch-schwedische Hersteller hat auch und vor allem umfassende Lieferpflichten an Grossbritannien, was seit Wochen für Spannungen zwischen Brüssel und London sorgt. Dabei geht es auch immer wieder um die Fabrik in Halix. Diese produziert nach Angaben der EU-Kommission seit geraumer Zeit. Sie hat aber bisher keine EU-Zulassung - nach Darstellung aus EU-Kreisen, weil das Unternehmen den Antrag nicht vorantrieb.
Regierungskreise: Erstmal gefreut
Die für die Zulassung der Anlage zuständige EU-Arzneimittelbehörde EMA wollte sich diese Woche auf dpa-Anfrage über Details des Verfahrens nicht äussern. In jedem Fall wird schon länger gerätselt, wie viel und für wen Halix produziert. Grossbritannien hofft dem Vernehmen nach, den Grossteil des dort hergestellten Impfstoffs zu bekommen.
Aus deutschen Regierungskreisen hiess es, man habe sich erstmal gefreut, "dass da 29 Millionen Dosen offensichtlich sind". Schliesslich hänge Astrazeneca mit den Lieferungen an die EU um ein Vielfaches zurück. "Vielleicht gibt es jetzt die Möglichkeit, die Lieferungen deutlich aufzustocken."
EU-Vertreter in Brüssel wollten sich über Herkunft, Ziel und den weiteren Umgang des in Italien gelagerten Impfstoffs nicht äussern - dazu müsse man die Firma fragen, hiess es. Rom jedenfalls stellte am Mittwoch klar, dass die für den Gesundheitsschutz zuständigen Carabinieri von nun an alle ausgehenden Impfstoff-Partien bei dem Betrieb in Anagni kontrollieren würden. © dpa
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