Die Bundesregierung hat in der Coronakrise verschiedene Finanzhilfen zur Verfügung gestellt. Die Gelder haben aber nicht nur diejenigen in Anspruch genommen, für die sie gedacht waren. Nun wird in allen Bundesländern wegen Betrugs ermittelt.

Mehr zum Thema Coronakrise finden Sie hier

Schnell und unbürokratisch sollten Hilfsgelder in der Coronakrise ausgezahlt werden. Dabei haben einige die Hand aufgehalten, denen die Gelder nicht zustehen. In allen Bundesländern ermitteln die Behörden derzeit wegen Betrugs. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Landeskriminalämtern, Staatsanwaltschaften und Landesministerien zeigt: Die umfangreiche Aufarbeitung hat erst begonnen.

Wie gross ist der bisher entstandene Schaden?

Täglich kommen neue Verfahren hinzu, zu dem entstandenen Schaden können Polizei und Justiz in vielen Fällen darum noch keine endgültigen Angaben machen. Die Ermittlungsverfahren dauern zudem häufig mehrere Monate.

Die Oberstaatsanwaltschaft in Berlin berichtete etwa bis Ende Mai von Vermögenssicherungsmassnahmen zwischen 3,5 und 4 Millionen Euro, in Bayern betrug der vermutete Schaden zu dem Zeitpunkt bei knapp 900.000 Euro.

In Niedersachsen schätzte die Polizei den Schaden auf etwa 300.000 Euro. In Nordrhein-Westfalen gehen die Ermittler davon aus, dass allein durch den Betrug mittels sogenannter Fake-Seiten in elf Fällen ein Schaden von mehr als 227.000 Euro verursacht wurde.

Wie viele Betrugsfälle gibt es bundesweit?

Die Zahl der bestätigten Betrugsfälle kann derzeit weder auf Landes- noch auf Bundesebene verlässlich benannt werden, weil die Ermittlungen vielerorts noch laufen. Das sind zunächst Verdachtsfälle und keine bestätigten Fälle. Laut den Angaben der Behörden gab es Ende Mai bundesweit mindestens 2.200 Betrugsverdachtsfälle.

Die Zahl ist nur bedingt aussagekräftig. Darin sind etwa keine Fälle aus Nordrhein-Westfalen enthalten. Das dortige Landeskriminalamt konnte bisher keine Angaben zu Verdachtsfällen machen. Ein Verdachtsfall ist nicht gleich ein Betrug oder eine sonstige strafbare Handlung.

Lesen Sie auch: Alle Entwicklungen rund um das Coronavirus in unserem Live-Blog

In Nordrhein-Westfalen hatten sich laut einem Sprecher der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime beispielsweise aus etwa 900 Einzelanzeigen im Zusammenhang mit Fake-Seiten bis kurz vor Ende der Auswertung rund elf tatsächliche Betrugsfälle ergeben.

Die Zahl der Verdachtsfälle variiert zudem stark von Land zu Land: In Berlin liefen Ende Mai rund 500 Ermittlungsverfahren, "täglich kommen etwa 40 neue Verfahren hinzu", hiess es von der Oberstaatsanwaltschaft. Aus Hamburg wurden Ende Mai mehr als 80 Verdachtsfälle gemeldet.

Die "Bild am Sonntag" meldete am vergangenen Wochenende, dass die Zahl der Subventionsbetrugsfälle bundesweit sogar bei mehr als 3.000 liege.

Gefahr von Hackerangriffen in Corona-Krise gestiegen - Experten warnen

In der Coronakrise verlagert sich die Kriminalität teilweise ins Internet. Während die Zahl der Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle gesunken ist, boomt der Online-Betrug. Im Netz versuchen etliche Betrüger, von der Krise zu profitieren. Die Verbraucherzentrale NRW warnt vor gefährlichen E-Mails.

Wie läuft der Betrug ab?

Die Behörden berichten von vielen Maschen. Die Betrüger machen etwa falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlten Gelder nicht sachgerecht ein. Einige Unternehmen, für die Gelder beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange insolvent, andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer beantragte Hilfe für eine fremde Firma, gab aber die eigenen Kontodaten an. Andere versuchen, mit den Daten anderer Menschen an die Hilfen zu kommen - via Internet- oder Telefonbetrug oder auch über Trickdiebstahl an der Haustür.

Häufiger wurde versucht, mithilfe sogenannter Fake-Seiten, die meist offizielle Onlineauftritte imitieren, an Daten zu gelangen. Die Seiten werden häufig im Ausland gehostet. Bundesweit waren den Behörden Ende Mai nach dpa-Recherchen mindestens 18 solcher Fake-Seiten in über der Hälfte aller Bundesländer bekannt. Nicht immer wurden auch Daten über sie abgegriffen - und auch wenn Daten abgegriffen wurden, ist in vielen Fällen kein Geld ausgezahlt worden. Auch mithilfe von gefälschten E-Mails - sogenannten Phishing-Mails - versuchten Betrüger, Daten abzugreifen.

Wie fliegt der Betrug auf?

Der Betrug fällt auf ganz unterschiedliche Weisen auf: Oft stellen die Bewilligungsbehörden - häufig Förderbanken auf Landesebene - Unstimmigkeiten im Antrag fest. Teilweise melden auch die Banken, bei denen die Antragsteller ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen Anspruch auf die Gelder hat - etwa weil er schon lange insolvent ist. Andernorts haben sich Leute bei den Behörden gemeldet, weil sie vermuteten, Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.

Welche Strafen drohen?

Das variiert von Fall zu Fall. Mögliche strafrechtliche Vergehen sind Geldwäsche, Subventionsbetrug, Fälschung beweiserheblicher Daten und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter Umständen auch Freiheitsstrafen - in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahre, hiess es etwa aus Hessen.

Können die Verantwortlichen gefasst werden?

In vielen Fällen sind die Verdächtigen bekannt, die mit dem Antrag auch ihre Identität preisgegeben haben. In anderen Fällen laufen die Ermittlungen gegen Unbekannt.

Wie soll der Betrug verhindert werden?

Nach Bekanntwerden der ersten Fälle wurde an vielen Stellen nachgebessert: Bei der Antragstellung werden teilweise spezielle Prüfteams eingesetzt, vielerorts sind Prüfverfahren oder die Zahl der stichprobenartigen Überprüfungen ausgebaut worden.

Gleichzeitig haben Polizei und Bewilligungsstellen falsche Internetseiten publik gemacht und zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks gewarnt, Fake-Seiten wurden abgeschaltet, ausgezahlte Hilfen wurden häufig sichergestellt. Ausserdem kann die Finanzverwaltung im kommenden Jahr prüfen, ob die Soforthilfen korrekt angegeben und rechtmässig beantragt wurden. (awa/dpa)  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.