- Eine Zeit lang galt Grossbritannien als Corona-Erfolgsmodell, was Impftempo und Infektionszahlen angeht.
- Inzwischen entwickelt sich das Land wieder zum Gefahrenherd für die Ausbreitung einer besonders gefährlichen Variante.
- Die Bundesregierung zieht Konsequenzen.
Wegen der Ausbreitung der zuerst in Indien entdeckten Corona-Variante wird Grossbritannien von der Bundesregierung ab Sonntag als Virusvariantengebiet eingestuft. Das gab das Robert Koch-Institut am Freitag bekannt. Damit wird die Einreise aus Grossbritannien nach Deutschland drastisch beschränkt.
Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen dürfen ab Sonntag nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die auch nicht durch negative Tests verkürzt werden kann.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte: "Wenn wir die Infektionszahlen weiter drücken wollen, müssen wir verhindern, dass ansteckende Virusvarianten diese positive Entwicklung gefährden. Dieser Schritt ist hart für Grossbritannien, aber er ist notwendig, um die schnelle Ausbreitung der indischen Variante in Deutschland zu verhindern. Erst wenn mehr Menschen geimpft sind, sind wir gegen solche Gefahr gewappnet."
Sinkende Zahlen in Frankreich, Kroatien und Slowenien
Für Frankreich, Kroatien und Slowenien wird dagegen wegen stark sinkender Infektionszahlen die generelle Quarantänepflicht von 5 bis 10 Tagen aufgehoben. Die drei EU-Länder werden am Sonntag ebenso wie Oman, die Mongolei und Andorra vom Hochinzidenzgebiet zum normalen Risikogebiet heruntergestuft. Ganz von der Liste der Risikogebiete gestrichen werden die Slowakei, Finnland, Rumänien, San Marino und Jamaika sowie einzelne Regionen in Spanien und Irland.
Grossbritannien ist das erste Land in Europa seit einiger Zeit, das wieder zum Virusvariantengebiet wird. In diese höchste Risikokategorie fallen derzeit nur elf Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Die indische Virusvariante B.1.617.2 gilt als besonders ansteckend und hat massgeblich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen in Indien in den letzten Monaten explodiert sind. In Grossbritannien sind - Stand 19. Mai - mehr als 3.400 Fälle der Variante bestätigt worden. Schwerpunkte sind vor allem die Städte Blackburn und Bolton in Mittelengland sowie ein Westlondoner Bezirk. Es gebe allerdings auch in anderen Gegenden einzelne "Cluster", teilte die Gesundheitsbehörde Public Health England mit.
Virusvariante B.1.617.2: Deutlich höhere Übertragbarkeit vermutet
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) liegen zur indischen Variante noch keine ausreichenden Daten vor. Vermutet werde eine deutlich höhere Übertragbarkeit und wahrscheinlich ein leicht reduzierter Impfschutz, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äusserte sich mit Blick auf Grossbritannien besorgt. Es solle vermieden werden, dass sich die Variante in Deutschland verbreite, sagte er bereits vor der Einstufung als Virusvariantengebiet.
Grossbritannien galt zwischenzeitlich als Erfolgsmodell, was die Bekämpfung der Corona-Pandemie angeht. Ein harter Lockdown und ein hohes Impftempo hatten die Infektionszahlen so weit gedrückt, dass die Bundesregierung das Land vorübergehend ganz von der Liste der Corona-Risikogebiete nahm. In der vergangenen Woche wurde es wegen der indischen Virusvariante aber wieder in die niedrigste Risikokategorie eingestuft. Ab Sonntag gilt für das Vereinigte Königreich wieder die höchste Risikostufe.
Die britische Regierung zeigt sich bisher zuversichtlich, die Ausbreitung in den Griff zu bekommen. In den betroffenen Gebieten wurden die Testkapazitäten deutlich erhöht. Zudem dürfen sich dort alle über 18-Jährigen impfen lassen, mobile Impfzentren sind im Einsatz. Landesweit sind eigentlich erst Menschen ab 34 Jahren berechtigt, eine Dosis zu erhalten.
Scharfe Kritik an Boris Johnson
In Bolton und Blackburn wurde zuletzt ein leichter Anstieg von Corona-Patienten in Kliniken gemeldet. Gesundheitsminister Matt Hancock betonte jedoch, der Grossteil sei noch nicht gegen Corona geimpft gewesen, obwohl die Betroffenen berechtigt gewesen seien. Die Impfungen schützten also auch gegen die Variante, zeigten sich Regierungsvertreter überzeugt.
Für scharfe Kritik an Premierminister
Medien berichteten, dass trotz der Einstufung noch täglich mehrere Direktflüge aus Indien in Grossbritannien landen. Aus anderen "roten" Staaten wie Brasilien oder Südafrika sind Direktflüge verboten. Die Regierung verteidigte sich, es handele sich bei den Einreisenden nur um Briten und Iren oder Menschen mit Wohnsitz in Grossbritannien. Bei Direkteinreisen sei die Überwachung der Hotel-Quarantäne sicherer.Allerdings wiesen Medien darauf hin, dass Reisende aus Indien stundenlang und ohne Abstand im Flughafen neben Ankommenden aus anderen, sichereren Ländern an der Passkontrolle warteten. (dpa/fra) © dpa
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