Christian und seine Frau hatten Anfang des Jahres 2020 eine schöne Amerika-Rundreise geplant. Zuerst sollte es nach Miami gehen, um zu shoppen, dann weiter ins Nachbarland Mexiko, um die Sonne am Strand zu geniessen. Anschliessend wollte das Paar wieder zurück in die USA fliegen. Dann aber nahmen die Corona-Fälle plötzlich auch dort schlagartig zu.
"Wir sind losgeflogen, als Corona noch überhaupt nicht so wild war. Wir reisten über die USA ein, hier hatten noch alle Läden offen, wir konnten in Miami auch noch shoppen.
Dann ging es weiter nach Mexiko. Als wir in Mexiko waren, ging es los - an Urlaub war nicht mehr zu denken. In den Nachrichten sahen wir jeden Tag, wie Bestimmungen geändert und Grenzen geschlossen wurden. Die Hotels wurden immer leerer. Die verbliebenen Gäste hatten wie wir auch alle nur noch das Handy in der Hand und lasen Berichte: über geschlossene Grenzen, wie viele Corona-Tote und Infizierte es gab. Es war kein Urlaub mehr, es war schrecklich.
In diesem Podcast hören Sie Christians ganze Geschichte
Dann kam der Moment, in dem wir wieder in die USA zurückzufliegen mussten - und damit fing das ganze Hin und Her eigentlich so richtig an. Wir wussten plötzlich nicht mehr, ob wir heimkommen oder nicht. Die Lufthansa teilte uns noch in Mexiko mit, dass unsere Rückflüge von Miami aus bereits storniert seien. Sie haben uns allerdings keinen neuen Flug angeboten, was eigentlich eine Frechheit ist.
Wir bekamen mit, dass
"Airbnb-Vermieter wollten uns abzocken"
Wir hatten das grosse Glück, in die USA einreisen zu dürfen, weil wir seit 14 Tagen nicht mehr in der EU waren, sondern in Mexiko – also waren wir keine Gefährdende.
Als wir dachten, das könnte ganz gut klappen - noch zwei Tage USA, und wir suchen dann Flüge - ging es auch in der USA los. Die Infektionen stiegen an, es war die Hölle los. Alle Hotels wurden geschlossen. Wir standen ohne Unterkunft da.
Wir versuchten es mit Airbnb. Die Vermieter hatten natürlich mitbekommen, was los war und ihre Airbnbs im Internet für 1800 US-Dollar angeboten. Wir fuhren hin, um die Unterkünfte anzusehen. Bei der Besichtigung erklärte man uns dann, dass wir 5000 US-Dollar in bar brauchten. So ging es uns mit vier, fünf Vermietern. Wir liessen das dann sein und gingen eine Nacht nochmal in ein Hotel, da es am Airport noch Zimmer für Flugzeug-Crews und Notleidende gab. Sie nahmen uns für eine Nacht auf. Am nächsten Tag machten wir uns dann weiter auf die Suche und fanden bei Airbnb per Zufall doch noch einen Vermieter.
Wir sitzen jetzt aktuell in den USA fest für ein, zwei Wochen und haben es geschafft, Flüge zu organisieren. Die Flüge sind preislich in die Höhe geschossen, die Preise ändern sich teilweise stündlich. Was natürlich auch schlimm ist: Dass du einfach allein gelassen wirst. In unserem Fall hat die Lufthansa nicht mit uns Kontakt aufgenommen, hat uns nicht gesagt, wann und wie und wo und was.
Sie planen nicht, uns herauszuholen, sondern wir müssen uns drum kümmern. Sprich: Man hängt vier Stunden in einer Warteschleife. Dazu kommt noch die Unfähigkeit vieler Mitarbeiter, was wahrscheinlich bei vielen Hotlines der Fall ist. Wir haben mehrmals bei Lufthansa angerufen. Das erste Mal, als wir durchkamen, hiess es, am 20. April 2020 gehe der nächste Flieger, das wäre eine Wartezeit von vier Wochen.
"In der ganzen Nummer lässt dich Deutschland allein"
Wir haben hier Ausgangssperre. Es ist alles dicht und die Polizei ist auf der Strasse unterwegs. Die Infektionsgefahr ist sehr hoch.
Und in der ganzen Nummer lässt dich Deutschland allein, die Airline lässt dich allein - das ist brutal! Wenn du über Portale dann andere Flüge gebucht hast, denkst du erstmal, du kommst heim. Dann werden die Flüge aber storniert mit der Aussage, das Geld werde nicht erstattet, man bekomme nur einen Gutschein. Wir haben natürlich irgendwann aufgehört, nach anderen Flügen zu suchen.
Inzwischen hat sich die Lage für uns zumindest ein bisschen beruhigt. Wir sitzen in Fort Lauderdale und haben ein Doppel-Häuschen gemietet. Uns geht es hier gut. Wir haben uns isoliert, weil wir natürlich Angst haben vor der amerikanischen Polizei.
Hier ist noch nicht überall Ausgangssperre. Die Fallzahlen steigen täglich ins Unermessliche. Deswegen haben wir uns isoliert. Wir haben jetzt einen Flug am 2. April 2020 über eine sehr nette Lufthansa-Mitarbeiterin bekommen, die wir bei unserem sechsten oder siebten Versuch endlich ans Telefon bekommen haben. Die hat für uns über eine Stunde lang nach Flügen gesucht. Wir werden jetzt hoffentlich, wenn der Flug stattfindet, am 2. April ausgeflogen und kommen dann wieder nach Deutschland zurück.
Das Paar bleibt trotz allem optimistisch
Wir glauben aber auch, dass es anderen Leuten schlechter geht. Es war zwar ein bisschen heftig alles, aber es war keine Tortur. Wir haben das relativ entspannt gesehen. Natürlich gibt es andere Leute, die mit so einer Situation überfordert sind, denen das zu schaffen macht. Für uns war es jetzt ganz okay, es war eine neue Erfahrung.
Wir haben beide das grosse Glück, selbstständig zu sein. Das Kosmetik-Geschäft meiner Frau wurde in Deutschland sowieso geschlossen und ich konnte im Home-Office alles aus Fort Lauderdale machen.
Wir hatten eine harte Reise hinter uns, teilweise auch noch vor uns – wir wissen ja noch nicht, ob der Rückflug klappen wird. Aber wenn es klappt, haben wir es geschafft und sind die geldgeilen Vermieter und Fluglinien, die nicht interessiert, was mit ihren Kunden passiert, los. Lange Rede, kurzer Sinn: Es war sehr chaotisch!"
Update: Christian und seine Frau haben am 1. April 2020 einen Rückflug bekommen und sind von Miami über Chicago nach Frankfurt gereist.
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