- Ein ehemaliger BAG-Krisenmanager kritisiert die tagesaktuelle Meldungen zu den Corona-Fallzahlen.
- Die Zahlen würden nur ein grobes Bild der Pandemie vermitteln.
- Insbesondere bei der Inzidenz brauche es Anpassungen.
Seit über einem Jahr bestimmt der tägliche Blick auf die aktuellen Corona-Fallzahlen den Alltag der Schweizerinnen und Schweizer. Von ihnen hängt ab, ob Geschäfte, Restaurants und Co. öffnen dürfen oder die Massnahmen verschärft werden. Doch der ehemalige BAG-Krisenmanager Daniel Koch kritisiert diese Zahlen jetzt stark.
Im Podcast "Unplugged" erklärt Koch, dass nicht die Zu- oder Abnahme der Fälle ausschlaggebend sei, sondern das Verhalten der Menschen. "Es gibt immer noch Leute, die sich stark von den Zahlen beeindrucken lassen und deshalb zu viel Angst haben", führt er gegenüber "20 Minuten" aus. Für die Psyche der Bevölkerung in der Pandemie sei es nicht gut, ständig auf die Zahlen zu achten. Nähmen die gemeldeten Zahlen nämlich zu, befürchteten viele gleich eine schlimme Entwicklung.
BAG-Krisenmanager: Nur grobes Bild der Pandemie
Die Fallzahlen vermitteln laut Koch zwar ein wichtiges, aber nur grobes Bild der Pandemie. Wie viele Leute sich aber tatsächlich testen lassen, sei jedoch nicht erkennbar. Zudem hinkten die Zahlen der Hospitalisationen hinterher. Im internationalen Vergleich liefern die Zahlen zur Übersterblichkeit den einzigen verlässlichen Wert. Diese könnten aber erst nach einem gewissen Zeitraum bekannt gegeben werden.
Mehrere Schweizer Politiker wollen nun den Gradmesser der Pandemie einer Revision unterziehen. FDP-Nationalrat Marcel Dobler fordert etwa, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vom "Hitparaden-Style der Fallzahlen" abkehre. Es sei wichtiger, schwere Krankheitsverläufe zu beobachten, als tatsächliche Infektionen. Besonders sobald immer mehr Menschen die Corona-Impfung erhalten haben, müsse man sich von den Fallzahlen wegbewegen. "Wenn die vulnerablen Personen geimpft sind, haben Fallzahlen nicht mehr denselben Stellenwert."
Infektiologe rät von Umkrempeln der Meldungen ab
Während mehrere Politiker ein Umkrempeln der Corona-Meldungen fordern, rät der Infektiologe Andreas Widmer davon ab. "Das wäre, als würde man die Autogeschwindigkeiten plötzlich in Knoten statt in Kilometern messen", erklärt er. Theoretisch sei ein neues Datenmanagement keine schlechte Idee, sie komme aber viel zu spät. Es würde den Vergleich mit vorherigen Daten erschweren. Zudem rechnet er damit, dass die Fallzahlen zusammenbrechen, sobald über 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Das könnte schon Ende Juni der Fall sein. © 1&1 Mail & Media/spot on news
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