Eine falsche Interpretation einer Corona-Verordnung von Mai 2021 kursiert seit Wochen in sozialen Netzwerken. Es wird behauptet, geimpfte Menschen würden wieder als ungeimpft gelten, wenn sie typische COVID-19-Symptome entwickeln. Das stimmt nicht.
"Unglaublich! Man gilt solange per Gesetzblatt als 'Geimpfte Person' solange man keine Symptome hat!" Diese Behauptung wird seit Wochen zum Beispiel auf Facebook verbreitet. Darauf aufbauend wird suggeriert, die Angaben zu den Menschen auf Intensivstationen seien falsch, da alle, die erkranken, per Definition als Ungeimpfte zählen würden.
Ein Faktencheck von CORRECTIV zeigt: Das "Gesetzblatt" ist eine Corona-Verordnung der Bundesregierung von Mai 2021 – und sie wird falsch interpretiert. Geimpfte werden nicht wieder zu Ungeimpften, wenn sie Symptome wie Husten, Schnupfen oder Fieber entwickeln.
In der "Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmassnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19" werden am Anfang bestimmte Begriffe definiert. Tatsächlich steht dort, im Sinne der Verordnung sei "eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist". Eine asymptomatische Person sei wiederum eine Person, die keine der typischen COVID-19-Symptome wie Atemnot, Husten, Fieber oder Geruchs- oder Geschmacksverlust aufweise.
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Geimpfte, die an COVID-19 erkranken, zählen nicht als "ungeimpft", sondern als "Impfdurchbrüche"
Diese Begriffsdefinition bezieht sich jedoch nur auf diese Verordnung. Ihr Zweck war es, Lockerungen der Corona-Massnahmen für geimpfte oder genesene und negativ getestete Personen einzuführen. Menschen mit typischen Corona-Symptomen wurden jedoch explizit davon ausgenommen. Das heisst, wenn Geimpfte solche Symptome hatten, galten die Lockerungen für sie nicht mehr. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung "eine geimpfte Person ist eine asymptomatische Person" zu verstehen.
Vollständig geimpfte Menschen zählen in den offiziellen Statistiken immer als geimpft. Wenn sie sich dennoch mit Corona infizieren und krank werden, werden sie nicht etwa wieder zu den Ungeimpften gezählt, sondern als "Impfdurchbrüche" erfasst.
Als Impfdurchbruch definiert das Robert-Koch-Institut (RKI) eine mit einem PCR-Test bestätigte Corona-Infektion einer vollständig geimpften Person, die Symptome entwickelt. Die Zahlen zu den Impfdurchbrüchen veröffentlicht das RKI in seinen Wochenberichten; die neuesten Daten finden sich im Bericht vom 4. November 2021.
Eine geimpfte Person, die infiziert ist, aber keine Krankheitssymptome entwickelt, zählt nicht als "Impfdurchbruch". Das RKI hat aber auch eine Statistik für diese Fälle, auch sie werden also gezählt. Das haben wir bereits in einem anderen Faktencheck erklärt.
Die Behauptung in den Facebook-Beiträgen ist also falsch. Als Quelle dafür wurde übrigens ein Pastor aus Baden-Württemberg genannt. Er habe das vermeintlich brisante Detail im "Gesetzblatt" in einer Predigt erwähnt. Laut Medienberichten hält dieser Pastor bereits seit Beginn der Corona-Pandemie Reden, in denen er Verschwörungen andeutet. Er bezeichnete unter anderem die Corona-Politik als "Werk der Finsternis".
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