In der italienischen Hauptstadt finden im Monatstakt Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen statt. Doch die Proteste haben nur wenig Zulauf, weil die Pandemie-Erfahrung der ersten Welle das gesamte Land schwer gezeichnet hat.
Wenn in einen grellgrünen Mund-Nasen-Schutz zwei Löcher geschnitten werden und er als Augenmaske im Superhelden-Stil getragen wird, ist die Nachricht klar: Hier ist jemand nicht mit den Vorsorgemassnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus einverstanden. Zu sehen gab es diesen unvorsichtigen Protest vergangenes Wochenende in Rom bei der sogenannten No-Mask-Demonstration, der Kundgebung der Corona-Leugner.
Die Gruppe hatte sich wie schon vergangenen Monat auf einem der zentralen Plätze der italienischen Hauptstadt versammelt, um gegen die Auflagen zu protestieren, die die Regierung erlassen hat, um die Ausbreitung des Coronavirus im Land bestmöglich einzudämmen. Die Kundgebung vor einem Monat fand unmittelbar nach der grossen Corona-Demo in Berlin statt, an der knapp 40.000 Menschen teilgenommen hatten.
Das Ausmass der deutschen Corona-Demo war in Italien genau registriert worden, und so hatten die Protestierenden in Rom damals auch eine Nachricht nach Deutschland geschickt. Auf einem der Plakate stand in deutscher Sprache: "Für die Freiheit der Welt … Italien ist mit Berlin!"
In Berlin 40.000 Zweifler, in Rom 2.000
Dieser Verweis auf den deutschen Corona-Protest, der wohl als Solidaritätsbekundung unter Gleichgesinnten gedacht war, hatte noch einen anderen Effekt: Indem er den direkten Bezug nach Berlin herstellte, machte er deutlich, wie viel weniger Menschen in Rom gegen die von der Regierung verordneten Corona-Einschränkungen protestieren. So waren bei beiden Protestaktionen jeweils nicht mehr als 2.000 Menschen anwesend – kein Vergleich zu den Zigtausenden, die Ende August durch die Strassen Berlins zogen.
Zwar ähnelten die Demonstrationen in Rom jener in Berlin insofern, als dass sich auch hier Menschen mit verschiedensten Anliegen versammelten, die mit Corona teils nichts mehr zu tun hatten. So waren auf der Piazza San Giovanni in Rom auch Impf-Gegner und Verschwörungstheoretiker anwesend, die etwa hinter der Installation von 5G-Antennen eine Weltverschwörung wittern.
Was in Rom jedoch fehlte, waren Bürger, die die Angst um ihre Existenz auf die Strasse getrieben hatte. Und genau hier liegt der grosse Unterschied darin, wie die Bevölkerung in Italien und Deutschland die Einschränkungen in der Coronakrise wahrnimmt: In Italien sitzt der Schock über den Ausbruch von Corona so tief, dass nur verschwindend wenige Menschen ernsthaft daran zweifeln, dass die vorkehrenden Massnahmen zu streng oder unverhältnismässig sind – selbst dann, wenn sie die wirtschaftliche Stabilität des Landes gefährden.
Die Angst vor dem Virus bleibt gross
Denn in Italien summieren sich die negativen Effekte der Coronakrise, die sich allein im zweiten Quartal dieses Jahres auf ein Minus von 12,4 Prozent belaufen, zu einer bereits bestehenden Wirtschaftskrise: Italien hat es bisher nämlich nicht geschafft, sich komplett von der Euro-Krise des Jahres 2008 zu erholen und das Bruttoinlandsprodukt wieder auf das Level von vor zwölf Jahren zu heben. Dementsprechend leidet das Land nun auch unter den Auswirkungen der Coronakrise.
Auch eine Umfrage des Instituts Demos von Ende August bestätigt, dass die Italiener trotz alledem die Corona-Schutzmassnahmen für notwendig und verhältnismässig halten. Ihr zufolge finden nur 13 Prozent der Befragten die Corona-Einschränken übertrieben.
Vier Prozent von ihnen glauben zwar, dass das Coronavirus eine "Erfindung" sei. Ihnen stehen jedoch überwältigende 79 Prozent der Antwortenden gegenüber, die die Aussage verneinten, dass die Massnahmen zu streng sind. Sie finden vielmehr, dass die Vorsorgemassnahmen noch länger aufrechterhalten werden sollten.
Noch deutlicher sind die Antworten auf die Frage, wie besorgt die Befragten wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Italien sind: 82 Prozent der Menschen gaben an, "beunruhigt oder sehr beunruhigt zu sein". Wahrscheinlich ist, dass diese Werte mittlerweile sogar noch höher sind, weil die Corona-Infektionen in Italien seit dem Moment der Umfrage deutlich angestiegen sind: Verzeichnete Italien Ende August um die 1.400 Neuinfektionen am Tag, sind die Zahlen Mitte Oktober auf mehr als 7.500 gestiegen.
Neue, schärfere Vorsorgemassnahmen
Um diesen steigenden Trend zu stoppen, hat die italienische Regierung Mitte der Woche die Corona-Schutzmassnahmen abermals deutlich verschärft: Nun müssen die Bürger im ganzen Land stets eine Gesichtsmaske tragen, wenn sie anderen Menschen begegnen könnten – in Städten also immer. Bars und Restaurants müssen um Mitternacht schliessen, Ausser-Haus-Alkoholverkauf ist ab 21 Uhr verboten.
Amateursportler dürfen keinen Kontaktsport mehr spielen, Fussball und Basketball sind in Italien also derzeit tabu und auch Feiern sind im öffentlichen Raum verboten: So dürfen an einem Restauranttisch nicht mehr als zehn Menschen beisammensitzen und auch für private Haushalte hat die Regierung die dringende Empfehlung ausgesprochen, nicht mehr als sechs Menschen gleichzeitig in einem Raum zu versammeln.
Zwar hat gerade die letztgenannte Massnahme viel Polemik ausgelöst, weil mit dieser niedrigen Personenanzahl schon normale Familientreffen verhindert werden, die in Italien ein wichtiger Bestandteil des Alltags sind. Doch der Gesundheitsminister Roberto Speranza beharrt darauf, dass diese Regel eine der wichtigsten ist, da 75 Prozent der Ansteckungen im familiären Umfeld oder unter engen Freunden stattfinden.
Drohung mit einem neuen Lockdown wirkt
Trotz des leichten Widerstands gegen die neuen Massnahmen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Italiener sich trotzdem an diese halten werden. Zu präsent ist die Angst vor dem Virus, zu gegenwärtig die Erinnerung an die Fotos von Militärfahrzeugen, die zu Hochzeiten der Pandemie die Särge von Corona-Opfern quer durch das Land fuhren. Zu frisch ist auch noch die Erinnerung an die Wochen, die die Bürger des Landes in einem der strengsten Lockdowns Europas verbrachten.
Der italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte weiss um diese Angst und setzt sie geschickt ein, um die Italiener zur Einhaltung der neuen Sicherheitsmassnahmen einzuhalten. So sagte er am Mittwoch in Bezug auf einen möglichen neuen Lockdown: Sollte es zu härteren Massnahmen im Kampf gegen das Virus kommen, sei das sicherlich nicht das Ergebnis von Fehlern der Regierung: "Viel wird vom Verhalten der Bürger abhängen. Hören wir mit der Polemik und den Debatten auf, die Erfolgsformel ist die Zusammenarbeit und die Einhaltung der von der Regierung erlassenen Beschränkungen."
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Verwendete Quellen:
- Governo Italiano, Presidenza del Consiglio dei Ministri: Comunicato stampa del Consiglio dei Ministri n. 66
- La Repubblica: Covid, cosa c’è da sapere sulle nuova regole per feste private, cene e matrimoni
- La Repubblica: Misure anti-Covid valide per 8 italiani su 10. E cresce di nuovo la paura
- Corriere della Sera: No mask a Roma, 90 multati: dovranno pagare tra 400 e 1000 euro
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