Das Coronavirus greift in Grossbritannien weiter massiv um sich.Regierungschef Johnson wurde zwar aus dem Krankenhaus entlassen, doch nur in den USA sterben dieser Tage noch mehr Menschen an COVID-19 als auf der Insel. Insgesamt gibt es dort bereits über 10.000 Tote - das italienische Szenario könnte sogar übertroffen werden.
Es ist eine der wenigen guten Nachrichten in düsteren Zeiten:
"Ich habe heute das Krankenhaus nach einer Woche verlassen", berichtete der britische Premierminister am Sonntag in einer über Twitter verbreiteten Videobotschaft. Der staatliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) habe sein Leben gerettet. Johnson musste zeitweise sogar auf die Intensivstation verlegt werden.
Doch landesweit geht das Leid weiter. Am gleichen Tag verstarben 737 Menschen an der vom Coronavirus verursachten Lungenkrankheit COVID-19, die Gesamtzahl der Todesfälle übersprang am Sonntag nach Angaben des Gesundheitsministeriums die 10.000er Marke. Angesichts dessen sprach Gesundheitsminister Matt Hancock von einem "düsteren Tag".
Das Ausmass könnte sogar noch dramatischer sein: Experten rechnen mit einer hohen Dunkelziffer; vor allem zahlreiche Opfer in Seniorenheimen sind noch nicht erfasst. Droht Grossbritannien ein italienisches Szenario?
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Trifft die Pandemie die Briten am schlimmsten?
Nach Einschätzung der in London ansässigen Wellcome-Stiftung könnte Grossbritannien in der Bilanz das am schlimmsten von der Corona-Pandemie betroffene Land innerhalb Europas werden. Im Vereinigten Königreich werde die Todesrate möglicherweise die höchste sein, sagte der Direktor der Stiftung, Jeremy Farrar, am Sonntag dem britischen Sender BBC.
Zweifellos müsse man aus der derzeitigen Lage Lehren ziehen, betonte er. Massentests könnten noch helfen, Zeit zu gewinnen, um das Gesundheitswesen aufzurüsten.
Nach dem jetzigen Ausbruch rechnet der Experte, der auch die britische Regierung berät, mit einer zweiten und dritten Welle. Er hoffe auf einen Impfstoff bis Herbst, dann müsse noch die Produktion für die Impfung vieler Millionen Menschen hochgefahren werden. "Ich würde hoffen, dass wir das in zwölf Monaten schaffen, aber das ist an sich schon ein beispielloser Ehrgeiz", so Farrar.
Gesundheitssystem kaputt gespart
Grossbritannien hat den Höhepunkt der Pandemie noch nicht erreicht. Und anders als die meisten europäischen Länder erliess das Land erst sehr spät ein Kontakverbot und Ausgangsbeschränkungen. Regierungsberater Patrick Vallance hatte die lange zurückhaltenden Massnahmen unter anderem damit begründet, dass eine "Herdenimmunität" gegen das Virus aufgebaut werden müsse. Premier Johnson hatte gehofft, den Höhepunkt bis zum Sommer herauszögern zu können, damit die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen gering blieben.
Diese Strategie ist vollends gescheitert. "Die Entwicklungen in New York und in Grossbritannien führen uns vor Augen, wie extrem schwer etwas wieder eingefangen werden kann, wenn es ausser Kontrolle geraten ist", sagt der Kieler Virologe Prof. Helmut Fickenscher der Deutschen Presse-Agentur.
Dazu kommt: Der NHS, der vor allem aus Steuermitteln finanziert wird, ist seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert, überlastet und marode. Kritiker sprechen davon, dass das Gesundheitswesen schlicht kaputtgespart worden ist.
So stehen in Grossbritannien gerade einmal 8.000 Beatmungsgeräte zur Verfügung – das Land belegt auf 100.000 Einwohner berechnet im europäischen Vergleich einen der letzten Plätze. Es mangelt zudem an Tests und Schutzausrüstung.
Queen Elizabeth II. macht Landsleuten Mut
"Wir wissen, dass uns das Coronavirus nicht bezwingen wird. So düster der Tod sein kann – vor allem für Trauernde – Licht und Leben sind grösser", sagte Queen Elizabeth II. am Samstag in einer Osterbotschaft.
Es war bereits das zweite Mal, dass sich die Königin innerhalb kurzer Zeit mit einer Botschaft an die Öffentlichkeit wendet. Bereits an Palmsonntag hatte sie ihren Landsleuten in einer Ansprache im Fernsehen angesichts der schwierigen Zeiten Mut gemacht. (dpa/mf)
USA haben jetzt mehr COVID-19-Tote als Italien
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